Pensionskassen
5. August 2015

Mit Versicherungstechnik und Nachhaltigkeit

Unter den Augen des Herrn werden die Kühe fett – oder durch eine Unternehmens- und ­Kapitalanlagestrategie, die auf die Bedürfnisse der verschiedenen ­Anspruchsberechtigten abgestimmt ist und sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit ­beschäftigt. Der Nachhaltigkeit verpflichtete Anlagestrategien passen insbesondere in das kirchliche Umfeld.

Verka-Vorstand Ewald Stephan im Gespräch mit Patrick Eisele

Herr Stephan, Sie und Ihr Kollege Ulrich Remmert starteten bei der Verka 2009 mit dem Auftrag einer strategischen Neuausrichtung. Wie schnell konnten die bekannten und die dann neu erkannten „Altlasten“ bereinigt
werden?

Vor meiner Amtszeit kam es bei der ­Verka bekanntlich zu einigen Turbulenzen. In ­meinen ersten Wochen stellte sich dann noch heraus, dass meinen Vorgängern offenbar die Steuerpflicht von Rückdeckungsgeschäft, welches wir hier überwiegend betreiben, nicht bewusst war. Rückdeckungsgeschäft ist aber eindeutig steuerpflichtig. Wir mussten also erst einmal eine Steueranzeige erstellen und die Bilanzen entsprechend bereinigen. Die sich theoretisch ergebende kumulierte Steuerlast von circa 130 Millionen Euro warf Existenzfragen auf. Aber dadurch, dass wir die alten Bilanzen wieder geöffnet haben, konnten wir Gestaltungsspielräume wie ­Reservestärkungen nutzen, um die Steuerlast zu kompensieren und diese Altlast abzutragen. Das war ein ganz wichtiger Schritt.

Ein wichtiges – geplantes – Projekt war, das Produktangebot besser auf die heterogenen Kundenansprüche abzustimmen.
Wir haben einerseits große ­Landeskirchen und andererseits den sogenannten Sammelverband. Dieser setzt sich aus einer Vielzahl von Kleingeschäften mit konfessionellen Einrichtungen aus dem Umfeld der Evangelischen Kirche, aber auch etwas säkularer Kundschaft wie der Bundesgeschäftsstelle ­einer politischen Partei oder einer Tankstelle in unserer Nachbarschaft zusammen. ­Anders als die Landeskirchen sucht diese Gruppe nach wie vor die klassische Rentenversicherung mit Garantiezins, also das klassische Pensionskassengeschäft, welches wir jetzt über unsere Tochter Verka PK anbieten. Die Landeskirchen mussten als Mitglieder des VVaG in der Vergangenheit einige Löcher stopfen, die Aktienverluste oder Biometrie-Ausfinanzierungen rissen, und Leistungen kürzen. Das war den Landeskirchen natürlich ein Dorn im Auge. Um diese Lasten künftig zu vermeiden, bieten wir den Landeskirchen im VVaG ein Vorsorgemodell an. In diesem Modell senken wir nun die Garantiezinsen für Anwärter mit 0,5 und für Rentner mit 1,25 Prozent auf ein Niveau, das wir einigermaßen sicher ­bedienen können – ohne Nachschüsse und Leistungskürzungen beziehungsweise Schwankungen im Geschäftsablauf mit den Landeskirchen. Somit haben wir nun zwei Gesellschaften: die Verka PK und die Verka Vorsorge (VK).

Die Kürzung der Garantie soll  durch ­einen höheren Überschuss kompensiert ­werden?
Genau. Und gemäß unseren ALM-Projektionen können wir alle Garantieerfordernisse in der Pensionskasse über die nächsten sieben bis neun Jahre bei unverändertem Zinsniveau weiter erfüllen. Bei den neuen Garantiesätzen brauchen wir in der VK auch keine Zinszusatzreserve bilden.

