Nachhaltigkeit: vom weichen zum harten Anlagekriterium
Ökonomische Aspekte stehen für institutionelle Investoren in Deutschland, die nachhaltige Strategien in der Kapitalanlage nutzen, im Vordergrund. Zugleich nimmt der Anteil nachhaltig investierender Großanleger in Deutschland zu. Dies zeigt eine neue Studie von Union Investment.
Nachhaltige Investments sind kein Feigenblatt mehr, sondern gehören für viele institutionelle Anleger in Deutschland inzwischen zum Alltag. Zu diesem Urteil kommt Alexander Schindler, der im Vorstand von Union Investment für das institutionelle Kundengeschäft zuständig ist, beim Blick auf die jüngsten Ergebnisse der Nachhaltigkeitsstudie aus seinem Haus, an der in diesem Jahr 204 Großanleger wie Versicherungen, Pensionskassen, Banken, Stiftungen und Unternehmen mit einem Gesamtvermögen von fast fünf Billionen Euro teilnahmen. Der anhand dieser Befragung erstellte Stimmungsindex, der auf einer Skala von -100 bis +100 Punkten reicht, ist gegenüber dem Vorjahr erneut gestiegen. Der Index erreichte 19,4 Punkte, nachdem es im Vorjahr bereits 17,5 Punkte waren. Zur Erinnerung: Im Jahr 2013 lag der Stimmungswert bei mageren +5,4 Punkten.
Die positive Entwicklung der Investoreneinstellung bezüglich nachhaltigen Investments spiegelt sich auch im Anteil der Großanleger wider, die nachhaltige Strategien in der Kapitalanlage nutzen. Dieser erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr um vier Prozentpunkte auf 64 Prozent. Vor fünf Jahren lag dieser Wert noch bei 48 Prozent. Ungeachtet dessen sehen die befragten Anleger aber noch Verbesserungsbedarf: Als Kritikpunkt wurde in erster Linie eine mangelnde Transparenz der angebotenen Lösungskonzepte genannt (62 Prozent), eine unzureichende Abbildung des notwendigen Rendite-Risiko-Profils sowie ein zu enges Anlageuniversum (51 Prozent). Einen Ausstieg aus der nachhaltigen Kapitalanlage können sich 77 Prozent der Großanleger allerdings nicht mehr vorstellen.
Wie die jüngste Nachhaltigkeitsstudie zeigt, hat sich die Motivation für nachhaltige Investments im Laufe der vergangenen Jahre verändert. Während in den Anfangsjahren der nachhaltigen Kapitalanlage vor allem ethische, soziale und ökologische Aspekte als relevant erachtet wurden, sei danach zunehmend die ökonomische Dimension in den Blick gerückt. Im Jahr 2013 war dies für 42 Prozent der Befragten wichtig. Heute stehen ökonomische Aspekte für 64 Prozent der Investoren im Vordergrund. „Nachhaltigkeit hat sich von einem weichen zu einem harten Anlagekriterium im Portfoliomanagement entwickelt. Dieser Wandel hat die Professionalisierung der nachhaltigen Kapitalanlage unterstützt“, so Schindler.
Wandel in der Asset Allocation nachhaltiger Anlagen
Ein weiterer signifikanter Wandel ist mit Blick auf die Asset Allocation nachhaltiger Anlagen zu beobachten, wie sich in der Studie herauskristallisiert. Mittlerweile werde diese nicht mehr von der Anlageklasse Renten dominiert. So lag der Rentenanteil im Jahr 2013 noch bei 45 Prozent und beträgt in der jüngsten Befragung 30 Prozent. Deutlich zulegen konnten demgegenüber Aktien, deren Anteil vor fünf Jahren bei 14 Prozent lag und inzwischen auf 30 Prozent angewachsen ist. Renten und Aktien bilden damit die bevorzugten Asset-Klassen für nachhaltige Strategien, gefolgt von Immobilien mit 22 Prozent und Infrastruktur mit acht Prozent. „Der Blick ins Gesamtportfolio zeigt bei deutschen Investoren aber immer noch ein erhebliches Potenzial für Nachhaltigkeit, denn sie haben erst 37 Prozent ihrer Assets nachhaltig angelegt“, ist Professor Henry Schäfer von der Universität Stuttgart überzeugt, der gemeinsam mit Union Investment die Nachhaltigkeitsstudie seit vielen Jahren durchführt.
Wie Union Investment weiter feststellt, hat auch der Pariser Klimagipfel vom November 2015 deutliche Spuren bei der nachhaltigen Kapitalanlage institutioneller Investoren hinterlassen – wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. Berücksichtigten 2016 gerade einmal 21 Prozent der nachhaltigen Investoren Klimaschutzaspekte in ihren Anlagerichtlinien, so waren es 2017 bereits 43 Prozent. Schindler geht davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird: „Der Klimaschutz hat über alle Wirtschaftssektoren hinweg gravierende Auswirkungen auf Geschäftsmodelle und Ertragsaussichten. Investoren kommen nicht mehr daran vorbei, Klimarisiken in ihrem Portfolio zu berücksichtigen.“
Regulierung schafft Handlungsdruck
Der Handlungsdruck nimmt für Großanleger ohnehin bereits deutlich zu. Ein augenscheinliches Beispiel ist die im November 2016 erlassenen EU-Richtlinie für Betriebspensionsfonds. Diese besagt, dass Altersvorsorgeeinrichtungen ihre Gelder künftig auch unter Beachtung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) sowie Klimarisiken anlegen müssen. Kein Wunder also, dass die veränderten regulatorischen Anforderungen in der jüngsten Befragung von Union Investment als der mit Abstand wichtigste Impuls für institutionelle Investoren ausgewiesen sind, sich stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Immerhin 52 Prozent äußerten sich in diesem Sinne. 2013 lag der Anteil noch bei 32 Prozent. „Allerdings scheinen die erhöhten Regulierungsanforderungen bei Altersvorsorgeeinrichtungen noch nicht in der Breite angekommen zu sein, was eine systematische Umsetzung nachhaltiger Geldanlagen erschweren könnte", meinte Schäfer.
Ungeachtet dieser Einschätzung sind manche relevanten Aspekte der Nachhaltigkeit vielen Investoren noch nicht vertraut. So verfügen 67 Prozent der Großanleger über keine oder geringe Kenntnisse der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals). Nur ein Fünftel bezieht diese in die nachhaltige Kapitalanlage ein. Ebenfalls nur 20 Prozent verfügen über Informationen zu den Klimawirkungen ihres Portfolios.
portfolio institutionell newsflash 31.05.2017/Kerstin Bendix
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