Versorgungswerke for Future
Der Klimawandel ist die größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts. Großanleger müssen sich noch stärker für den Klimaschutz einsetzen.
Welches Risiko hat perspektivisch für Sie persönlich die höchste Bedeutung? Ist es der Klimawandel? Sind es Infektionskrankheiten? Oder machen Ihnen geopolitische oder finanzielle Unsicherheiten Sorgen? Für die rund 200 Teilnehmer des diesjährigen und inzwischen 5. Expertenzirkels der Fondsgesellschaft Apo Asset Management – Mitte März 2022 im Klimahaus in Bremerhaven – kamen nur zwei der vier Punkte infrage: 47 Prozent entschieden sich zu Beginn der Veranstaltung für den Punkt „geopolitische Unsicherheiten“. 43 Prozent der Stimmen entfielen auf den Klimawandel.
Am Ende des Events befragte die Fondstochter der Deutschen Apotheker- und Ärztebank ihre Gäste noch einmal, stellte ihnen die Frage erneut. Doch diesmal war das Ergebnis ein völlig anderes. Nun war plötzlich der Klimawandel für zwei von drei Teilnehmern (63 Prozent) von entscheidender Bedeutung. Wie konnte sich das Stimmungsbild so deutlich drehen?
Eckart von Hirschhausen legt den Finger in die Wunde
Großen Anteil an dem Stimmungsschwenk hat Prof. Dr. Eckart von Hirschhausen. Der Arzt, Stiftungsgründer, Fernsehmoderator, Buchautor und Honorarprofessor der Universität Marburg war einer der Referenten des diesjährigen Expertenzirkels. Denn seit diesem März ist der vielbeschäftigte Entertainer auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Apo Asset Management. Das interdisziplinäre Gremium berät die Fondsmanager zu Trends im globalen Gesundheitswesen.
Prof. Dr. Hirschhausen werde hier vor allem seine Kompetenz zum Thema Klimawandel und Gesundheit einbringen. Sein Engagement für Apo Asset begründete er so: „Weltweit ist die Klimakrise die größte Gefahr für unser aller Gesundheit, auch in Deutschland. Auf die vielen medizinischen Folgen – wie Hitzewellen und Extremwetter, zunehmende Infektionskrankheiten, Allergien oder seelische Erkrankungen – ist das Gesundheitswesen noch kaum vorbereitet. Bei der Bewältigung dieser komplexen Herausforderung spielt der Finanzsektor eine entscheidende Rolle.“
Von Klima über die Gesundheit bis zur Geldanlage
In seinem Vortrag in Bremerhaven knüpfte von Hirschhausen an dieses Statement an und zeigte Querverbindungen zwischen Klima, Gesundheit und Geldanlage auf. Dabei kritisierte er, dass es auf politischer Ebene bislang keine Entschlossenheit gebe, nachdrücklicher in der Klimakrise vorzugehen. „Der Gesundheitsminister der letzten Regierung war nicht Teil des Klimakabinetts. Dabei sind die Auswirkungen der Klimakrise auf unser Gesundheitswesen sowohl global als auch in Deutschland das dickste Brett, dem wir uns widmen müssen.“ Mit dieser bemerkenswerten Ansicht ist von Hirschhausen nicht allein.
Länderübergreifend misst der „Lancet Countdown on Health and Climate Change“ die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Weltbevölkerung. An diesem Monitor, gleichzeitig ein Spiegel der politischen Anstrengungen oder auch des Versagens, sind internationale Forschungsinstitutionen sowie UN-Organisationen beteiligt. Und laut dem Bericht ist der Klimawandel die größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts.
Neue Stiftung setzt sich für mehr Gesundheit ein
Mit seinem großen Engagement will Eckart von Hirschhausen die Öffentlichkeit für die Folgen des Klimawandels sensibilisieren. Im März 2020 gründete Deutschlands vermutlich bekanntester Arzt dazu die Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen. Die Stiftung will dazu beitragen, „dass der deutlichen Mehrheit unserer Gesellschaft bewusst wird: Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten“. In Bremerhaven führte von Hirschhausen dem aus dem Gesundheitssektor stammenden Fachpublikum zunächst vor Augen, dass die Anstrengungen, den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie CO₂ oder bestimmter Narkosegase zu senken, forciert werden müssen. Denn im vergangenen Jahr gab es die bislang höchsten CO₂-Emissionen in der Menschheitsgeschichte. Die Entwicklung erwecke den Anschein, so von Hirschhausen, „als hätten wir noch nicht begriffen, dass jede weitere Tonne CO₂, die wir nach oben pumpen, uns im wahrsten Sinne auf die Füße fällt“.
