Alternative Anlagen
18. September 2014

Liquid Alternatives im Schlaglicht

Investoren müssen dazulernen. Spätestens seit die Rentenmärkte ein asymmetrisches Risikoprofil aufweisen, Aktien nicht mehr ­günstig sind, und eine unausgegorene Diversifikation mancherorts ihre Tücken gezeigt hat, gilt es die Asset-Allokation zu überdenken. Liquid Alternatives als Alternative?

Die Asset-Management-Branche erlebt derzeit ihre dritte Revo­lution. Davon ist Dr. Jan Viebig, Portfoliomanager und Geschäfts­führer der auf alternative Anlagen spezialisierten Vontobel-Tochter­gesellschaft Harcourt, überzeugt. Die Revolution trägt den Namen „Liquid Alternatives“. Hinter dem Schlagwort verbirgt sich nichts ­anderes als die Möglichkeit, Anlagegelder systematisch über verschiedene Strategien zu diversifizieren, deren Risikoprämien nicht von ­einer bestimmten Asset-Klasse abhängen. Liquid-Alternatives-­Ansätze schöpfen zum einen die klassischen Möglichkeiten von Hedgefonds aus, etwa den Zugang zu „alternativen“ Renditequellen. In diesem Zusammenhang fallen auch immer wieder die Schlagworte „absolute Renditen“ und „bessere Diversifikation“. Andererseits sollen die ­darauf aufbauenden Fonds liquide, transparent und dazu auch noch kostengünstig sein und sich demnach nicht nur von klassischen Hedgefondsstrategien, sondern auch von illiquiden Anlagealter­nativen positiv abheben.

Die theoretische Entwicklung im Bereich der „liquiden Alternativen“ begann in den 1990er Jahren und soll, davon geht Portfolio­manager Viebig aus, die Finanzindustrie nicht weniger stark ver­ändern wie die Entstehung der passiven Industrie, die heute Billionen von Euro verwaltet, sowie die nicht minder revolutionäre Sektoren- und länderübergreifende Diversifikation von Anlagevermögen, die wir heute als selbstverständlich betrachten. „Typischerweise setzen sich neue Technologien nicht nur in der Industrie, sondern auch im Asset Management erst mit zeitlicher Verzögerung durch“, so Viebig. Die dritte große Revolution im Asset Management sei die klügere Antwort auf die Frage, wie man Diversifikationsvorteile nutzen kann.

Evolution im Hedgefondsuniversum
Liquid Alternatives oder „liquid alts“, wie die Angelsachsen kurz und knackig dazu sagen, sind grundsätzlich und allgemein ­gesprochen Anlagestrategien, die über Investmentfonds, ETF oder geschlossene Fonds mit täglich, wöchentlich oder vierzehntägig verfügbarer Liquidität einsetzbar sind. Nach Ansicht des Finanzdienstleisters State Street stellen liquide alternative Fonds sowohl für private als auch ­institutionelle Anleger eine gute Möglichkeit zum Aufbau eines diversifizierten Anlageportfolios dar, in dem Risiken gesteuert und risikobereinigte Renditen erzielt werden. Dennoch haben viele Anleger nach Angaben von State Street immer noch ein falsches Bild von ­dieser Anlageform.

Ein Grund: „Bei der Erwägung einer Anlage in liquide alternative Fonds ist der Informationsstand der Anleger von wesentlicher Be­deutung“, meint Will Kinlaw, Senior Managing Director bei State Street Global Exchange. Das klingt, als wolle er durch die Blume ­sagen, die Anleger hätten keine Ahnung von der Materie. Seiner Einschätzung nach müssen Alternative-Vermögensverwalter darauf ­achten, dass die Produktinnovation mit entsprechender Aufklärung der Anleger einhergeht. Asset Manager müssten Anleger nach ­Ansicht Kinlaws darin unterstützen, ihre Hausaufgaben zu machen, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob eine Anlage in liquide alternative Fonds eine gute Option für ihr Portfolio ist. Und zwar unabhängig ­davon, ob der Investor in erster Linie auf eine bessere Diversi­fizierung abzielt oder sich hinsichtlich Liquidität, Wertentwicklung oder den ­Gebührenstrukturen Verbesserungen verspricht. State Street kann man ein gehöriges Maß an Know-how bei Liquid Alternatives attestieren. Andernfalls hätte Blackstone Alternative Asset Management (BAAM) in diesem Jahr seinen ersten alternativen Fonds wohl kaum gemeinsam mit State Street lanciert.

