Statement
28. Juni 2022

Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft ist ein unumkehrbarer Trend

Die Buchstabenkombination ESG, die für Environment, Social, Governance steht, ist aktuell das Buzz-Akronym der Investmentwelt und hat insbesondere Auswirkungen auf die ­deutsche Immobilienbranche. Denn in den vergangenen Jahren hat sich hierzulande ein entscheidender Wandel im gesellschaftlichen Bewusstsein vollzogen. Dieser hat dazu geführt, dass Nach­haltigkeitsaspekte in den Mittelpunkt des privaten und unternehmerischen Handelns gerückt sind und sich die Akzeptanz für Produkte, die weder ökologischen, sozialen und den ­Kriterien einer verantwortungsvollen Unternehmensführung entsprechen, deutlich verringert hat.

Die Immobilienwirtschaft ist davon direkt betroffen, denn viele Bestandsimmobilien entsprechen nicht mehr den aktuellen und künftigen Anforderungen. Daher sind alle Branchen­akteure, insbesondere Eigentümer bereits bestehender Immobilien, zum Handeln aufgefordert.

Wie groß der Handlungsbedarf ist, verdeutlicht die Tatsache, dass der Immobiliensektor in Deutschland im Jahre 2021 für rund 115 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen verantwortlich ist, damit zwei Millionen Tonnen über dem Sektorenziel liegt und 4,5 Prozent über dem Vorjahreswert. Hier ist Handeln erforderlich, wenn das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel, Deutschland bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral aufzustellen, erreicht werden soll. Laut Klimaschutzgesetz muss die ­Politik bei Verfehlung der Sektorenziele Maßnahmen ergreifen, um wieder auf einen Erfüllungspfad zu gelangen. Bei ­weiterer Verfehlung der Zielwerte wird also nachjustiert.

Doch nicht nur aus dem politischen Umfeld wird Druck aufgebaut. Insbesondere große Corporates, und damit zumeist ­besonders attraktive Mieter, verfolgen inzwischen eigene ­Nachhaltigkeitsstrategien. Für Neuanmietungen werden einzuhaltende Standards gesetzt. Ein Beispiel ist ein weltweit ­agierender Logistikkonzern, welcher sich verpflichtet, ab Mitte des Jahrzehnts in Deutschland nur noch klimaneutrale Objekte anzumieten. Eigener Neubau wird bei dem Unternehmen schon seit längerem ausschließlich CO₂-neutral umgesetzt.

Proaktives Handeln ist Gebot der Stunde

Führt man sich vor Augen, dass 80 Prozent des Gebäudebe­standes von 2045 bereits errichtet sind, wird deutlich, welche ­Herausforderungen auf Immobilieninvestoren und Asset ­Manager zukommen. Oftmals sind unternehmensintern weder ausreichend Kapazitäten noch das entsprechende Know-how verfügbar, um die erforderlichen Veränderungen zu identifizieren, zu planen und auch umzusetzen. Wenn hier nicht ­rechtzeitig von Asset-Management- und Investorenseite agiert wird, steigt die Gefahr, dass die Zahl der sogenannten Stranded Assets zunimmt.

Auch deshalb hat die Europäische Union 2019 eine neue ­Verordnung verabschiedet, nach der Vermögens- und Fondsmanager verpflichtet sind, neue Regeln zur „Offenlegung ­hinsichtlich nachhaltiger Investments und Nachhaltigkeits­risiken“ einzuhalten. Sie legen fest, wie Unternehmen und Fondsmanager über nachhaltige Investments und Nachhaltigkeitsrisiken ­berichten und welche Informationen sie der ­Öffentlichkeit zugänglich machen müssen. Geregelt sind dabei Informationspflichten in Bezug auf interne Richtlinien und Berichterstattung zu ökologischen, sozialen und wirtschaft­lichen Belangen, einschließlich einer guten Unternehmensführung mit Blick auf Umweltauswirkungen, Arbeitnehmerschutz und auch die Steuerkonformität.

Ein wichtiger Baustein jeder ESG-Strategie muss die Schaffung einer möglichst von fossilen Energieträgern unabhängigen Strominfrastruktur sein. Die Ausstattung von Gebäuden mit Photovoltaikanlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energie hilft gleichermaßen Investor, Asset Manager und Mieter, die Ziele der jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategie zu erfüllen. Der ­ökologische Fußabdruck der Immobilien und damit aller ­Beteiligten sinkt.