Wenige Tage vor dem Apo-Asset-Event an der deutschen Nordseeküste hatte die Internationale Energieagentur (IEA) mitgeteilt, dass 2021 weltweit 36,3 Milliarden Tonnen sogenannter energiebedingter CO₂-Äquivalente ausgestoßen worden sind. Das ist ein neuer Höchststand. Verzeichnete die IEA in ihrer vorangegangenen Analyse noch einen pandemiebedingten Rückgang beim CO₂-Ausstoß, ist diese Delle nun mehr als ausgeglichen. Damit ist auch die Hoffnung auf eine nachhaltige Senkung beim CO₂-Ausstoß auf unbestimmte Zeit vertagt.
Der Klimawandel setzt sich fort
Doch welche Folgen ergeben sich aus dem ungebremsten Ausstoß klimaschädlicher Gase und wie lässt sich die damit verbundene Erderwärmung aufhalten? Gegen den Klimawandel helfe nur konsequenter Klimaschutz, warb von Hirschhausen, der sich etwa für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen ausspricht. Nun müsse man auch danach handeln. Die Energiewende hin zu Renewables betrachtet der Wissenschaftler als Gesundheitsthema und wirbt um mehr Kapital – bei berufsständischen Versorgungswerken für Heilberufler lässt man sich da natürlich nicht zweimal bitten.
Und es gibt ja auch Erfahrungswerte: Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe ist nach eigenen Angaben seit einigen Jahren klimaneutral. Möglich sei das durch die Unterstützung zertifizierter Klimaschutzprojekte. Und mit Fondsanlagen unterstützen die Münsteraner Erneuerbare-Energien-Projekte. Die Ärzteversorgung Thüringen wiederum allokiert seit mehr als elf Jahren einen Teil ihrer Kapitalanlage in nachhaltige Energieprojekte und leistet so einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels.
Anknüpfungspunkte für institutionelle Anleger
Der Klimawandel ist seit Jahrzehnten bekannt. Bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts haben Forscherinnen und Forscher vermehrt Anzeichen festgestellt, dass sich die Atmosphäre erwärmt und Aktivitäten des Menschen eine Ursache dafür sein könnten. Heute ist die Erderwärmung als Folge des Klimawandels allgegenwärtig. „Wir verlassen gerade die Komfortzone, in der wir 10.000 Jahre ein sehr gutes Leben auf diesem Planeten hatten“, so von Hirschhausen.
Die Energiewende müsse jetzt oberste Priorität haben, um die Gesundheit der Weltbevölkerung zu schützen. „Denn die Luftverschmutzung ist der Killer Nummer eins“, sagte der Arzt mit Blick auf die von der Weltgesundheitsorganisation WHO zusammengetragene Liste der zehn größten Bedrohungen für die globale Gesundheit. Mikroskopisch kleine Schadstoffe in der Luft können in die Atmungs- und Kreislaufsysteme eindringen, Lunge, Herz und Gehirn schädigen. Dadurch sterben jedes Jahr sieben Millionen Menschen vorzeitig an Krankheiten wie Krebs, Schlaganfall, Herz- und Lungenerkrankungen. Die Hauptursache der Luftverschmutzung ist die Verbrennung fossiler Brennstoffe.
Die WHO schätzt, dass der Klimawandel zwischen 2030 und 2050 voraussichtlich 250.000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr durch Unterernährung, Malaria, Durchfall und Hitzestress verursachen wird. Deutschland ist nicht nur Mitverursacher, sondern auch direkt vom Klimawandel betroffen. In der Bundesrepublik sind die Folgen des Klimawandels allgegenwärtig. So zeigte der Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel der Bundesregierung, dass sich die mittlere Lufttemperatur in Deutschland von 1881 bis 2018 bereits um 1,5 Grad erhöht hat. Allein in den vergangenen fünf Jahren sei die Temperatur um 0,3 Grad gestiegen. „Es ist nicht auszudenken, was es bedeuten würde, wenn sich dies in dieser Geschwindigkeit wirklich fortsetzen würde“, sagte die damalige Umweltministerin Svenja Schulze bei der Vorstellung des Berichts.
Anleger setzen auf erneuerbare Energieformen
Der Vortrag Eckart von Hirschhausens hinterließ den Eindruck, als seien institutionelle Anleger bislang weitgehend untätig, was den Kampf gegen den Klimawandel angeht. Dem ist nicht so. Vielmehr verlagern Großanleger Investments seit Jahren hin zu Anlagen, die helfen, den menschengemachten Temperaturanstieg zu begrenzen. Sie üben ihre Stimmrechte entsprechend aus und suchen den Dialog zu kritischen Unternehmen, um Änderungen einzuläuten. Mehr noch: Organisationen, die sich in Sachen Nachhaltigkeit einbringen, erfahren ungebremsten Zulauf, etwa die 2005 gegründeten Principles for Responsible Investment.
