Langlebigkeit lebt lang
Der Tod ist doch nicht sicher
Langlebigkeit ist der schlafende Riese unter den Versicherungsrisiken, mahnte das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften, Ifa, schon vor Jahren. Auch die Politik hat das Problem auf dem Radar. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von Bundesminister Hubertus Heil erkennt zunehmende Herausforderungen für die sozialen Sicherungssysteme. Dies zu erkennen ist auch nicht besonders schwierig, da die Lebenserwartung in Deutschland schon seit Jahrzehnten steigt. Faktisch lebt die Langlebigkeit seit 150 Jahren. Seit 1871 hat sich die Lebenserwartung verdoppelt.
Eine zunehmende Herausforderung ist die Langlebigkeit aber auch für die Rentner selbst. Diese sind oft vermögend – haben aber kein Geld. Grund hierfür ist, dass das Vermögen im selbst bewohnten Betongold steckt. Nach Liquidität dürstende Eigenheimbesitzer und Anleger mit Appetit auf Immobilien finden darum bei sogenannten Immobilienverrentungen zusammen. Dabei erhält der Eigenheimbesitzer für den Verkauf seiner Immobilie sofort eine Einmalzahlung, deren Höhe auch von seinem Alter abhängt, und ein lebenslanges Nießbrauchrecht. Schlüsselübergabe sowie Vermietungs- oder Vermarktungsoptionen hat der Käufer erst ab dem Tod des Verkäufers. Für Investoren, die Langlebigkeitsrisiken tragen können, kann dies ein interessantes Geschäft sein.
Die Rechnung geht aber nicht immer auf. Von einem todsicheren Geschäft ging beispielsweise André-François Raffray aus: Der 47-jährige Rechtsanwalt kaufte 1965 der 90-jährigen Jeanne Calment deren Wohnung in Arles für die Zahlung einer monatlichen Leibrente von 2.500 Francs ab. Der Tod trat zwar ein – allerdings erst 1995 und es war dummerweise der eigene Tod.
Damit fiel ein etwas anderer Erbfall an: Nicht Raffray erbte eine Wohnung, sondern seine Witwe die Verpflichtung, an Madame Calment weiter eine Leibrente zu zahlen – bis diese zwei Jahre später im biblischen Alter von 122 Jahren selbst das Zeitliche segnete. Mit 44.724 Lebenstagen hält Jeanne Calment weiter den Rekord des am längsten lebenden Menschen der Welt. Rekordverdächtig ist aber auch ihr Gewinn aus dem Immobilienverkauf. Sie erlöste den doppelten Marktpreis der Wohnung – und zwar zu Lebzeiten.
Ob Calment ihre Langlebigkeit auch selbst unterschätzt hat und in eine Sterbekasse eingezahlt hat, ist nicht bekannt. Klar ist aber das Vermächtnis der Jeanne Calment, dem personifizierten Langlebigkeitsrisiko, für alle Investoren: nämlich die Mahnung, Risiken zu streuen und Langlebigkeit ernst zu nehmen.
Ein schönes, risikofreies Wochenende wünscht Ihnen Ihre Redaktion von portfolio institutionell.
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