4. August 2014

La vie en rose

„La vie en rose“ ist ein Spielfilm-Drama. Es stellt die Karriere der französischen Chanson-Sängerin Edith Piaf dar, deren Leben nach zahlreichen Eskapaden viel zu früh zu Ende ging. Höhen und Tiefen durchleben heute das französische Pensionssystem und dessen ­Asset Manager sowie die Lebensversicherung, l‘assurance-vie.

Welches sind die größten Herausforderungen für Asset Manager, wenn sie in neue Märkte expandieren? So lautet die zentrale Frageeiner­ neuen Studie von State Street. Die Befragten stammen zu gleichen Teilen aus Nordamerika, Europa und dem Asien-Pazifik-Raum und verwalten ein Vermögen von Privatanlegern und insti­tutionellen Kunden in Höhe von mindestens fünf Milliarden US-­Dollar. Vertraut man den Antworten der 300 leitenden Mitarbeiter bei Vermögensverwaltern, bleibt bei den Unternehmen kein Stein auf dem anderen. So überarbeiten 76 Prozent derzeit ihre Geschäfts­strategie. ­Beispielsweise versprechen sich 20 Prozent der Umfrageteilnehmer von der Einführung vorhandener Produkte in neuen ­regionalen Märkten Wachstumsmöglichkeiten.

Die Strategie, den Vertrieb auf neue Regionen auszuweiten, verfolgt unter anderem die französische Finanzgruppe Oddo & Cie, ein traditionsreiches Familienunternehmen mit Wurzeln im Wertpapierhandel. Im Geschäftszweig Oddo Asset Management, der Vermögenswerte von 14,3 Milliarden Euro (Februar 2014) betreut, expandierten die Franzosen 2011 ins nahe gelegene Italien sowie in die Schweiz. Im Jahr darauf wurde das Frankfurter Büro eröffnet. Oddo Asset Management ist der drittgrößte unabhängige Asset Manager nach Carmignac und Rothschild in Frankreich. Der seit 2012 amtierende CEO von Oddo­ Asset Management, Nicolas Chaput, zuvor viele Jahre in Spitzen­positionen bei BNP Paribas, hält mit seinen Wachstumsplänen im ­Gespräch mit portfolio institutionell nicht hinter dem Berg.
Expandieren will auch die 1991 gegründete Fondsgesellschaft ­Financière de l’Echiquier, die ein Vermögen von mehr als 8,2 Milliarden Euro verwaltet. Befragt nach seinen Plänen, im europäischen Ausland Wachstum zu generieren, erläutert CEO Dominique Carrel-Billiard: „Wir wollen unsere Präsenz auf internationaler beziehungsweise euro­päischer Ebene ausbauen. In Mailand haben wir bereits 2013 ein Büro eröffnet.“ Im nächsten Schritt sollen Niederlassungen in Frankfurt am Main und Zürich eröffnet werden. Carrel-Billiard zeigt sich gegenüber portfolio institutionell überzeugt, dass eine ­Präsenz vor Ort ­neben der Kundennähe auch die Flexibilität ­ver­bessert. Gleichwohl will die in Paris ansässige Fondsboutique das in­sti­tutionelle Geschäft im Heimatmarkt ausweiten.

La vie en France
Dessen ungeachtet scheint der französische Markt angesichts der Wachstumsschwäche der Wirtschaft und der überfälligen Reformen (Stichwort: Marktliberalisierung) nicht gerade ein Ort zu sein, an dem sich langfristig Wachstum generieren lässt, das diese Bezeichnung auch verdient. Die einheimische Wirtschaft befürchtet, dass es bald keinen Politiker mehr geben wird, der die längst überfälligen Wirtschaftsreformen überhaupt noch angehen kann. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steckt in einer echten Krise. Die ­Arbeitslosigkeit liegt bei über zehn Prozent. 57 Prozent des Brutto­inlandsproduktes entfallen inzwischen auf staatliche Ausgaben wie Pensionszahlungen und Arbeitslosengeld. Tendenz steigend.
Zum Vergleich: In den Staaten der Europäischen Union liegt der Anteil der Staatsausgaben gemessen an der Wirtschaftsleistung im Schnitt bei knapp 48 Prozent. Problematisch: „Zu viele Leute wollen nichts am System ändern“, so die Einschätzung von Bruno Cavalier, Chief ­Economist bei Oddo & Cie. Dabei ist der drei Billionen Euro schwere Kapitalanlagemarkt, dessen Volumen mit 75 Prozent überwiegend auf Institutionelle entfällt, weitgehend gesättigt. Nicht weniger als 604 Asset Manager buhlen um Kundengelder. Rekord in Europa! In Deutschland bieten laut dem europäischen Fondsverband Efama „nur“ 296 Unternehmen Vermögensverwaltung im ­weitesten Sinne an, wie eine aktuelle Statistik belegt.

Die Gruppe der institutionellen Investoren in Frankreich wird von Versicherungsgesellschaften dominiert; die Lebensversicherung ­erfreut sich als Altersvorsorgeprodukt bei den Franzosen neben dem Bausparplan und der selbst genutzten Immobilie als Polster für den Ruhestand ­großer Beliebtheit. Aktuellen Zahlen der französischen Vereinigung der institutionellen Investoren zufolge summierten sich die Assets der 309 Versicherungsgesellschaften im vergangenen Jahr auf 1,98 Billionen Euro. Mit 1,74 Billionen Euro entfällt das Gros der Mittel auf die Lebensversicherer. Die Finanzanlagen der Sozialver­sicherung wiederum, darunter der namhafte Fonds de Réserve pour les Retraites (FRR) und die Gelder der Zusatz-Pflichtrentenver­sicherung für ­Arbeitnehmer (ARRCO) und für leitende Angestellte (AGIRC), ­nehmen mit Assets von zusammen 176 Milliarden Euro ­einen untergeordneten Stellenwert ein.

