Statement
23. Mai 2019

Klimaziele erreichen – und zwar jetzt!

Um die ehrgeizigen Ziele des Pariser Klimaabkommens zu ­erreichen, brauchen Anleger eine nachhaltige Klimastrategie, um ihr Portfolio zu dekarbonisieren. Darüber gibt Nathalie Wallace von State Street Global Advisors in einem Beitrag und Interview Auskunft.

„Daten spielen eine Schlüsselrolle“

Interview mit Nathalie Wallace, Lead ESG Investment Strategist, State Street Global Advisors

Nachhaltige Investitionen führen zu einer Untergewichtung bei Versorgern, Banken und Automobilherstellern. Aus diesem Grund fehlt es den Investoren an ­Dividendeneinnahmen.
Gewinne und Nachhaltigkeit schließen sich nicht gegenseitig aus. Analysen zeigen, dass verantwortungsbewusst geführte Unternehmen langfristig bessere Finanzergebnisse erzielen. Umweltfreundliche, sozial verantwortliche und gut geführte Unternehmen sind gut positioniert, um Risiken standzuhalten und neue Chancen zu nutzen.
Gewinne und Nachhaltigkeit können aber konkurrierende Ziele sein, wenn ESG-­Attribute und -Faktoren nicht ­aufeinander abgestimmt sind: Unternehmen mit ­hohen ESG-Ratings haben manchmal uner­wünschte Faktormerkmale. Ebenso ­haben Unternehmen mit wünschenswerten Faktor­merkmalen möglicherweise nicht das von Investoren gesuchte ESG-Profil.

Was wäre hierfür ein Beispiel?
Nehmen wir als Beispiel fünf Faktoren, die seit Jahrzehnten erforscht werden und nachweislich langfristig eine dauerhafte Rendite liefern: Value, niedrige Volatilität, geringe Größe, Momentum und Qualität. Unsere Analyse hat gezeigt, dass ESG-Aktien mit hohem Rating in der Vergangenheit und auch heute Werte mit einem negativen ­Momentum, hoher Qualität, niedriger Volatilität und größeren Kapitalisierungen waren. Ein Optimierer kann dabei das ­gewünschte ESG- und Faktor-Engagement effizient ausgleichen.
Darüber hinaus haben sich Nachhaltigkeits­investments zu einer zukunftsweisenderen Messgröße entwickelt, wie zum Beispiel den Klimaanpassungswerten. Auch nehmen ­Investoren zunehmend Unternehmen aus der Energie- und Versorgungsbranche ins Portfolio, die ihre Geschäftsmodelle an die Chancen und Risiken von ESG anpassen.

Was wären Klimalösungen für Investoren?
Da extreme Wetterereignisse ­häufiger auf­treten und die wirtschaftlichen ­Auswirkungen des Klimawandels besser verstanden und ­akzeptiert werden, werden Investoren von den Unternehmen verlangen, offenzulegen, wie sie ihre ­Geschäftsstrategien an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen. Dies gilt insbesondere für diejenigen Investoren, die sich an die Offenlegungen der Task Force für klimabezogene Finanzdaten (Task Force on Climate-related Financial Disclosures; TCFD) binden. Daher müssen Management und Gremien den Klimawandel vollständig in ihre langfristigen Strategien einbeziehen. Während sich die traditionellen Klima-Investitionslösungen auf die Minderung der Auswirkungen konzentrieren (das heißt die Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels auf ein Portfolio, indem sie beispielsweise das Engagement gegenüber Treibhausgasen reduzieren und das Engagement in „grünen“ Energieunternehmen erhöhen), werden ­Investoren, die an der Spitze der Klima­investitionen stehen, versuchen, ihre Klimainvestitionen nicht mehr nur auf Basis reiner Minderungs­strategien zu tätigen. Hier reicht die Range hin zu solchen, die sich an einer Anlagethese zur Minderung und Anpassung orientieren.

Fühlen Sie sich von Unternehmen und Staaten über nachhaltige Aspekte gut informiert?
Nein. Erfolgreiche Investitionen hängen stark von der Qualität der verfügbaren ­Daten ab, was insbesondere im Bereich der ESG-Investitionen gilt. Forderungen von Anlegern und anderen haben zu erheblichen Verbesserungen bei der Offenlegung von Unternehmensdaten zur ESG-Performance geführt, aber die veröffentlichten Daten sind weder umfangreich noch erlauben sie eine Vergleichbarkeit zwischen ­Unternehmen. Dies macht Anlageentscheidungen auf ­dieser Informationsbasis herausfordernd.