Die laufende Verzinsung der Pensionskasse liegt bei 3,8 und in der VK bei 3,5 Prozent. Müsste die harte Garantie nicht Rendite ­kosten? Künftig dürfte die Einrichtung ­schwächer performen, die im Niedrigzins­umfeld stärker wächst?
Grundsätzlich wollten und werden wir die Kapitalanlagen proportional zwischen den beiden Gesellschaften aufteilen und dann eine gemeinsame Kapitalanlage fahren. Da aber manche Spitzen bei der Bestandsübertragung per Cash ausgeglichen werden mussten, manche Assets nicht teilbar sind und Anfang 2014 bei der Pensionskasse eine Kapitalerhöhung per Sacheinlage mit Staatsanleihen erfolgte, performte diese besser.
Das Neugeschäft kommt derzeit im ­Wesentlichen aus dem Sammelverband. Bei den Landeskirchen standen wir wegen unserer­ Vergangenheit lange unter Beobachtung. Neuzugänge wie neue Pfarrer „parkten“ die Landeskirchen erst einmal in sogenannten Versorgungsrücklagen. Je mehr wir Vertrauen­ zurückgewinnen, desto eher werden diese Rücklagen nun an uns abgetreten. Eine Landes­kirche hat 2013 70 Millionen Euro auf einmal an uns übergeben.
Auf Dauer ist dieses Neugeschäft aufgrund­ der kirchlichen Rahmenbedingungen allerdings beschränkt. Im Jahr 2022 wird es bundesweit mehr passive als aktive Pfarrer geben. Der ­erwartete Mitgliederschwund bringt voraussichtlich rückläufige Steuer­einnahmen.

Welche weiteren Besonderheiten weist denn eigentlich die Verbindlichkeit 
„Pfarrer“ auf?

Pfarrer haben im Schnitt eine höhere ­Lebenserwartung von bis zu fünf Jahren als der Rest der Bevölkerung. Das ist insbesondere im derzeitigen Umfeld eine beachtliche Herausforderung.

Und bei Ihnen kommt anders als bei den ­Katholiken noch eine Witwen- und Waisenversorgung hinzu.
Dort gibt es keine Witwen. Aber entsprechende Versorgungen laufen meines ­Wissens auch bei den Katholiken.

Ist mit Blick auf den Mitgliederschwund das kapitalgedeckte Verfahren von Vorteil?
Ja. Wir sind im Umfeld der Evangelischen Kirche die einzige privatrechtlich organisierte Versorgungseinrichtung und ­wenden das Kapitaldeckungsverfahren an.
Die ­Körperschaften des öffentlichen Rechts praktizieren hingegen das Umlage- oder das gemischte Verfahren. Als unseren Vorteil sehe ich auch, dass wir immer durch eine harte Schule gegangen sind, da unsere Bilanz zum Jahresende immer ausgeglichen sein muss und wir insofern alle Altlasten ­bilanziell verdaut haben.

Welche weiteren Geschäftszweige entwickelt die Verka?

Für die KZVK in Detmold, ein unselbstständiges Teilvermögen der Landeskirche Hannover – einer unserer größten Kunden –, hat die Verka schon vor meiner Zeit Rück­deckung geleistet. Die Versicherungstechnik erfolgte in der KZVK und die Kapitalanlage durch einen externen Provider. Dadurch kam es zu Redundanzen und in der Folge zu vermeidbaren Kosten.
Da die Kirchen verstärkt ihre eigenen Versorgungseinrichtungen nutzen wollten, ging an die VK das Mandat, bei der Bafin ­eine Verwaltung von Versorgungseinrichtungen zu beantragen. Faktisch handelt es sich dann um eine Funktionsauslagerung der Kapitalanlage. Dieses Outsourcing-Modell ist grundsätzlich auch für andere Landeskirchen offen und stieß dort bereits auf Interesse. Falls bislang keine eigene Versorgungseinrichtung besteht, könnten wir uns auch vorstellen, ­gegebenenfalls eine eigene Investment-KG zu gründen.