Im Universum der Anbieter alternativer Anlagen zählt die Bank-Vontobel-Tochter Harcourt zu den Protagonisten. Im Gespräch mit portfolio institutionell erläutert Dr. Jan Viebig die dynamische ­Metamorphose, die die Branche in diesen Tagen durchlebt. Während Hedgefonds gegen Ende der 1980er Jahre circa 42 Milliarden ­US-­Dollar verwaltet hätten, sei das Volumen inzwischen auf rund 2,6 Billionen Dollar angeschwollen. „Dieses enorme Wachstum hat dazu geführt, dass zahlreiche Praktiker und Wissenschaftler auf den Plan getreten sind, um die Risiken von Hedgefonds näher zu analysieren“, so Viebig. Heute verstehe man die Risiken viel besser als noch vor zehn Jahren, ist der Experte überzeugt, der seit mehr als einer ­Dekade Hedgefonds verwaltet und neben dem Tagesgeschäft Studenten in den, wie er sagt, „richtigen Umgang mit Risiken“ einweiht. ­Inzwischen stammten über 60 Prozent der in Hedgefonds investierten Gelder von institutionellen Anlegern.

Zur Begründung für diese erfolgreiche Entwicklung greift Viebig auf die Statistik zurück: Hedgefonds, oder besser „Strategiefonds“ schwankten binnen der vergangenen 20 Jahre mit durchschnittlich zehn Prozent rund fünf Prozent weniger als Aktien, daneben ist ihre Verlustschwere (Maximum Drawdown) mit 22 zu 54 Prozent ­weniger stark. Und auch der empirische Value at Risk ist statistisch gesehen deutlich attraktiver. Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit, mit einem breit diversifizierten Hedgefondsindex viel Geld zu ­verlieren, ist weitaus geringer als bei Aktien. Natürlich, und dessen ist sich der Experte durchaus bewusst, gibt es Phasen, in denen Aktien ungleich besser performen, „aber wenn man sich langfristige ­Bewegungen vor Augen führt, machen Hedgefonds sehr viel Sinn für unsere Kunden“, ist Harcourt-Geschäftsführer Viebig überzeugt. ­Ohnehin will er mit dem Mythos aufräumen, dass Hedgefonds ver­suchen, Aktienrenditen in der Aufwärtsbewegung zu schlagen. Dem sei nicht so. Aber: Klassische Hedgefonds sind als unregulierte ­Produkte häufig illiquide, ­risikobehaftet und intransparent, weshalb viele institutionelle Investoren in solche Produkte nicht investieren wollen oder dürfen.

Partnerschaften zwischen Anbietern und Investoren könnten ­diese Hürde aus der Welt schaffen. Im Rahmen der zunehmenden ­Institutionalisierung der Hedgefondsbranche nehmen immer mehr Anbieter Abstand davon, ein statisches Produkt zu verkaufen. ­Stattdessen gehen sie mit ihren Kunden engere Partnerschaften ein und liefern auf die Bedürfnisse zugeschnittene Produkte, wie eine ­aktuelle Studie von Barclays zeigt. Als Gründe für die engere ­Zusammenarbeit auf Investorenseite sind laut den Studienmachern der Zugang zur ­Expertise der Anbieter, maßgeschneiderte Anlage­produkte, ein ­besseres Verständnis der Geschäftspartner sowie ein besseres ­Preis-Leistungs-Verhältnis bei den investierten Produkten. Auch die Anbieter sind an der Einbindung der Kunden interessiert, schließlich geht die Partnerschaft unter anderem mit einer stärkeren Kundenbindung, Unterstützung bei der Produktentwicklung und Wissensaustausch einher. Nach Angaben der Studienmacher sind insbesondere Family Offices, Pensionsfonds und Stiftungen am ­Wissensaustausch interessiert. Dachfondsmanager wiederum stellen die bedürfnisgerechte Produktgestaltung in den Vordergrund. Wie die Studienautoren hervorheben, stellen gerade Pensions- und Staatsfonds aufgrund ihrer großen Anlagevermögen für Hedgefonds­anbieter ideale Partner dar.

Auch Dachhedgefonds oder Versicherungsunternehmen können laut Barclays geeignet sein, wobei Erstere nicht unbedingt auf das Fachwissen der Manager angewiesen sind und Letztere starken ­regulatorischen Beschränkungen unterliegen. Gleichwohl gibt es auch eine Reihe von Gründen, die Hedgefonds ­davon abhalten, ­Partnerschaften einzugehen, etwa der Verzicht auf die Bevorzugung einzelner Investoren, begrenzte Kapazitäten oder schlichtweg ­die ­fehlenden Möglichkeiten, die Transparenzkriterien der ­Anleger zu ­erfüllen.

