Kostenfalle: Währungshandel
Der Währungsmarkt ist einer der transparentesten Finanzmärkte. Anders sieht es bei der Preisgestaltung aus. Für Trades im FX-Markt zahlen institutionelle Investoren unwissentlich im Schnitt sieben bis neun Basispunkte zu viel. Einige US-Pensionsfonds haben bereits ihre Custodians verklagt, weil sie sich beim Pricing übervorteilt fühlten.
Bis dass der Tod euch scheidet! Diesen guten Vorsatz haben wohl alle Paare, wenn sie sich am Tag der Hochzeit das Ja-Wort geben. Doch dies gelingt nicht immer – jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden. Als Bund fürs Leben ist die Beziehung zwischen einem institutionellen Investor und seiner Depotbank zwar nicht gedacht, aber auf Langfristigkeit ausgelegt ist sie allemal. 20 Jahre – und damit länger als so manche Ehe – halten viele Verbindungen, und das ist keine Ausnahme. In den USA erlebte diese Beziehung zuletzt jedoch eine harte Bewährungsprobe. Eine Reihe von US-Pensionsfonds, darunter Calpers, haben ihre Custodians – State Street und BNY Mellon – verklagt, weil sie sich von ihnen bei Währungsgeschäften über den Tisch gezogen fühlten. Einige Fälle wurden bereits ganz oder teilweise zurückgewiesen, andere stehen noch aus. Die Diskussion um die Transparenz beim Währungshandel ist eröffnet – zumindest in den USA.
Ganz anders sieht dies in Deutschland aus. Hierzulande schenken institutionelle Investoren dem Thema „FX-Kosten“ bislang kaum Aufmerksamkeit. „Die Krux liegt darin, dass der Währungshandel als administrative Aufgabe gesehen wird. Die Chancen und Risiken, die im liquidesten Finanzmarkt der Welt liegen, werden unterschätzt“, erklärt Herwig Prielipp, Geschäftsführer des auf Währungen spezialisierten Consultants FX Alpha Investments. Dass sich jedoch ein genauer Blick auf die Kosten lohnt, zeigen diverse Studien von Russell Investments, in denen im Laufe der vergangenen zehn Jahre mehrfach die Effizienz von Devisenmärkten untersucht wurde. In der Studie von 2010, bei der über 40.000 FX-Trades institutioneller Assets analysiert wurden, beliefen sich die durchschnittlichen Kosten auf rund neun Basispunkte. „Normal wären für die meisten entwickelten Währungsmärkte jedoch lediglich ein bis drei Basispunkte gewesen“, schreiben die Studienautoren. Dass sich an der Ausführungsqualität in den vergangenen beiden Jahren nichts verbessert hat, zeigt die kürzlich veröffentlichte Studie von Russell, für die über 173.000 FX-Trades von institutionellen Assets in Höhe von rund 76 Milliarden Dollar analysiert wurden. „Vom Ergebnis her hat sich nicht viel geändert“, sagt Andreas Mittler, Head of Institutional Sales bei Russell Investments in Deutschland. Im Vergleich zur Vorgängerstudie sind die durchschnittlichen Kosten sogar gestiegen, nämlich auf zehn Basispunkte. „Eine weitaus höhere Anzahl und ein deutlich höheres Volumen an Währungsgeschäften wird zu Preisen ausgeführt, die eindeutig näher am schlechtesten Tagespreis als am besten liegen“, sagt Mittler. Zu ganz ähnlichen Erkenntnissen kam auch der britische Währungsmanager Record Currency Manager, der 2005 insgesamt 49 verschiedene Audits durchführte. Das Ergebnis: In den meisten Fällen, in denen dem Custodian die Ausführung des Währungshandels überlassen wurde, gab es eine deutliche Neigung hin zum schlechtesten Tageskurs. Die an Custodians delegierten Audits wichen im Schnitt um 24,5 Basispunkte von der Mid-Rate ab.
_Depotbank – erste Wahl trotz Interessenkonflikt
Nicht nur in Deutschland ist es gang und gäbe, dass Investoren und deren Asset Manager sämtliche FX-Trades über die Depotbank abwickeln. Hier schwelt aber ein potenzieller Interessenkonflikt, da die Depotbank im Falle von Währungsgeschäften nicht als Vermittlerin und im besten Interesse ihres Kunden handelt, sondern als Gegenpartei. Für viele Investoren scheint diese Tatsache jedoch nicht weiter von Belang, solange die dafür veranschlagten Kosten zumindest auf dem Papier gut aussehen. Da die Depotbanken weder eine Fee noch Kommission berechnen, liegen die expliziten Kosten für Währungsgeschäfte bei null Basispunkten. „Bei Dienstleistungen rund um das Währungs-Hedging erscheinen die explizit ausgewiesenen Kosten oft gering. Hier können jedoch die impliziten Kosten um ein Vielfaches höher sein. Wenn diese Kosten nicht transparent gemacht werden können, sollten Investoren aufmerksam werden“, so Mittler.