Was ist der Basisgedanke, die grundsätzliche Philosophie, für die Kapital­anlage?
Früher waren wir offensiver unterwegs. Ein Grund war, dass die Landeskirchen zur Risikostreuung in der Regel die Versorgung und damit die Kapitalanlagen zwischen zwei Versorgungseinrichtungen aufgeteilt und ­dazu noch eine Versorgungsrücklage hatten. Üblicherweise kam dann der Verka in dieser Aufstellung der risikofreudigere Part zu und die regulatorisch mögliche Aktienquote wurde meist ausgereizt. In der Folge waren die Ergebnisse sehr volatil. 2002 mussten 130 Millionen Euro abgeschrieben werden.
Ich selbst bin konservativer geprägt und zudem ging allgemein die Entwicklung hin zum Solvency-Regime und der Vorhaltung von Risikokapital. Bei gegebenem Eigen­kapital können wir uns heute keine 30 ­Prozent Aktienquote mehr leisten. Oberstes Prinzip ist es, jederzeit die versicherungstechnischen Verbindlichkeiten bedienen zu können. In der Markowitz-Optimierung ­haben wir für uns für Aktien – wie für Immobilien auch – eine Quote von fünf Prozent ­errechnet.

Für diesen Anteil reicht das Eigenkapital, um den Anforderungen der Stresstests und unseres noch konservativeren internen ­Modells zu genügen. Den heutigen „langweiligeren“, aber konstanteren Ansatz schätzen die Landeskirchen mittlerweile sehr, da hiermit eine dauerhafte und wenig schwankende Verzinsung oberhalb der Garantieanforder­ungen ermöglicht wird.
Mittlerweile sind wir auch verstärkt in ­Loans und in Mezzanine investiert. Private Equity haben wir auch geprüft und als ­Anlageklasse vorgesehen. Letztlich fanden wir Loans aber auch vom Risikoprofil her ­interessanter.

Wie bekommt man denn Aktien in eine risikoorientierte Investmentphilosophie?
Wir haben einen großen Aktienfonds, der bei fallenden Volatilitäten per Overlay das ­Exposure in nachhaltigen Aktienindizes ­erhöht und vice versa. Dieser Fonds ist also virtuell in Aktien investiert und zudem nach unten hin über Puts abgesichert. ­Physisch investiert ist der Fonds in Geldmarktpapiere und eigentlich war die Idee, ­deren Kupons in Aktienderivate zu investieren. Außerdem ­haben wir Aktien-Exposure über einen Wandelanleihen-Fonds. Derzeit beträgt das durchgerechnete Aktien-­Exposure aus diesen Fonds und den Hedgefonds insgesamt fünf Prozent. Absolute Return bekommen wir immer wieder angeboten, mögen wir aber nicht. Grund ist, dass bereits unser Gesamtport­folio auf Absolute Return ausgerichtet ist. ­Absolute Return passt nicht zu einer Pen­sionskasse von der Größe der Verka.

Wie hat sich der plötzliche Renditeanstieg bei Govys in Ihrem Portfolio ausgewirkt?
Wir haben langlaufende Verpflichtungen und suchen darum eher die langen Lauf­zeiten und wollen diese Anleihen bis zur Endfälligkeit halten. Wir kaufen die Langläufer ins Anlagevermögen und achten sehr auf die Kreditqualität. Darum können wir die ­bilanziellen Buchwerte beibehalten.
Wir glauben nicht, dass die Zinswende bald bevorsteht und haben die jüngste Gelegenheit genutzt, Papiere mit der nun höheren Rendite einzukaufen. Staatsanleihen ­waren aber nicht darunter. Das letzte Mal, dass wir Staatsanleihen gekauft haben, war vor etwa zwei Jahren als wir die Spreads in der Peripherie genutzt haben.

Was halten Sie von der neuen ­Anlageverordnung?
Die neue Anlageverordnung bietet mehr Möglichkeiten. Ein Beispiel sind Loans. Vorher musste man schauen, wie man solche Assets noch in einem bestehenden Spezialfonds unterbringt. Was leider immer noch nicht geht, sind wegen der Spartentrennung Insurance Linked Securities. Diese Papiere kenne ich noch aus meiner Zeit bei der ­Rückversicherung Scor und sind aus Diversifikationsgründen hochinteressant. Pandemie­risiken wären für uns aber kontraproduktiv. Sterblichkeitsrisiken haben wir schon genug im Bestand. Aktuell sind die Renditen ­mangels Naturkatastrophen aber nicht ­besonders attraktiv.

