Alternative Anlagen
30. Oktober 2020

Markteintritt in Alternatives: 20 Jahre zu spät

Outperformance und Diversifikation versprechen die Private ­Markets. Eine neue Studie sät Zweifel daran. Grund sind vor allem die hohen Kosten illiquider Strategien.

Ganz dem Trend institutioneller Investoren entgegen, ihre Allo­kationen in illiquide Asset-Klassen auszubauen, findet eine Studie von Richard M. Ennis, Chairman von EnnisKnupp im Ruhestand und ehemaliger Redakteur des Financial Analysts Journal, nur nachteilige Effekte. Seine Analyse der Performance-Daten von ­amerikanischen öffentlichen Pensionsfonds und University ­Endowments ist vernichtend: Deren Alternatives-Allokation hätte in dem Jahrzehnt seit Mitte 2008 die jährliche Performance gegenüber einem 70-30-Aktien-Bond-Portfolio um 99 Basispunkte für Pensionsfonds nach unten gezogen, für Endowments mit einer im Durchschnitt noch höheren Alternatives-Allokation sogar um 159 Basispunkte. Als Grund macht Ennis die Gebührenstruktur aus: Für öffentliche Pensionsfonds schätzte Ennis die Gesamtkosten ­inklusive Transaktionskosten auf 0,98 Prozent der Vermögens­werte, für Endowments sogar bei 1,67 Prozent. Ennis bemerkt, dass diese Kosten ziemlich ähnlich zur Underperformance gegenüber einer passiven Benchmark seien.

Schlimmer noch: Er stellt fest, dass alternative Assets – er ­betrachtet dabei Benchmarks für Private Equity, ungelistete Immobilien und Hedgefonds – seit 2008 keinen zusätzlichen Diversifikationseffekt zu einem aus US-Aktien, globalen Aktien und Bonds bestehenden Portfolio bringen. Dieser Diversifikationseffekt sei aber letztlich ein wichtiges Argument für eine größere Allokation in Alternatives: „Die Feststellung, dass die Korrelation zwischen Fonds mit ­signifikantem Alts-Exposure und Benchmarks für marktgängigen Wertpapieren nahezu perfekt ist, widerspricht der weit verbreiteten Vorstellung, dass sich die Renditeeigenschaften von Alts wesentlich von denen von Aktien und Anleihen unterscheiden.“ Dabei sei weitere Diversifikation angesichts der bereits aktuell schon breiten Diversifikation gar nicht unbedingt notwendig. „Das Problem ist die Kombination von extremer Diversifizierung und hohen Kosten: ein Rezept für das Scheitern.“ Ganz ähnlich argumentiert Nicolas Rabener, Managing Director bei Factor Research. Die Private-­Equity-Returns seien historisch ohne weiteres durch ein Portfolio von Small Caps zu replizieren, so das Ergebnis seiner Analyse. Dies ergebe auch ökonomisch Sinn, da Private-Equity-Fonds über­wiegend kleinere Unternehmen mit ähnlichen Charakteristiken anvisieren. Ergänzt man weitere typische Faktoren wie Value und hohen Leverage, welche üblicherweise für Target-Unternehmen ­zutreffen, werde die Replikation sogar noch besser.

Gut möglich jedoch, dass die nur zeitverzögert angepassten Asset-Allokationen zeitlich hinterherhängen. Denn bis 2008 hatten ­Alternatives tatsächlich einen deutlich positiven Effekt auf die Portfolio-Performance und Portfoliodiversifikation. Rekurrierend auf das Yale-Modell, welches von großen Endowments sukzessive ­kopiert wurde, stellt Ennis fest: „In den zehn Jahren, die am 30. ­Juni 2008 endeten, übertrafen beispielsweise große Endowments in der Nacubo-Umfrage eine 60-40-Mischung aus dem Russell 3000 Aktienindex und Investment-Grade-Anleihen um 570 Basispunkte pro Jahr. Etwa zur Zeit der Großen Finanzkrise von 2008 änderte sich dies. Schlechte Nachrichten für deutsche ­institutionelle Investoren, die erst im Zuge der nach 2008 sich verschärfenden Niedrigzinsphase ihre Alternatives-Allokation massiv ausbauten.

