Macht kaputt, was euch kaputt macht!
Desinvestor wird desinvestiert
Mit Senate Bill 13, die aktuell beraten wird, blasen die Magnaten, die ihre fossile Welt bedroht sehen, in Texas zum Angriff. Dieses Gesetzes-Vorhaben ruft den Rechnungsprüfer des Staates auf, „eine Liste aller Unternehmen, die Energieunternehmen boykottieren, zu erstellen und zu pflegen und jeder staatlichen Regierungsstelle zur Verfügung zu stellen.“ Die Unternehmen sollen dann von den texanischen Staastfonds gewarnt werden, dass sie auf dieser Liste stehen. 90 Tage will Republican State Sen. Brian Birdwell den Unternehmen geben, bis materielle Konsequenzen folgen.
Das fossile Imperium schlägt zurück
Im Bible Belt gilt eben: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Und wie soll dieses Punishment aussehen? Wird man in Fracking-Öl getaucht und gefedert wie bei Lucky Luke? Oder muss man die Cowboy-Stiefel von Brian Birdwell putzen? Nein. Bei Nicht-Befolgen sollen die mit beträchlichen Summen bestückten Staatsfonds alle öffentlich gehandelten Wertpapiere des unliebsam klimafreundlichen Unternehmens verkaufen oder zurückgeben. Betroffen wären unter anderem das Texas Teacher Retirement System (155,2 Milliarden Dollar), das Texas County & District Retirement System (35,7 Milliarden Dollar), der Texas Permanent School Fund (35,2 Milliarden Dollar), das Texas Municipal Retirement System (31,5 Milliarden Dollar) und das Texas Employees Retirement System (30,9 Milliarden Dollar). Divestment auf texanisch. Und wir wissen jetzt, warum Elon Musk lieber in Brandenburg als in Texas eine Produktionsanlage baut.
Texas-Dadaismus: Desinvestoren werden desinvestiert
Das Thema ESG nimmt damit eine postmoderne Wendung, an der Samuel Beckett, Albert Camus, André Breton ihre Freude gehabt hätten. Mit ihrem außerhalb der texanischen Schadstoffwolke dadaistisch anmutenden Zug, die Desinvestierer um Blackrocks Larry Fink zu desinvestieren, schaffen sie erstaunliche, bislang nicht für realistisch gehaltene Möglichkeiten: Wenn sich die verbleibende Lücke schließen lässt und alle, die desinvestieren, desinvestiert werden, und man alle dazu bringt, irgendwen zu desinvestieren, löst sich vielleicht das ganze Problem in Luft auf. Dann bleibt nichts mehr übrig: kein Big Oil, kein Pension Fund, kein ESG, keine Windräder. Nur die majestätische Stille der texanischen Wüste. Vorhang zu, Applaus.
Tatsächlich dürften jedoch Birdwell und Kollegen an einer solchen surrealen Darbietung weniger interessiert sein, als vielmehr die eigenen Versäumnisse bezüglich der Berufsberatung der nachfolgenden texanischen Generation zu maskieren. Die fatalen Konsequenzen dokumentierte ein herzzerreißender Artikel in der New York Times vom 3. Januar 2021. „Sabrina Burns, a senior at the University of Texas at Austin, had thought she would be launching a lucrative career in the oil and gas industry when she graduated in a few months. But the collapse in the demand for oil and gas during the coronavirus pandemic has disrupted her well-laid plans and is forcing her to consider a new path“, legt dieser den Grundstein für einen Einblick in die menschliche Tragik der jungen Generation. “We got a slap in the face, an entirely unforeseen situation that rocked our entire mind-set,” so Burns. Diesen Schlag gibt es jetzt zurück. Nicht ganz sicher ist jedoch, ob die Senatoren damit auch den Grund ihrer Misere treffen. Diesen hat ausgerechnet ein unterbezahlter Uber-Driver touchiert, der Burns und ihre Kommilitonen zu einem Petroleum Industry Banquet chauffierte: „Did you ever hear of a solar panel?“, fragte dieser sie.
Eine surreales Wochenende voller bittersüßer Rachegelüste wünscht Ihnen Ihre Redaktion von portfolio institutionell!
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