Zu den Besonderheiten der Verka gehört auch das Thema Nachhaltigkeit.
Was sich auch geändert hat, ist, dass Nachhaltigkeit bei der Verka nun gleich­rangig neben den Zielen Liquidität, Risiko und Rendite steht. Nachhaltigkeit wollen wir gezielt weiter ausbauen. Mit Renewables ­haben wir relativ früh angefangen und sind heute in Photovoltaik, Windparks und ­Wasserkraft investiert. Ebenfalls sind wir in Timber investiert. Diese Asset-Klassen sind zudem von der Rendite und auch von der ­Duration her interessant, da diese auf der Passivseite etwa 28 Jahre beträgt.
Wir sind auch in Mikrofinanzanlagen ­investiert, was wegen der auskömmlichen Rendite auch gut in das ALM passt. Kürzlich haben wir uns an einem Fonds beteiligt, der in Energieeffizienzmaßnahmen bei Gebäuden investiert. In diesem Thema steckt viel Zukunftspotenzial. Bei diesen Anlagen ist ­eine Internal Rate of Return (IRR) von bis zu sieben und Ausschüttungsrenditen von bis zu 4,5 Prozent realistisch.

Wie viele Mitarbeiter hat die Verka?
Insgesamt 60 Mitarbeiter. In der Kapitalanlage sind es im Front- und Backoffice sowie im Risikomanagement je zwei Mitarbeiter. Wegen ­dieser dünnen Personaldecke haben wir auch für die Anlageklasse Infrastruktur zwei Dachfonds gezeichnet. Wir müssen uns professionelles Know-how extern einkaufen, und die Dachfondsgebühren sind der Preis dafür.
Dachfonds – genauer gesagt einen Managed­ Account, damit wir auch im Bedarfsfall an unser Geld rankommen – bevorzugen wir auch für unsere kleinere Hedgefonds-Allokation. In Hedgefonds haben wir aktuell zehn Millionen Euro investiert. Aber in diesen ­Tagen zählt ein alter Spruch: Kleinvieh macht auch Mist!

Sind Hedgefonds nachhaltig?
Unser Partner hat ein großes Nachhaltigkeitsteam und dieses wird bei der Managerselektion auch einbezogen. Wir können aber nicht völlig ausschließen, auch einmal in ­einem nicht-nachhaltigen Ansatz investiert zu sein.

Ist es nachhaltig, nicht-nachhaltige Unternehmen zu shorten?
Short-Strategien passen nicht in unsere Anlagestrategie.

Wie gedeiht das Forstinvestment?
Zäh. Unseren Fonds, an dem auch ­Landeskirchen beteiligt sind, haben wir vor zwei Jahren gezeichnet. Das Closing musste aber nach hinten verschoben werden. Bislang sind 40 Millionen Euro eingesammelt, das Ziel waren eigentlich 100 Millionen. Anderen Timber-Fonds geht es meines Wissens ähnlich. Der Zugang zu anderen Asset-Klassen, die zudem höhere Renditen bringen, ist eben einfacher. Hinsichtlich Nachhaltigkeit muss man bei Timber übrigens auch genau ­hinschauen. Stichpunkte sind Landnamen, Monokulturen, Raubbau, Wiederaufforstung. Wir wollen wegen der laufenden Rendite auch nur in bereits bestehenden Wald investieren. Investiert sind wir bislang in ­Australien sowie Finnland und prüfen gerade Schottland und Zielgebiete in Südamerika. Ausgetauscht haben wir uns für diese Asset-Klasse mit Umweltbeauftragten der Evangelischen Kirche und der Meag, die für die Münchener Rück bereits in großem Umfang in Holz ­investiert ist.