Gleichwohl dürfte sich die Analyse nicht eins-zu-eins auf deutsche institutionelle Investoren – speziell regulierte Investoren wie ­Versicherungen und Pensionskassen – übertragen lassen. Zum ­einen liegt die durchschnittliche Allokation deutlich unter der von Endowments, die stattliche 58 Prozent in Alternatives allokierten – aber doch (Immobilien eingerechnet) in etwa der Größenordnung von öffentlichen Pensionsfonds (28 Prozent). Vor allem jedoch ist das Vergleichsportfolio mit gelisteten Wertpapieren, welches Ennis verwendet – Aktienquoten von über 70 Prozent – allein ­regulatorisch nicht umsetzbar. Dennoch wirft die Analyse auch für den ­deutschen Kontext Fragen auf, entkräftet sie doch zentrale Argumente für ­eine größere Allokation, speziell die Alternatives-Allokation als Return-Boost sowie Diversifikationseffekte.

Regulatorische Vorteile

Dies zeigt sich auch an den schwächelnden Ergebnissen von LBO-Funds im ersten Halbjahr 2020, welche sich dem schwachen Wirtschaftsumfeld und dem Einbruch der Aktienmärkte eben nicht entziehen konnten. Laut dem zu Blackrock gehörenden PE-Technologie­anbieter eFront habe sich nach starken Ergebnissen in 2019 in der ersten Hälfte des Jahres 2020 ein Rückgang der Renditen ­vollzogen. Im ersten Quartal sanken die TVPIs für ­aktive LBO-Fonds von 1,45x auf 1,36x Der Rückgang habe sich dann im zweiten Quartal 2020 fortgesetzt, wenn auch weniger stark. Von den Argumenten für ­eine höhere Alternatives-Allokation bleibt dann im Wesentlichen der Vorteil eines kreativen Umgangs mit der Regulierung, sei es ­Solvency II oder die Anlageverordnung, sowie die Vorteile, die sich durch die Rechnungslegungsvorschriften ­ergeben. Überhaupt scheint mittlerweile eines der zentralen Argumente zu sein, dass Alternatives nicht täglich bewerten und sich die Ergebnisse somit verzögert in der Bilanz zeigen. Regulatorische Arbitrage ist auch der USP für das Segment Private Debt, welches sich bei vielen deutschen Institutionellen großer Beliebtheit erfreut. Durch den Basel-III-bedingten Rückzug der Banken gab es hier tatsächlich eine ­Lücke zu besetzen, was mit attraktiven Spreads belohnt wurde. Ob diese Verlagerung massiver Kreditausweitung von Bankbilanzen auf die von Private-Debt-Fonds und Versicherern jedoch tatsächlich im Sinne der Finanzstabilität ist, dürfte ­bezweifelt werden.

Allerdings gilt zunehmend ein Argument, welches den ­veränderten Kapitalmarktbedingungen Rechnung trägt. Will man etwa ­Exposure in wachstumsstarken Technologieunternehmen aufbauen, bleibt oft nur der Gang in die Private Markets, will man den Crowded ­Trades der immergleichen FAANG-Stocks ausweichen. So sieht beispielsweise Pictet Alternative Advisors „in Private Equity eine ­attraktive Möglichkeit, im Technologiesektor anzulegen und sein strukturelles Wachstumspotenzial zu nutzen.“ Denn: „Da Unternehmen länger privat bleiben, wird immer mehr Anlegerwert vor dem Börsengang generiert.“ Nicht umsonst werden langfristig ­orientierte – eigentlich im liquiden Segment beheimatete – Anleger wie Baillie Gifford mittlerweile bereits vor dem Börsengang aktiv.

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