Daneben durchlebt die Branche noch einen weiteren Trend. So werden derzeit vermehrt Hedgefondsstrategien auf liquide und ­transparente Produkte übertragen. Beide Bereiche wachsen zusammen, wie es scheint. Inzwischen wagen sich klassische Investmentfonds an Strategien heran, die früher Hedgefonds vorbehalten waren. Manche Hedgefonds wiederum verfolgen inzwischen ganz selbst­verständlich Long-only-Strategien, wobei sie an dieser Stelle markt­spezifische ­Risiken nach Art des Hauses absichern. Auch engagieren sich Hedgefonds vermehrt im Bereich Venture Capital, Private Equity und gehen auch Immobilieninvestments ein. Traditionelle Ver­mögensverwalter wiederum kombinieren Hedgefonds und Long-­only-Investments. Auch darf nicht vergessen werden, dass Liquid-­Alternatives-Portfolios ganz selbstverständlich Asset-Klassen wie High Yield Bonds, Listed Real Estate, Listed Private Equity und ­Emerging Market Bonds ent­halten können, um nur eine von vielen Kombinationen zu ­skizzieren.

Konvergenzprozesse
Der im Mai 2013 publizierten Citi-Studie „The Rise of Liquid ­Alternatives & the Changing Dynamics of Alternative Product Manufacturing and Distribution“ zufolge betrachten institutionelle Investoren Hedgefonds zunehmend als eine Art Schockabsorbierer, die die ­Portfolien im Sinne einer Versicherung schützen sollen. Im Rahmen der Studie hat Citi 82 Interviews mit Investoren, Consultants und ­Managern geführt, die allein 336 Milliarden US-Dollar in Hedgefonds-Assets und insgesamt Vermögenswerte in Höhe von 5,6 ­Billionen US-Dollar repräsentierten. Eine der beteiligten Pensions­einrichtungen wird mit den Worten zitiert: „Nach langwierigen ­Diskussionen mit unseren Gremien sind wir zu dem Schluss ­gekommen, dass der Sinn und Zweck von Hedgefonds in unserem Portfolio darin besteht, unsere Aktienanlagen weiter zu diversifizieren.“ Alpha zu generieren sei dagegen kein ausgewiesenes Ziel. Der anonyme Vertreter eines Staatsfonds betont an anderer Stelle: „Ich ­betrachte Hedgefonds als Anleihenersatz, aber sie werden besser abschneiden als An­leihen.“

Regulierung als Chance begreifen
Auch regulatorische Aspekte werden in der Citi-Studie beleuchtet. Wie es heißt, sorgten die regulatorischen Veränderungen in Europa dafür, dass es im Bereich alternativer Investments zu einer Art ­Reallokation komme, weg von privaten Hedgefonds und hin zu alternativen Ucits-Vehikeln mit täglicher oder wöchentlicher Liquidität. Der Untersuchung zufolge stieg das in europäischen Alternative-Ucits gebundene Vermögen ­zwischen 2008 und 2012 um 131 Milliarden US-Dollar, Onshore-Hedgefonds flossen während dieser Zeit 79 Milliarden US-Dollar zu. Zu drastischen Abflüssen im Umfang von 42 Milliarden US-Dollar kam es dagegen bei den vielkritisierten Offshore-Hedgefonds.

Auch betrachtet mancher Anbieter die AIFMD-Richtlinie als willkommene Gelegenheit, um seinen Kundenkreis zu erweitern, wie es in der Studie heißt. Ein Asset Manager berichtet: „Wir unterhalten ­bereits ein 65 Milliarden US-Dollar schweres Long-only-Ucits-Geschäft in ­Luxemburg, von wo aus wir unsere Produkte in Europa und Asien vertreiben. Durch die ­Addition sowohl alternativer Ucits als auch nach AIFMD zu­lässiger Hedgefonds können wir unsere Plattform erweitern.“ Der Schwenk hin zu liquiden alternativen Investments wird durch zahl­reiche Studien belegt. So beschreibt der Finanz­dienstleister SEI in der Publikation „The Retail Alternatives Phenomenon“ den Trend zu Liquid Alternatives wie folgt: „Die Vermögen in US-amerikanischen alternativen Investmentfonds und ETF haben sich seit 2008 mehr als verdoppelt. Gegenwärtig repräsentieren rund 880 Portfolios mehr als 550 Milliarden US-Dollar. Alternative Ucits haben sich im selben Verhältnis erhöht.“ Lois Peltz, Chef des Informationsdienstleisters ­Infovest21, sagt Liquid Alternatives eine große Zukunft voraus. Zwar seien die Gebühren bereits gesunken, gleichwohl müssten die An­bieter noch den entsprechenden ­Erfahrungsschatz und einen soliden Track Record aufbauen. „Niedrigere Gebühren und längere Track ­Records machen es den Anlageverantwortlichen ­deutlich ein­facher, objektiv zu sein, wenn es darum geht, Liquid Alternatives im Portfolio aufzunehmen“, so seine Einschätzung.