Wie investieren Sie in die Asset-Klasse Immobilien­?
Direkt halten wir nur die Immobilie, die wir selbst nutzen. Und bei dieser ist zugegebenermaßen­ zumindest bislang nur die Umgebung grün. Wir überlegen uns, das ganze Gebäude umzubauen. Indirekt hatten wir 80 Millionen Euro in einen großen ­Büroimmobilienfonds investiert, der gerade aufgelöst wird. Die freiwerdenden Mittel schichten wir in Fonds für Wohnungen, ­Einkaufszentren und Hotels um. Aus der Vergangenheit haben wir gelernt, dass es Sinn macht, breiter zu streuen. Heute ­machen wir selten eine Tranche, die größer als zehn bis 20 Millionen Euro ist.
Ein Thema ist, dass, wie bei Infrastruktur, die Zielquoten langsamer erreicht ­werden als ursprünglich erwartet und im aktuellen Umfeld damit die Renditen davonlaufen. An unserem Wohnimmobilienfonds haben wir uns schon 2010 beteiligt. Die Zielrendite lag bei fünf Prozent, realisiert werden heute eher vier Prozent. Positiv gesehen zeugt dies aber auch von einem vorsichtigen Investment­prozess – insbesondere weil wir Gebühren nur auf investierte Gelder bezahlen.

Arbeiten Sie für die Kapitalanlagen auch mit den beiden evangelischen Kirchenbanken ­zusammen?
Traditionell sind wir sowohl der Evangelischen Bank als auch der KD Bank in besonderer Weise verbunden. Investiert sind wir zum Beispiel in einen Fonds der Evangelischen Bank, der in Entwicklungsländern ­Darlehen für Erneuerbare Energien vergibt. Das ist auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten interessant. Die Kreditprüfung übernimmt dabei die KfW-Tochter DEG.
Wenn möglich, arbeiten wir gerne mit diesen Einrichtungen zusammen. Prinzipiell wollen wir aber wie alle anderen auch immer die besten Asset Manager einer Asset-Klasse mandatieren.

Wie zufrieden sind Sie mit den Asset ­Managern?
Manche kommen mit einem Bauchladen an Produkten. Ich würde mir wünschen, dass man sich vorher verstärkt Gedanken macht, welche Produkte zu unseren Verpflichtungsstrukturen passen. Wir sorgen auch vorab für die nötige Einsicht in unsere Bücher. Man sollte auch mehr berücksichtigen, wie kirchliche Investoren „ticken“. Grundsätzlich ­arbeiten wir nur mit Asset Managern zusammen, die die UN PRI unterzeichnet haben.
Teil des Selektionsprozess ist für uns auch ein Vor-Ort-Besuch, damit wir nicht nur den Vertrieb kennen, sondern auch wissen wie die Portfoliomanager arbeiten.
Was aber zum Glück mehr und mehr Vergangenheit ist, sind diese exklusiven ­Vergnügungsreisen an die schönsten Orte ­inklusive Mandatsvergabe. Oder zu Konfer­enzen, wo die Konferenz allenfalls ein ­Feigenblatt ist. Heute ist eher das Problem, dass es manche Kapitalsammelstellen mit der Compliance übertreiben und nicht einmal mehr eine Essenseinladung erlaubt ist.

Inwiefern schränkt Nachhaltigkeit ein?
Wir haben 2009 angefangen, nachhaltige Ansätze zu implementieren, mittlerweile das komplette Portfolio umgestellt und bislang keine Einschränkungen erfahren. Unsere Portfoliomanager fühlen sich durch unsere Ausschlüsse auch nicht eingeschränkt. Im Gegenteil: Laut vieler Studien steigert Nachhaltigkeit sogar die Rendite, da nachhaltige Unternehmen besser aufgestellt sind. Rendite­nachteile bestehen allenfalls bei Emerging-Market-Bonds. Die Länder mit den höchsten Renditen wie Venezuela sind aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nicht investierbar. Insgesamt gilt, dass Nachhaltigkeit und Rendite keine Gegensätze sind.
Bezüglich US-Treasurys führen wir mit den übrigen kirchlichen Investoren kontroverse Debatten. Wir sind hier prinzipiell nicht investiert. Aus Diversifikationsgründen können wir auf US-Exposure aber auch nicht gänzlich verzichten und behelfen uns deshalb mit US-Corporates, Municipals sowie Dollar-Anleihen europäischer Emittenten.

Schränkt Nachhaltigkeit zeitlich ein? Der PRI-Fragebogen hat 34 Seiten.