Der Mieter kann bei entsprechender ­Gestaltung von ­Power Purchase Agreements (PPA) noch in weiterem Maße profitieren und sich dauerhaft günstige und ökologisch vorteilhafte Energiebezugskonditionen sichern. Denn durch einen Direktverbrauch auf dem Grundstück ­ent­fallen bei der ­Nutzung des öffentlichen Stromnetzes ­anfallende Entgelte, ein Vorteil, den Solaranlagenbetreiber an Direktverbraucher weitergeben. ­Intelligente Speicherlösungen vermeiden außerdem teure ­Spitzenlasten.

Ein künftig an Bedeutung gewinnender Aspekt wird die ­Bereitstellung von Ladeinfrastruktur für elektrische Mobilität werden. Die Entwicklungen gerade im Bereich der Last-Mile-Logistik sind in unseren Städten unübersehbar, es wird ­zunehmend auf elektrische Fahrzeuge gesetzt. Mieter erwarten an den von ihnen genutzten Liegenschaften Ladeplätze für ­Firmenfahrzeuge oder die der Belegschaft. An Produktions- und Logistikimmobilien werden neue Anforderungen für das sogenannte „Megawattladen“ von LKWs gestellt. Gerade wenn zeitgleich größere Strommengen abgerufen werden, kann das vorgelagerte öffentliche Stromnetz den Belastungen nicht mehr gewachsen sein. Eine moderne Photovoltaikanlage mit Speicher und Energie­managementsystem entlastet das öffent­liche Stromnetz und macht die Immobilie außerdem zukunftsfähig.

Bei der Aufstellung einer Strategie und der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen für eine wirtschaftliche und nachhaltige Umgestaltung des Gebäudebestandes gibt es bereits Spezialanbieter, die die Unternehmen bei den notwendigen ­Planungen und der Realisierung unterstützen.

Dienstleister für ESG-Strategien gegründet

Es ist wichtig, dass Investoren und Asset Manager nun möglichst schnell handeln. Bei der aktuellen ­Verfügbarkeit von Fachkräften und der gebotenen Dringlichkeit ist es schwierig, eigene Abteilungen aufzubauen, die sich dem Thema widmen ­können. Spezialisierte Dienstleister einzuschalten, kann helfen, ­mögliche Risiken im ­Immobilienbestand frühzeitig zu ­identifizieren und Handlungsoptionen zu erarbeiten. Die auf die Implementierung folgende ­Umsetzung von konkreten ESG-Maßnahmen stellt einen weiteren Flaschenhals dar. Auch hier fehlen Fachkräfte und die Materialverfügbarkeit ist aufgrund anhaltender Krisen gestört.

Um beiden Herausforderungen zu begegnen, haben wir mit der RESC – Real Estate Sustainability Consulting und der DEE – Deutsche Erneuerbare Energien zwei Unternehmen aus der Taufe gehoben, die die Strategieaufstellung und tatsächliche Umsetzung als One-Stop-Shop anbieten. So übernimmt RESC für Immobilienunternehmen und -fonds eine ganzheitliche Beratung, die eine Risiko- und Nachhaltigkeitsanalyse genauso beinhaltet wie die Erarbeitung von unternehmensspezifischen Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungsstrategien.

Grafik: Wichtige Details machen Immobilien zukunftsfähig
Wichtige Details machen Immobilien zukunftsfähig

Zum ­Portfolio von RESC gehört zudem die Unterstützung bei der Konzeption und Zulassung von grünen Fonds nach den ­Artikeln 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung. Zusätzlich werden Maßnahmen erarbeitet, die gewährleisten, dass bereits bestehende Fonds auf dieses Level angehoben werden. Die DEE wiederum investiert eigenständig in energetische ­Anlagen, die es Investoren und Asset Managern ermöglichen, ihre ­Gewerbeimmobilien und deren Mieter günstig mit Strom zu versorgen. Außerdem werden die Energie-, Wärme- und ­Kälteversorgung der Liegenschaften optimiert und dabei ­klimafreundlich gestaltet. Das unterstützt die Unternehmen wiederum, ihren eigenen ESG-Strategien umzusetzen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten und die Umwelt.

Modernisierung statt Neubau

Interview mit Alexander Hoff
Managing Partner, Palmira Holding

Lohnt die energetische Sanierung? Finanzierungs-, Material- und ­Lohnkosten sind recht hoch.

