Schwarzer Schwan
16. Februar 2018
Korruption? Ach, was!
Der Beschützer des christlichen Abendlandes wird von Korruptionsvorwürfen behelligt.
Kennen Sie das Brettspiel „Junta“? Bei Junta übernehmen die Spieler hochrangige Führungsposten in der fiktiven (?), hochgradig korrupten „Republica de las Bananas“. Gewinner dieses lustigen Spiels ist derjenige, der am meisten Entwicklungshilfegelder auf das eigene Nummernkonto in der Schweiz umleitet.
In der Realität kann das „Geld-Beiseiteschaffen“ aber manchmal auch weniger lustig, sondern eher stressig sein. So wird der türkische Präsident Erdogan von Telefonmitschnitten belastet, in denen er seinen Sohn eines Morgens anscheinend anweist, alles Geld wegzubringen, das im Haus ist. Am Abend des gleichen Tages – und einige Telefonate später – sagt der Sohn: „Wir haben immer noch 30 Millionen Euro, die wir nicht verschwinden lassen konnten.“ Sollten die Mitschnitte echt sein, dann scheinen die Aufwandsentschädigungen eines türkischen Spitzenpolitikers also sehr üppig auszufallen. Theoretisch, aber wirklich nur rein theoretisch, könnte Erdogans Reichtum vielleicht auch auf Korruption zurückzuführen sein?
Nicht ganz so gut verdient man offenbar dagegen als israelischer Ministerpräsident. „Bibi“ Netanjahu und seine Frau Sara mussten sich laut Medienberichten jahrelang von einem befreundeten Unternehmer mit Zigarren und Champagner aushelfen lassen. Die israelische Polizei empfiehlt eine Korruptionsanklage. Dabei ist die Familie Netanjahu eben einfach nur sparsam. Jahrelang soll Sara Netanjahu Pfandgelder für von Staatsgeldern gekauften Flaschen privat kassiert haben. Geschäftstüchtig mag die israelische First Lady aber auch sein. Laut einem ehemaligen Angestellten habe Sara Netanjahu angeordnet, dass nur noch kleinere Flaschen gekauft werden. Diese bringen nämlich mehr Pfand.
Nichts als Ärger mit Korruptionsjägern der Europäischen Union hat derzeit auch der Ministerpräsident Ungarns. Dabei konnte sich Victor Orbán doch bislang auf die EU verlassen: als verlässliches Feindbild und als sprudelnde Finanzierungsquelle, um seine Autokratie zu fördern. Der neueste Fall: Orbáns Schwiegersohn soll bei der Ausstattung von Städten und Gemeinden mit neuer öffentlicher Beleuchtung mittels eines „organisierten Betrugsmechanismus“ illegal Millionen Euro EU-Fördergelder kassiert haben, zitiert Spiegel Online aus einem vertraulichen Bericht des EU-Antibetrugsamtes Olaf (Office Européen de Lutte Anti-Fraude), der in Auszügen vergangene Woche vom unabhängigen ungarischen News-Portal 24.hu veröffentlicht worden sei. „König Victors“ Reaktion auf den Bericht war, sich als Bewahrer der christlichen Identität Ungarns und Europas feiern zu lassen – und sich nicht erpressen zu lassen, Flüchtlinge aufzunehmen.
Wie Spiegel Online berichtet, ist der Fall Tiborcz nur ein besonders eklatanter Fall, aber längst nicht der einzige aus Orbáns Umfeld. Firmen seines Vaters und von einem seiner Brüder erhielten ebenfalls direkt oder indirekt EU-Fördergelder in Millionenhöhe. Einer der größten Nutznießer der EU-Zahlungen in Ungarn ist laut dem Spiegel-Bericht Orbáns derzeitiger „Lieblingsoligarch“ Lörinc Mészáros, ein Kindheitsfreund und derzeit Bürgermeister in Orbáns Geburtsdorf Felcsút. Mészáros stieg in den vergangenen Jahren vom einfachen Gas-Installateur zu einem der reichsten Ungarn auf. Geschätztes Vermögen: rund 350 Millionen Euro.
Wachsender persönlicher Reichtum und mit EU-Geldern finanzierte öffentliche Aufträge sind positiv korreliert
Weiter ist in dem Artikel zu lesen, dass das Budapester Investigativ-Portal Direkt36 seit Jahren über die Geschäftspraktiken von Orbáns Verwandten und Vertrauten recherchiert. Der Direkt36-Mitbegründer András Pethö sagte dem Spiegel, es gebe einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen dem wachsenden Reichtum dieser Personen und ihrer Beteiligung an öffentlichen Aufträgen, die mit EU-Geldern finanziert werden.
Die „Zeit“ berichtet von Eisenbahnlinien und Holztürmen in Ungarn, die von der EU gefördert wurden, die aber kaum jemand nutzt – und von einem Fußballstadion neben einer Ferienwohnung der Familie Orbán, das vor allem einer nutzt: Victor Orbán. Abgeschlossen wird der Zeit-Artikel mit folgendem Absatz, in dem eine Ungarin über ihre Heimat spricht: Ungarn habe seit dem EU-Beitritt fast in jedem Kaff einen Springbrunnen bekommen, sagt sie. In fast allen Fällen sei der mit EU-Geldern gefördert worden. Einerseits sei das ja schön. So ein Springbrunnen werte das Bild eines Dorfes ja auf, so wie auch eine Eisenbahn oder Holztürme. „Andererseits: Was ist das wert, wenn es dafür keine echten Gerichte mehr gibt, bei denen man sich über die Veruntreuung von Staatsgeld beschweren kann?"
Vielleicht muss man diese Frage leicht umformulieren: „Für wen ist es wertvoll, wenn es dafür keine echten Gerichte mehr gibt, bei denen man sich über die Veruntreuung von Staatsgeld beschweren kann?"
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