_Transparenter Markt, intransparente Kosten
Depotbanken verdienen bei Währungsgeschäften ihr Geld über die Geld-Brief-Spanne. Auch Prielipp, Geschäftsführer von FX Alpha Investments, warnt vor dem Irrglauben, dass Währungs-Hedgings nichts kosten: „Für die Abwicklung von Währungsgeschäften muss ich bei meiner Depotbank genauso wie bei einem Drittanbieter in irgendeiner Form eine Transaktionsgebühr zahlen. Bankübliche Ticketgebühren liegen zwischen 25 und 100 Euro pro Ticket, die zusätzlich zu den Geld-Brief-Spannen berechnet werden. Man kriegt nicht den Kurs X plus Transaktionskosten in Rechnung gestellt, sondern diese Kosten werden über Depotbankgebühren extra abgerechnet.“ Aufgrund dessen hält Prielipp den Währungsmarkt an sich zwar für sehr transparent, nicht aber die Preisgestaltung und Kosten. Diese Ansicht teilt auch Mittler: „Oft wird beim Handelskurs eine Provision eingerechnet. Wer auch immer diese dann bekommt, das sind zusätzliche Kosten, die nicht sichtbar sind, sondern im Trade versteckt sind.“ In Anbetracht solch intransparenter Preisgestaltung sollten Investoren die Ausführungsqualität ihrer Währungsgeschäfte genau analysieren. Denn eine schlechte Execution kann das Alpha einer Investmentstrategie aufzehren, das sich im derzeitigen Niedrigzinsumfeld ohnehin schwer erzielen lässt. „Die meisten Investoren wären sicher über die Ergebnisse einer solchen Analyse überrascht“, ist Prielipp sicher. An einem Rechenbeispiel macht er deutlich, wie hoch die Sickerverluste bei schlechten Ausführungen sein können: „Bei einem Umsatz in Fremdwährungsgeschäften von nur einer Milliarde Euro – was für einen Investor innerhalb eines Jahres nichts Ungewöhnliches ist – reden wir von 900.000 Euro, wenn man die neun Basispunkte aus der Russell-Studie zugrunde legt.“ Für diese Summe ließen sich Experten beschäftigen, die nicht nur die Lücke von 900.000 Euro verringern, sondern auch Zusatzerträge erzielen können. Dazu sieht Prielipp die Asset Manager, die Investoren zum Beispiel im Renten- oder Aktienbereich engagiert haben, nicht in der Lage. „Als Asset Manager sind Sie ein Spezialist wie ein Rennfahrer. Ein Sebastian Vettel fährt einen Grandprix und trifft die Entscheidung, wie er fährt und die Sache taktisch angeht. Die Reifen wechselt er aber nicht selbst, dafür hat er ein Team“, veranschaulicht der Consultant. „Bei Währungsgeschäften sollte man das genauso machen und jemand Professionellen beauftragen, der sich damit befasst. Der Asset Manager konzentriert sich auf sein Spezialgebiet Aktien und Renten. Dort ist er Experte. Der Währungsmanager ergänzt das Expertenwissen zu Aktien und Renten um die Währungs- und Abwicklungsseite“, führt er aus.
Der Einsatz eines professionellen Währungsmanagements lohnt sich aber nicht für jeden Investor. Die entscheidende Frage: Wie groß ist der Fremdwährungsanteil im Portfolio? Ein deutscher Investor, der ausschließlich im Euroraum unterwegs ist, kann zweifellos auf ein Währungsmanagement verzichten. Wer über die Grenzen des Euroraums hinausgeht und beispielsweise die vielbeschworenen Chancen in den Emerging Markets nutzen will, sollte dies aber ernsthaft in Betracht ziehen. Gerade Schwellenländer sind im Vergleich zu den entwickelten Märkten deutlich illiquider und es gibt weniger Handelspartner. „Bei exotischeren Währungen ist es schwieriger, einen Preis zu finden und einen guten Trade zu machen. Die Range ist weiter und damit aber auch das Sparpotenzial höher“, erklärt Mittler. Russell Investments bietet Investoren an, ihre FX-Transaktionen zu analysieren. Diese erste Analyse ist kostenlos. „Dadurch, dass wir bei Russell selbst viele Trades machen, haben wir die Datenpunkte, die es für eine solche Analyse braucht“, erklärt Mittler. Dieses Angebot ist natürlich nicht ganz uneigennützig, schließlich hat Russell vor einigen Jahren ein Agency-Modell für Währungsmanagement aufgesetzt. Dies war eine Konsequenz, die der US-amerikanische Multimanager aus seiner ersten FX-Studie 2002 zog. „Wir wollten damals herausfinden, wie effizient unsere Manager die Währungen hedgen. Dabei zeigte sich, dass die Ausführungsqualität im Schnitt schlecht war“, blickt Mittler zurück. Aufgrunddessen entschied man sich, das FX-Hedging fortan selbst in die Hand zu nehmen und diesen Service auch anderen Investoren anzubieten. „Wir haben kein eigenes Handelsbuch, aber kennen und nutzen eine Vielzahl von Trading-Partnern“, erklärt Mittler.
