Schwarzer Schwan
12. April 2012
Minirock und Lippenstift statt Kerninflation und Beschäftigtenzahl
Lesen Sie in der neuen Ausgabe des Schwarzen Schwan der Woche, wieso die aktuellen Modetrends ein guter Indikator für das Wirtschaftswachstum sind.
Der ifo-Geschäftsklimaindex ist als Gradmesser für die Konjunktur renommiert. Wenn sich das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung monatlich zur Stimmung in der deutschen Wirtschaft äußert, dann tut es das anhand nüchterner Zahlen. Weniger trocken spiegeln Indikatoren der unkonventionellen Art, wie der Rocksaum, die Konjunkturlage wider. Bereits seit längerem nutzen Ökonomen und Konsumforscher den sogenannten Minirock-Index. Die Rechnung ist simpel: Zieht die Konjunktur an, werden die Röcke kürzer und umgekehrt.
Auf den ersten Blick mutet diese Korrelation skurril an, lässt sich aber geschichtlich begründen. Als sich beispielsweise in den fünfziger Jahren Deutschland zum Wirtschaftswunderland mauserte, trug Frau kniefrei. In der Rezession 1993 dagegen wadenlang. Sogar das altehrwürdige Allensbacher Institut für Demoskopie bestätigt die Korrelation zwischen Rocksaum und Wirtschaftswachstum. In ihren Minirock-Studien kommen sie zu dem Schluss: Frauen sind in wirtschaftlichen Boomzeiten unabhängiger und zeigen ihren Körper selbstbewusst. Der Rocksaum rutscht nach oben.
Was also prognostiziert der Minirock-Index für 2012? Ein Blick auf die aktuellen Modekollektionen von Karl Lagerfeld und Co. lässt nichts Gutes erahnen. Der Trend auf den Laufstegen in diesem Jahr: knie- bis bodenlange Plissee-Röcke. „Modemacher sind Geschmacksdiktatoren“, verkündete einst Modediktator Karl Lagerfeld. Aber offenbar sind sie noch mehr. Aus Perspektive der Ökonomen sorgen die Designer mit ihren langen Röcken in den aktuellen Kollektionen für trübe Konjunkturaussichten 2012.
Auch aus der Männermode lassen sich Rückschlüsse auf die Wirtschaftslage ziehen. Die Vergangenheit hat gelehrt: Je bunter die Krawatten, desto eher wird es Zeit, aus dem Aktienmarkt auszusteigen. Als der Neue Markt Ende der 90iger Jahre von einem Hoch zum anderen stieg, kamen immer mehr Ahnungslose in die Branche. Ihr Markenzeichen waren bunte Krawatten mit Tiermustern. Die echten Experten trugen gedeckte Farben. Und so kam es, dass in den Krisenjahren 2001 und 2002 die Ahnungslosen samt ihrer Krawatten verschwanden und nur noch gedeckte Farben zu sehen waren. Auch 2012 trägt Mann wieder dezente Krawatten. Die Muster sind schlicht, die Farben eher unauffällig. Als Trendfarben macht das Internetportal „Krawattenspezialisten“ grau und braun aus. Auch Dolce & Gabbana schickte seine männlichen Models zuletzt in schmal geschnitten Anzügen mit schwarzen Krawatten über den Laufsteg. Aus Perspektive der Ökonomen spricht dieser Modetrend ebenfalls für schlechte Konjunkturaussichten.
Auch an den Lippen der Frauen können Ökonomen die Wirtschaftslage ablesen. Denn zwischen dem Konsum von Kosmetika und der Konjunktur besteht eine Korrelation. Laut dem sogenannten Lippenstift-Index kaufen Frauen mehr Lippenstifte, wenn es der Wirtschaft schlecht geht. Nach den Anschlägen vom 1. September 2001 schnellte beispielsweise beim Kosmetikkonzern Estée Lauder der Absatz von roten Lippenstiften nach oben. Ganz ähnliche Entwicklungen waren im Krisenjahr 2008 zu beobachten. Wie die Zeitung „Welt am Sonntag“ damals berichtete, stiegen bei Ebay in Deutschland und England die Verkaufszahlen von Lippenstiften im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um acht Prozent. Vermutet wird dahinter: Wenn in wirtschaftlich schlechten Zeiten das Geld für neue und teure Kleidung fehlt, gönnen sich viele Frauen wenigstens Make-up. Vorsicht also vor roten Lippen. Sie deuten auf ein Abflauen der Konjunktur.
Trotz der für die Konjunktur trüben Modeaussichten besteht kein Grund zum Trübsal blasen. Denn wie Karl Lagerfeld bemerkt: „Mode ist der kürzeste Reflektor des Zeitgeistes, und der ist ein verdammt launischer Geselle.“ Unter kurz versteht er nicht mehr als ein halbes Jahr. „Trends halten nicht länger als sechs Monate“, lässt der Modezar wissen. Auf den nächsten Modeschauen der Designer könnten also auch schon wieder Miniröcke zu finden sein. Aus Perspektive der Ökonomen wären dies gute Konjunkturaussichten. Für die Volatilität der Märkte schwant einem aber nichts Gutes.
Karl und die Redaktion von portfolio institutionell wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.
Autoren:
portfolio institutionell
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