Könnten diese Daten von Dritten kommen?
ESG-Datenanbieter spielen eine wichtige Rolle bei der Erfassung, Beurteilung und ­Bewertung von Unternehmen im Hinblick auf ihre ESG-Errungenschaften. Diese ­Unternehmen haben dazu beigetragen, das Wachstum der ESG-Investitionen zu ­fördern und bieten Eigentümern von Vermögenswerten und Managern Alternativen, um eine solche umfassende Prüfung selbst durchzuführen. Es gibt aber, wie wir darlegen ­werden, wichtige Überlegungen für Investoren, die ESG-Datenanbieter nutzen.
Es gibt zahlreiche solcher Unternehmen auf dem Markt, wobei die Global Initiative for Sustainability Ratings (GISR) im Jahr 2016 mehr als 125 solcher Unternehmen ­umfasste. Dazu gehören namhafte Anbieter mit globaler Abdeckung wie Bloomberg, FTSE, MSCI, Sustainalytics, Thomson Reuters und Vigeo Eiris sowie spezialisierte Datenanbieter wie S&P Trucost (Bereitstellung von Daten zu Emissionen und „braunen Erträgen“), GRESB (mit Fokus auf Nachhaltigkeit bei Immobilien) und ISS (Bereitstellung von Lösungen zu Corporate Governance, Klima­fragen und verantwortungsvollen Anlagen).
Was ist bei der Selektion eines ESG-­Datenanbieters zu beachten?
ESG-Datenanbieter entwickeln in der Regel eigene Beschaffungsprozesse und Research-Methoden, so dass das Rating für ein einzelnes Unternehmen von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich ausfallen kann. Vor kurzem haben wir im Rahmen einer 18-monatigen Due Diligence, bei der wir mehr als 20 Anbieter untersuchten, die Querschnittszusammenhänge für die ESG-Werte der vier führenden Datenanbieter unter Verwendung des MSCI World Index als Abdeckungs­universum untersucht. Wie die Abbildung auf dieser Seite veranschaulicht, weisen die von MSCI und Sustainalytics generierten ESG-Werte eine niedrige Korrelation von 0,53 auf.
Darüber hinaus stellt das Angebot an ­Datenanbietern mit unterschiedlichen ESG-Methoden eine unmittelbare Schwierigkeit für Investoren dar. Die Wahl eines bestimmten Anbieters wird zum Beispiel dadurch erschwert, dass sich die ESG-Anlagephilosophie am Unternehmen ausrichten muss.
Als Reaktion darauf sehen wir ­zunehmend, dass Investoren Investmentlösungen favorisieren, die auf den Daten mehrerer ­Anbieter basieren. Einige Anlageberater entwickeln dabei Vorlieben für Anlagestrategien, die sich aus den ESG-Daten verschiedener ­Quellen speisen. Wir gehen davon aus, dass dies in den kommenden Jahren in der Branche immer häufiger der Fall sein wird.

Was ist Ihnen ansonsten noch wichtig?
Wir wünschen uns mehr quantitative ­Kennzahlen und Informationen zu wesent­lichen ESG-Themen, da die akademische Forschung bestätigt, dass Unternehmen, die laut SASB-Framework ­(Sustainability ­Accounting Standards Board) bei den ­wesentlichen ESG-Kennzahlen für ihre Branchen höhere Werte erzielen, langfristig höhere nachhaltige Renditen erzielen als diejenigen, die in wesentlichen Bereichen schlechter abschneiden oder in nicht wesentlichen Bereichen besser abschneiden.
SASB wird derzeit von mehr als 30 globalen Investoren unterstützt, hinter denen 21 Billionen US-Dollar an verwaltetem Anlagevermögen stehen. Die Organisation hat eine transparente Übersicht zur Wesentlichkeit erarbeitet, in der spezielle Indikatoren aus jeder der 77 Branchen erfasst sind. Dies sind Indikatoren, die für den Anlageentscheidungsprozess der Investoren in Hinblick auf die Auswirkungen der wesentlichen ESG-Faktoren auf die langfristige Performance eines Unternehmens relevant sind.

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