Dasselbe gilt für Klimaschutzallianzen, wie die 2019 ins Leben gerufene internationale Net-Zero Asset Owner Alliance. Mitglieder des Bündnisses, dem unter anderem die Allianz und die Bayerische Versorgungskammer angehören, setzen sich für den Schutz der Menschen und des Planeten ein. Die institutionellen Endanleger dekarbonisieren ihre Geschäftsmodelle und tragen so zur Senkung der weltweiten CO₂-Emissionen bei.
Und doch hat von Hirschhausen recht. Im Kampf gegen den Klimawandel muss mehr getan werden. Ein Anknüpfungspunkt ist die bei Großanlegern sehr beliebte Asset-Klasse Immobilien, die jedoch mit dem Design der Außenhüllen Probleme aufwirft. Von Hirschhausen sieht insbesondere in Bürohäusern mit Glasfassaden ein gewaltiges Problem. „Im Sommer wärmen sich die Büros unerträglich auf“, betonte er und forderte die zuständigen Behörden, Mediziner und Anleger auf, dem Thema Hitze oberste Priorität einzuräumen.
Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Vorstandes des Weltärztebundes und ebenfalls Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Apo Asset Management, pflichtete ihm bei: „Wir können zwar die Hitze in den Räumen mit Hilfe von Klimaanlagen ableiten. Durch Klimaanlagen machen wir das globale Klimaproblem aber noch problematischer.“
Glasfassaden und Klimaanlagen sind Teil des Problems
Gebäude sollten nach Ansicht von Hirschhausens flächendeckend so gebaut werden, dass sie nicht auf elektronische Kühlung angewiesen sind; zumal das Thema „Kühlung“ in Zukunft auch hierzulande von größerer Bedeutung sein wird. Experten halten es für möglich, dass es im Jahr 2030 Außentemperaturen von 45 Grad geben könne. „Doch was passiert denn dann? Welche Infrastruktur zerfällt dann vor unseren Augen? Das sind Dinge, auf die wir nicht vorbereitet sind“, argumentierte der Mediziner. „Das Hitzethema braucht jetzt Investitionen. Und ich sehe noch nicht, dass das Bewusstsein dafür vorhanden ist, ganz zu schweigen von den Milliarden, die man jetzt braucht.“
Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sieht die Verantwortung für nachhaltigeres Verhalten bei jedem Einzelnen. „Es fängt bei uns selber an, etwas zu tun“, so Montgomery, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Apotheker- und Ärztebank ist. Der ausgebildete Facharzt für Radiologie plädiert unter anderem für das Fahren kleinerer Autos, um den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu reduzieren. Von Hirschhausen wiederum sieht im Finanzbereich den größten Hebel für mehr Klimaschutz. „In dem Moment, in dem sich Investitionsströme verändern, können sich plötzlich viele Dinge verändern.“
Veränderungen an der Finanzierung festmachen
Adressiert an die Heilberufler sagte von Hirschhausen: „Wir hocken auf Milliarden in den Versorgungswerken. Was wollen wir damit fördern?“ Der Fachmann plädiert für eine Form des aktiven Dialogs mit den Unternehmen, die nach Kapital suchen. Geldgeber könnten umstrittene Unternehmen dazu drängen, Veränderungen zum Besseren anzustoßen. Ähnlich argumentierte Kai Brüning: „Geld ist der zentrale Knackpunkt, mit dem etwas verändert werden kann“, so der Fondsmanager von Apo Asset Management. „Wenn ein Unternehmen keine Finanzierung mehr erhält, weil es sich nicht nachhaltig verhält, dann muss es nachhaltig werden.“ Und je mehr Anleger sich entsprechend verhalten und nachhaltig investieren, desto größer werde der positive Effekt.
Apo-Asset-Dachfondsmanagerin Magdalena Fest hat beobachtet, dass es für Anleger in jüngster Zeit immer wichtiger wird, neben einer attraktiven Rendite auch mit dem Investment etwas Gutes zu tun und Geld sinnstiftend anzulegen. „Anleger haben die Wichtigkeit erkannt“, sagte sie.
Der Apo-Asset-Management-Beirat Dr. Markus Müschenich, Gründer und Managing Partner der Eternity Health Holding sowie Expert Partner des Digital-Health-Venture-Capital-Fonds Heal Capital, fasste die Veranstaltung mit folgendem Statement treffend zusammen: „Um die Transformation zu stemmen, brauchen wir eine Wissenschaft, die neue Technologien entwickelt. Wir brauchen die Politik, die die Rahmenbedingungen setzt. Wir brauchen die Gretas dieser Welt, die auf die Straße gehen, um jedem zu erklären, dass es den Klimawandel gibt. Und wir brauchen die Unternehmer, die damit Geld verdienen wollen.“
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Klimaschutz | Klimawandel | Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren | Versorgungswerke
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