Mit dem Ausfüllen waren meine Mitarbeiter zwei Tage beschäftigt und stöhnten ­ordentlich. Aber das Bekenntnis zu Nachhaltigkeit soll ja auch valide sein und es soll ­gewährleistet sein, dass auch gelebt wird, was unterschrieben wird.
Die PRI fordern auch auf, sich jedes Jahr zu verbessern. Da man nicht zu 100 Prozent festlegen kann, was nachhaltig ist, muss der Ehrgeiz darin liegen, sich ständig zu verbessern. Darin liegt auch der Sinn von Engagements. Nachhaltigkeit ist ein ständiger ­Prozess.

Schränkt Nachhaltigkeit finanziell ein? Was sind die Extrakosten?
Die Asset Manager tragen die Kosten für das Umstellen des Reportings und für die ­Rating-Agenturen wie Oekom oder Sustainalytics. Wir sind nicht der direkte Abnehmer der Nachhaltigkeits-Researcher. Wir werden indirekt durch die Asset Manager zur Kasse gebeten. Aber wenn ich von einer Sache überzeugt bin, bin ich auch bereit, einen Abschlag von wenigen Basispunkten bei der Rendite hinzunehmen.

Was wird außer Ausschlüssen gemacht?
Zu den Ausschlüssen kommen die ­bereits erwähnten Themenansätze und ein Best-in-Class-Ansatz. Hierbei stützen wir uns auf die Daten verschiedener Anbieter. Damit investieren wir genau in die Staaten und Unternehmen, die bereits relativ nachhaltig sind.
Versuchsweise haben wir nun auch mit Engagements begonnen, um diejenigen ­Unternehmen und Staaten zu „belohnen“, die sich um eine Verbesserung bemühen. Dabei arbeiten wir mit unseren Asset Managern zusammen. Wenn Schwellenländer nach Frankfurt auf Roadshow kommen, sind auch Themen wie Korruption oder Kinder­arbeit adressierbar. Mit der Anzahl der ­Emissionen nehmen bei den Emittenten Aufmerksamkeit und entsprechende Verbesserungen zu. Zudem versuchen wir, Engagement-­Maßnahmen über den Arbeitskreis kirch­liche Investments und eine UN-PRI-Plattform zu bündeln.
Wir sind mit unseren Engagements auch mehr hinter den Kulissen tätig und denken, dass wir dabei – insbesondere wegen der ­moralischen Kraft einer Kirche – besser ins Gespräch kommen und mehr bewirken als mit publikumswirksamen Aktionen auf Hauptversammlungen. Engagements sind so etwas wie die Krone der Nachhaltigkeitsbemühungen.

… und wo eine Upside wirklich erkennbar ist, weil man ja gerade in die Staaten und ­Unternehmen investiert, die Verbesserungspotenzial haben. Welche weiteren ­Nachhaltigkeitsthemen ­sehen Sie?
Der Nachhaltigkeits-Leitfaden der Evangelischen Kirche, dessen zweite Auflage ­ansteht, enthält auch den Aspekt „Generationengerechtigkeit“. Meine Außenseitermeinung ist, dass dieser Punkt auch Deutschland betrifft. Der Schuldenstand zeugt nicht von einem Musterknaben. Meine Kinder tun mir leid.
Ein Einwurf von mir ist auch, Nachhaltigkeit als Verhaltensmuster zu sehen. Die ­meisten Menschen handeln und denken ­linear, sehen also die Dauer ihres Berufs­lebens, die Zeit bis zum nächsten Wahl­termin oder die Länge des Arbeitsvertrags. Auf dieser kurzen Strecke soll der Ertrag ­maximiert werden und was danach kommt, ist egal. Wenn man aber das lineare Denken überwindet und beginnt in Kreisläufen zu denken, dann ist man auf der nachhaltigen Seite angelangt. Die Erderwärmung mag nicht jeden Einzelnen betreffen, wird aber die Menschheit als Ganzes einholen. Dies müssen Kapitalanlagestrategien mitberücksichtigen.
Selbst habe ich früher auch Quartals­bilanzen gemacht und geguckt, wie man kurzfristig den Ertrag optimiert und eine ­Story für die Analysten basteln kann. Dieses Denken führt in die Irre.

portfolio institutionell, Ausgabe 7/2015

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