Und dennoch stehen weiterhin viele Kapitalsammelstellen Liquid ­Alternatives unverändert misstrauisch gegenüber. Ohnehin weisen die Strategien je nach verfolgtem Ansatz sehr unterschiedliche Fallstricke auf. Das Besondere: Die Risiken ­hängen primär nicht von der Anlage­klasse ab, sondern von der jeweiligen Strategie. Deshalb ist es für ­Anleger auch von zentraler Bedeutung, die Strategien intelligent miteinander zu verknüpfen.

Research-getriebene Strategien
Der US-amerikanische Asset Manager Neuberger Berman ­beispielsweise hat ein Absolute-Return-Vehikel entwickelt, das als täglich liquider, transparenter Ucits-Fonds Hedgefondsmanager für ­Strategien wie Long/Short, Event-driven, Merger Arbitrage und ­Credit Arbitrage kombiniert. Interessanterweise verlangt der Anbieter lediglich eine Managementgebühr, die bei 0,75 Prozent liegt. Eine zusätzliche, Performance-abhängige Gebühr ist nicht vorgesehen. Ein ­Konzept von Harcourt wiederum kombiniert drei bestehende, ­komplementäre Risikoprämien, um stabile Erträge zu erzielen. ­Neben der sogenannten Pure-Momentum-Strategie, der ein Trendfolge­ansatz zugrundeliegt, der sich vor allem dann auszahlt, wenn Märkte stark steigen oder fallen, schöpft Harcout zusätzlich mit seiner Pure ­Dividend Strategy die Value-Prämie konsequent aus: Der auf dieser Strategie aufgebaute Fonds profitiert typischerweise immer dann, wenn unterbewertete Aktien mit einer hohen Dividende steigen. Anders als traditionelle Dividendenfonds wird dieses Vehikel aber ­dynamisch gegen starke Schwankungen am Aktienmarkt abgesichert. Als dritte Strategie im Bunde sammelt die Pure Premium Strategy systematisch Prämien ein, indem sie in unterschiedlichen Märkten mit Optionen auf liquide Indizes sogenannte Butterfly-Strukturen ­implementiert. Alle drei Strategien haben strategiespezifische ­Risiken, Verluste treten aufgrund der unterschiedlichen Strategien in ver­schiedenen Marktphasen auf. Deswegen ist es nach Angaben von Jan Viebig sinnvoll, sie zu kombinieren.

Der Hintergedanken bei diesem innovativen Kombinations­ansatz, dessen Beta auf einen praktisch markt­neutralen Wert von 0,056 ­beziffert wird, ist folgender: Werden die drei Konzepte gleich­gewichtet investiert, lassen sich über unterschiedliche Marktphasen hinweg ­positive Renditen erzielen; das Zahlungsprofil wird stabilisiert. Ein so konzipiertes Portfolio der Schweizer hat im Backtest zwischen 2003 und 2013 eine jährliche Rendite von 7,2 Prozent erzielt, und das bei ­einer ­bemerkenswert niedrigen Volatilität von 4,35 Prozent per ­annum, wie Viebig erläutert. Ob sich diese bemerkenswerte ­Performance lang­fristig fortsetzen wird, bleibt abzuwarten. Bei den Kosten hält sich Harcourt jedenfalls zurück und verlangt eine ­Management Fee von 0,75 Prozent. Anders als Neuberger Berman hält Harcourt zwar an Performance-abhängigen Gebühren fest, ­deckelt sie aber auf zehn ­Prozent.

Fazit: Die dritte große Revolution ist in vollem Gange. Inwieweit deutsche institutionelle Investoren aber künftig vermehrt auf liquide Alternatives setzen, wird sich zeigen. Denn auf einen langen ­Erfahrungsschatz lässt sich bis dato nicht zurückblicken. Und ohne diesen ist bei vielen Anlegern kein Staat zu machen.

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 8/2014

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