_Explizite Fee schreckt ab
In Deutschland ist die Nachfrage nach diesen Diensten bislang überschaubar. Abschreckend wirken dürfte unter anderem, dass für die Dienste eines Agenten eine explizite Fee zu zahlen ist, deren Höhe von der Anzahl der Währung und der Größe des Portfolios abhängt. Von seiner Depotbank hat der Investor diesen Service bisher für lau bekommen – zumindest auf dem Papier. „Investoren sollten einen Agenten nicht wegen der expliziten Kosten ablehnen. Der Preis für ein Agency-Hedging ist bei guten Anbietern so gestaltet, dass die verbesserte Ausführungsqualität weitaus mehr einspart und dadurch Kosten reduziert, die zuvor verborgen waren. Die Transparenz, die dadurch geschaffen wird, ist ein wichtiger Bestandteil der Investment Governance“, betont Mittler. Wenn sich Investoren für das Einschalten eines Agenten entscheiden, sollten sie auf jeden Fall genau darauf achten, dass die Einsparung, die eine effizientere FX-Ausführung erreicht, nicht von den expliziten Gebühren aufgefressen wird. Denn sonst wäre nichts gewonnen. Das Zauberwort heißt: Kontrolle! Damit wären Investoren nicht nur beim Einsatz eines Agenten gut beraten, sondern auch für den Fall, dass sie ihre Währungsgeschäfte weiterhin von der Depotbank ausführen lassen. Schon das allein könnte bei den Custodians zu einem Umdenken bezüglich ihrer Preisgestaltungspraxis führen – wenn es dessen überhaupt noch bedarf.
Insbesondere State Street und BNY Mellon sollten spätestens durch die Klagen von verschiedenen US-Pensionsfonds aufgerüttelt worden sein. Und tatsächlich hat BNY Mellon laut eigener Internetseite ein neu definiertes Spread-Standing-Instruction-Produkt, das unter anderem Folgendes offeriert: Preise, die auf objektiven Quellen basieren; täglich garantierte Rates sowie ein Post-Transaktions-Reporting mit der Zeit, zu der jede Rate erfasst ist. Auch State Street bietet ihren Kunden seit 2009 einen täglichen Report, der Details zu Auf- und Abschlägen liefert. Nähere Einzelheiten waren von beiden Global Custodians nicht zu erfahren, da sie und auch verschiedene andere Depotbanken nicht zu einem Gespräch mit portfolio bereit waren. James Woods-Collins vom britischen Währungsmanager Record Currency Management kann zumindest feststellen: „Die Custodians haben die Bedenken ihrer Kunden, die rund um das Pricing aufgekommen sind, nicht ignoriert. Sie haben nunmehr ihre Reporting-Modelle so geändert, dass sie Zeiten angeben können, zu denen Trades stattfinden, und sie sich zu einem expliziteren Preismodell hinbewegen können.“ Doch stellt sich ihm die Frage, ob die Custodians damit auch schnell genug sind und ihre Kunden an ihnen festhalten.
_Depotbanken kommen glimpflich davon
Großen Schaden scheinen die Global Custodians durch die Klagen der US-Pensionsfonds nicht davongetragen zu haben. Dieser Schluss drängt sich auf, bedenkt man die im vergangenen Jahr getroffene Entscheidung von Calpers. Obwohl der Pensionsfonds gemeinsam mit Calstrs, seinem Schwesterfonds, State Street wegen falschen Pricings von Währungstransaktionen verklagt hat – es geht um rund 56 Millionen Dollar – hat Calpers im Sommer 2011 dem Global Custodian einen neuen Dreijahresvertrag für Master-Custodian-Services gegeben. Zu Reuters sagte Wayne Davis, Sprecher bei Calpers: „Wir sind zufrieden mit unseren Verhandlungen. Wir haben die Transparenz bekommen, die wir benötigen.“ State Street habe das beste Paket angeboten. Bei den FX-Transaktionen sei ein Prozess implementiert worden, der Calpers tägliche Informationen gibt, anhand derer sich die Ausführung über das komplette Portfolio exakt überprüfen lässt. Offensichtlich ist das Vertrauen in State Street nicht allzu tief erschüttert. Allerdings ist dieses Vertrauen nicht mehr blind, denn der Global Custodian steht nun unter einer strengeren Kontrolle. Genau in diesem Punkt können sich deutsche Investoren den kalifornischen Pensionsfonds zum Vorbild nehmen: Sie sollen ihre Depotbanken nicht verklagen, aber die FX-Kosten kontrollieren. Am Ende dürften sie ziemlich überrascht sein, welche Summen sie dort liegen lassen.
Autoren: Kerstin Bendix In Verbindung stehende Artikel:
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