Mehr Risiko riskieren
Risikomanagement ist absolut relevant, mehrdimensional und geht über das reine Portfoliomanagement hinaus. Regulatorik und Nachhaltigkeit spielen größere Rollen. Das Hauptrisiko ist und bleibt aber, die Verpflichtungen nicht erfüllen zu können. Das Risiko kann also sein, nicht genügend Risiko zu nehmen.
Im Mai taten berufsständische Versorgungswerke auf einer Veranstaltung der Apo-Bank per Ted-Umfrage ihrem Unmut kund, dass sie durch die aktuelle Regulierung risikotechnisch zu stark eingeschränkt werden. Für die Aussage „Weniger Regulierung hilft bei der Rendite“ votierten 54 Prozent und für die Aussage „Regulierung kostet nur“ stimmten 17 Prozent. „Eingeengt“ fühlt sich das eine oder andere Versorgungswerk durch die Quotenregelungen der Anlageverordnung. Manche Versorgungswerke stoßen an die Beteiligungsquote von 15 Prozent, manche an die Immobilienquote von 25 Prozent und manche auch an die Risikokapitalquote von 35 Prozent. ABV-Geschäftsführer Dr. Ulrich Krüger brachte in Düsseldorf als Übergangslösung auf dem „steinigen Weg“ hin zu einer eigenen Anlageverordnung für berufsständische Versorgungswerke eine Aufhebung der einzelnen Subquoten unterhalb der 35-prozentigen Risikokapitalquote ins Spiel. Auf einer Konferenz der DZ Bank rief Dr. Frank Engels von Union Investment mit Blick auf die Zinssituation auf, „nach Berlin und Brüssel zu gehen, um die Regulierung zu verändern.“ Weiter appellierte Frank Engels: „Wir müssen politisches Lobbying betreiben, damit uns die Politik mehr Freiräume gibt, Vermögen wieder vermögensbildend anlegen zu können.“
Cashflow- statt Durations-ALM
Zurück zum Hauptrisiko einer Altersvorsorgeeinrichtung, nämlich dass man die Verpflichtungen nicht bedienen kann: Dieses Risiko konsequent weitergedacht führt zu der Überlegung, Risiken nicht zu stark zu begrenzen und Asset-Liability-Management weniger unter Durations- als unter Cashflow-Aspekten zu betrachten. Der Chefanleger der Apo-Bank, Dr. Hanno Kühn, riet den Besuchern der Düsseldorfer Apo-Bank-Veranstaltung, die Leitplanken bei ihrer Kapitalanlage nicht zu eng zu ziehen: „Risikobegrenzung bedeutet stets auch Chancenbegrenzung.“ Vielmehr sollten die Leitplanken aktiv gesteuert werden, damit sie nicht prozyklisch wirken. Ansonsten steigen und fallen die Risikobudgets immer mit dem Markt, sind also ausgerechnet am Hochpunkt am höchsten.
Auch darum warb Kühn für ein Cashflow-basiertes Anlagemanagement anstatt einem, das sich an Beständen orientiert. „Letztlich geht es darum, zu jeder Zeit den eigenen Verpflichtungen nachkommen zu können – das gilt für institutionelle und private Anleger gleichermaßen.“ Hilfreich, sich von der „Bestands-Denke“ etwas zu befreien, sind realistische Garantieversprechen, sich wie von Kühn gefordert mehr an Kupons, Dividenden und Ausschüttungen – also an Cashflows – zu orientieren, von Defined Benefits zu Defined Contributions zu kommen und das „Marktpreisrisiko stichtagsunabhängig zu verpacken.“ Bei letzterem helfen beispielsweise Immobilien- und Private-Equity-Fonds. Schließlich muss man jede langfristige Renditestrategie auch kurzfristig bilanziell aushalten können und somit muss Risikomanagement darauf abzielen, nicht nur nach Anlagerisiken, sondern auch zeitlich zu streuen.
Zur Mehrdimensionalität von Risikomanagement zählen also auch unterschiedliche zeitliche Horizonte. Aus der Risiko-Vielschichtigkeit lässt sich aber auch ableiten, dass Risikomanagement im Sinne der Anspruchsberechtigten nicht nur darin besteht, den regulatorischen Rahmen zu erfüllen.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Portfoliokonstruktion/Diversifikation | Risikomanagement
In Verbindung stehende Artikel:
Schreiben Sie einen Kommentar