Selbstverständlich – vorausgesetzt man hat vorab untersucht, welcher Euro ­welche Menge an CO₂ einspart. Auch die freigesetzte Menge an Embodied Carbon, die die geplanten Maßnahmen nach sich ziehen, muss einbezogen sein. Fest steht: Neubau darf nicht die Lösung sein und es gilt, die bestehenden Gebäude zu modernisieren, um der Gefahr von Stranded Assets frühzeitig entgegenzuwirken.

Warum sollte es bei Logistik zu Stranded Assets kommen?

Ein Stranded Asset ist per Definition ein Gebäude, welches nicht mehr konform zum Pariser Klimapfad ist. Ich betone, dass ein Stranded Asset nicht wertlos ist. Es sind aber Investitionen notwendig, um die Immobilien wieder Paris-konform und damit zukunftsfähig aufzustellen. Erfolgt das nicht, kann aus dem Stranded Asset am Ende wirklich ein wertloses Asset werden.
Diese Situation bietet für Investoren die Chance, im Rahmen einer Manage-to-ESG-Strategie energetisch nicht optimale Objekte günstig anzukaufen, mit den passenden Dienstleistern marktgerecht aufzustellen und dann zu halten oder mit Gewinn zu veräußern.

PV-Anlagen eignen sich für Logistik­gebäude wegen der großen Flächen. Oder gerade nicht, weil Eigenverbrauch nur bei Kühllogistik besteht?

In welcher Form Logistikgebäude mit einer PV-Anlage ausgestattet werden, hängt von der Statik, der elektrischen Infrastruktur auf und außerhalb der ­Liegenschaft und der Dachbeschaffenheit ab. Auch nichtgekühlte Logistik­immobilien können durchaus einen ­hohen Energiebedarf haben, abhängig von den in ihnen ablaufenden Prozessen. Sollte der Eigenverbrauch nicht sinnvoll realisierbar sein, kann man die ­Anlage als Volleinspeiser anschließen.
Bei PV-Dachanlagen droht steuer­freien Investoren die Gewerblichkeit.
Darum gründeten wir die DEE Deutsche Erneuerbare Energien AG und die RESC (Real Estate Sustainability Consulting) GmbH. Diese Unternehmen beraten zu Nachhaltigkeitskonzepten und setzen diese auch als Investor in Erneuerbare Energien um. So lässt sich die Gewerblichkeit für den Immobilieneigentümer umgehen und wir laufen keine Gefahr, die je nach Struktur des Investmentvehikels unterschiedlich hohen Schmutzgrenzen einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung zu reißen.

Flächenversiegelung ist bei Logistik- und Unternehmensimmobilien enorm. Wie lässt sich Biodiversität fördern?

Rasenflächen ­können durch Blühwiesen ersetzt, ­Insektenhotels und Brutkästen für Fledermäuse oder Vögel installiert, ­Habitate für Eidechsen angelegt, ­Gebäude mit Gründächern ausgestattet werden. Die Schaffung von Versickerungsmöglichkeiten ist ebenfalls eine Option, da sich so der Grundwasser­spiegel leichter ­regeneriert. Bäume auf dem Grundstück spenden Schatten und Feuchtigkeit und tragen zu einem ­besseren Mikroklima bei. Keine dieser Lösungen rettet allein die Welt, aber viele leisten einen großen Beitrag hierfür.

Ist ESG für Mieter eine Frage der Neben­kosten, der Reputation oder …

Es geht hier nicht nur um Reputation. Das generelle Verständnis der Verantwortung von Großunternehmen für ­gesellschaftliche Problemstellungen und die Auswirkungen, die ihr Handeln auf die Umgebung hat, hat sich geändert. Für Mieter sind Kosten zudem natürlich immer ein entscheidendes Auswahl­kriterium. Außerdem erleichtert eine ansprechend gestaltete Immobilie es, junge ­Talente zu gewinnen.

Wann kommt von Ihrem Investment-Management-Arm Palmira Capital Partners der erste Artikel-9-Fonds?

Palmira Capital Partners hat den ersten Logistikfonds nach Artikel 9 aufgelegt. Dieser ist im Vertrieb und investiert nur in Bestandsobjekte. Für jede Liegenschaft gibt es ein individuelles Modernisierungskonzept. Diese Maßnahmen senken den Primärenergiebedarf der Objekte um mindestens 30 Prozent und dekarbonisiert diese in drei Jahren. Die Maßnahmen betreffen unter anderem die energetische ­Optimierung, Energiegewinnung und -speicherung sowie CO₂-Vermeidung.

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