Nachhaltige Fonds sind CO2-intensiver geworden
Finanzwende-Studie kritisiert Greenwashing und belegt, dass nach Artikel 8 und Artikel 9 klassifizierte Publikumsfonds seit Beginn des Ukraine-Kriegs stärker in fossile Unternehmen investieren. Fortschritte gibt es aber bei herabgestuften Fonds.
Im Zuge des Beginns des Ukraine-Kriegs haben in der EU als nachhaltig klassifizierte Aktienfonds ihre Portfolien umgeschichtet. Während diese Fonds lange auf Wachstumswerte insbesondere im Tech-Sektor fokussiert waren, schwächelte die Tech-Branche im vergangenen Jahr. Dafür kauften die Manager der nachhaltigen Fonds in klimaschädlichen Sektoren wie Energieunternehmen und Versorgern zu. In ihrer Studie ermittelten die Autorinnen Alison Schultz und Magdalena Senn für die Nichtregierungsorganisation Finanzwende Recherche, dass durch diese Umschichtungen in Unternehmen mit fossilen Energien die zusätzliche CO2-Intensität der Aktienportfolien dieser Fonds um 7,9 Prozent zugenommen hat.
Nachhaltig im Sinne der Offenlegungsverordnung
Für die Studie untersuchten sie den Aktienbesitz von 2.434 aktiv gemanagten und in Europa erhältlichen Fonds aus der Datenbank Morningstar, welche sich nach Artikel 8 oder Artikel 9 der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), also der Offenlegungsverordnung, als nachhaltig vermarkten dürfen. Die Fonds werden entsprechend ihrer Anlagestrategie vier Unterkategorien zugeordnet: ESG-Fonds, Fonds mit Negativer-Screening-Strategie, Fonds, die Ausschlusskriterien anwenden, und Fonds, die sich durch sogenanntes „Engagement” für mehr Nachhaltigkeit in der investierten Firma einsetzen. Die Studie zieht dabei einen Vergleich des Aktienbesitzes der Fonds per Ende Dezember und März 2022 mit deren Allokation bis Ende Dezember 2022.
Nur 138 Millionen US-Dollar in Renewables
Die untersuchten Fonds haben insgesamt preisbereinigt Aktien von Energiefirmen im Wert von 2,6 und Versorgungsunternehmen im Wert von 1,7 Milliarden US-Dollar zugekauft und Aktien aus dem Technologie- und Finanzsektor im Wert von 16,1 beziehungsweise 9,9 Milliarden US-Dollar verkauft. Die Zukäufe im Bereich der Energie kamen dabei vor allem dem fossilen Sektor zugute: Die untersuchten Fonds investierten 940 Millionen US-Dollar zusätzlich in Aktien von Firmen im Bereich der fossilen Energien. Lediglich 138 Millionen US-Dollar gingen demnach an Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf erneuerbaren Energien basiert.
Artikel-8-Fonds investierten über die drei ersten Monate des Jahres 2022 999,5 Millionen US-Dollar in fossile Energie-Aktien – was einem Zuwachs von 4,3 Prozent entspricht. Auch Artikel 9 Fonds investierten zusätzliche 12,7 Millionen US-Dollar in Fossile, eine Erhöhung um fünf Prozent im Vergleich zu den 255 Millionen US-Dollar, die bereits Ende 2021 in fossile Unternehmen investiert waren.
Herabgestufte Fonds steckten plus 29 Prozent in Erneuerbare Energien
Eine Ausnahme dieses Trends bildeten allerdings solche Fonds, die zwischen September 2022 und Januar 2022 von Artikel 9 zu Artikel 8 zurückgestuft wurden. Sie verkauften 72 Millionen US-Dollar an fossilen Aktien und verringerten ihr Exposure in fossile Brennstoffe damit um 15,8 Prozent. Prozentual seien diese Fonds zudem diejenigen, die ihre Investments in erneuerbare Energien am kräftigsten ausbauten: Der Zukauf von Aktien im Wert von 65 Millionen US-Dollar entspricht einem Zuwachs von 29,5 Prozent. „Diese Zahlen legen die Vermutung nahe, dass der öffentliche Druck wirkt: Fondsgesellschaften, die ihre Fonds herabstuften — möglicherweise, weil sie bereits einmal heftig der Kritik des Greenwashings ausgesetzt waren — achten in Zukunft eventuell mehr darauf, sich wirklich in die richtige Richtung zu bewegen“, schreiben die Autorinnen.
Der Zuwachs an Erneuerbaren sieht bei den Artikel-8-Fonds insgesamt mit einem Plus von zwei Prozent deutlich schwächer aus. Artikel 9 Fonds verkauften sogar Assets im Wert von 35 Millionen US-Dollar und damit 1,6 Prozent ihrer Aktieninvestments in erneuerbare Energien.
Engagements helfen nur bedingt
Als nachhaltig klassifizierte Publikumsfonds, die Engagement betreiben, hatten im Untersuchungszeitraum einen Zuwachs an fossilen Energien von 3,8 Prozent. Diese rechtfertigen ihr Exposure damit, dass sie fossile Unternehmen zu einem Wandel hin zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell im Sinn der Transformation der Wirtschaft zur Klimaneutralität bewegen möchten. Doch Engagements hätten auch Grenzen, was ihre Wirksamkeit betrifft, stellen die Autorinnen fest: „Während Engagement jedoch prinzipiell durchaus erfolgreich sein kann, sind die Erfolgsaussichten bei den alteingesessenen fossilen Unternehmen, die zwar möglicherweise ihre grünen Geschäftsfelder ausbauen, sich gleichzeitig aber für die weitere Förderung fossiler Energieträger einsetzen, gering.“ Sie berufen sich dabei auf Argumente des Investorennetzwerks Net-Zero Asset Owner Alliance. So seien der NZAOA zufolge Engagements gerade in Sektoren mit schwer vermeidbaren Emissionen nur begrenzt wirksam, wenn die Ziele der Investoren im Konflikt mit den betriebswirtschaftlichen Zielen des betroffenen Unternehmens stehen.
Insgesamt zehnmal so viel Investments in fossile Energien
Zum Schluss fällt die Bilanz „fossile versus erneuerbare Energien“ der Studie deutlich aus: Während der Anteil fossiler Energien am Portfolio von als nachhaltig klassifizierten Fonds Ende 2021 dreimal so groß war wie der Anteil an Erneuerbaren (1,2 Prozent Fossile versus 0,4 Prozent Erneuerbare), war er bis Ende Dezember 2022 auf den zehnfachen Wert der Erneuerbaren geklettert (2,2 Prozent Fossile versus 0,2 Prozent Erneuerbare). Finanzwende sieht hierin ein verstärktes Greenwashing am Werk: „Es wurde nicht nur insgesamt weniger in saubere Energien investiert als in klimaschädliche; klimaschädliche Positionen wurden zusätzlich im betrachteten Zeitraum sogar noch ausgebaut“, so die beiden Autorinnen. Die gesamte Studie können Interessierte hier nachlesen.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Aktien | Erneuerbare Energien / Renewables | Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren | Offenlegungsverordnung
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