Im Bereich der Lebensversicherung gibt es aus Sicht der Kunden zwei Standbeine. Den Schwerpunkt bilden die auch in Deutschland weit verbreiteten Garantieprodukte (Anteil 84 Prozent), die für die Versicherer mit sinkenden Renditen in der Wiederanlage aber zum Problem werden. Im vergangenen Jahr lag der Garantiezins über die Bestände und Versicherungen hinweg zwischen drei und 3,6 Prozent. Daneben bietet die Assekuranz vermehrt kapitalmarktbasierte Produkte an. Weil die als äußerst risikoavers geltenden Franzosen aber auf Garantieprodukte schwören, fällt es den Versicherungsgesellschaften schwer, hier Neugeschäft zu akquirieren.

Nach Angaben von Jean-Michel Nakache, Head of institutional and corporate sales France bei Oddo Asset Management, spielt in Frankreich das umlagefinanzierte Rentensystem die zentrale Rolle bei der Zahlung von Pensionsleistungen. Seinen Angaben zufolge gibt es so gut wie keine betriebliche Altersvorsorge. Neben der staat­lichen Rente besteht allerdings die Möglichkeit, aus dem System AGIRC-­ARRCO Leistungen zu beziehen. Dort ist es allerdings so, dass die Assets­ von Jahr zu Jahr sinken, wie Nakache im Gespräch mit port­folio institutionell erläutert.

Die Rücklagen schrumpfen in erster Linie, weil die Menschen mit 62 Jahren in Rente gehen können. Problematisch ist auch die hohe Arbeitslosigkeit, denn wer keine Arbeit hat, zahlt nichts in das kapitalgedeckte Rentensystem ein. Schätzungen zufolge gehen der Zusatz-Pflichtrentenversicherung für leitende Angestellte in den nächsten drei Jahren die Vermögenswerte aus. Weniger dramatisch, aber nicht weniger unsicher ist es um das Zusatzversicherungssystem für ­Arbeitnehmer bestellt. Zwar wird dieses kapitalgedeckte Pensions­system im Jahr 2020 noch über 50 Milliarden Euro an Assets ver­fügen, aber auch hier schrumpfen die Rücklagen. Ohnehin mangelt es den Franzosen an einem schlagkräftigen Pensionsfonds­system. Ein ­Paradies für Vermögensverwalter mit Wachstumsambitionen sieht ­anders aus.
Über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist der für seine hohen Ansprüche an Asset Manager bekannte Fonds de ­Réserve pour les ­Retraites, der allerdings nicht als Pensionsfonds eingestuft werden kann. Vielmehr handelt es sich bei dem vor rund 15 Jahren ­installierten Vehikel um einen Sonderfonds, der im Hinblick auf die Zeit nach 2025, wenn die Zahl der aktiven Beitragszahler unter die Zahl der Rentner sinkt, ein finanzielles Polster ansammeln sollte. Doch daraus wird wohl nichts. Ursprünglich war vorgesehen, dass der Staat beispielsweise Erlöse aus dem Verkauf staatlicher Unternehmens­beteiligungen in den Fonds einzahlt. Derlei Zahlungen wurden allerdings vor knapp acht Jahren eingestellt. Das aktuelle Fondsvolumen ­stagniert als eine Folge dieser Politik seit Jahren um die Marke von 36 ­Milliarden Euro.

Non, je ne regrette rien
Die Versicherungen der Fünften Republik sind typischerweise in Investment Grade Bonds investiert. 85 bis 90 Prozent der Gelder entfallen auf diese Asset-Klasse. Die Aktienquote liegt im Durchschnitt und aufgrund von Solvency II bestenfalls zwischen sechs und zehn Prozent. Ein Trend unter den Versicherungen besteht heute darin, einen­ Teil der bislang in Staatsanleihen allokierten Gelder im Credit-Spektrum mit Schwerpunkt im Investment-Grade-Bereich ­anzulegen. Interessanterweise spielen alternative Investments eine wachsende Rolle. Vor kurzem wurde eine Art Infrastrukturquote von fünf Prozent eingeführt, unter der „Investitionen in die ­Wirtschaft“ sub­sumiert werden. Dazu zählen etwa Anlagen in Infrastruktur, Private Debt, Private Equity, Loans und Asset-backed ­Securities, die mit einer im Vergleich zu Bonds höheren Rendite ­locken. Daneben haben die Versicherer bei Aktien aufgestockt. Grund: Unter Solvency II ist ein sogenanntes Grandfathering vorgesehen.

Danach werden Aktien, die vor dem 1. Januar 2015 erworben ­werden, bei der ­Eigenkapitalunterlegung zunächst mit einer Quote von 22 Prozent – und damit weniger ­restriktiv als später üblich – eingestuft. Aber auch bei Government Bonds ­sagen die Investoren, in Anlehnung an einen Chanson Edit Piafs, „Non, je ne regrette rien“, vorausgesetzt die Wertpapiere stammen aus Italien und Spanien. ­Zuletzt haben sie die üppigen Spreads zu schätzen gewusst und im großen Stil zugekauft. Die ­Aussicht auf eine Rendite mit einer vier vor dem Komma ist allemal besser als ein Batzen renditeschwacher Staatsanleihen einer „Grande Nation“, deren Krisenherde ein einziges ­Drama sind.

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 7/2014

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