Klima wandelt Portfolios
Bereits mittelfristig haben Klimarisiken starke, materielle Auswirkungen auf Rendite und Risiko und sind somit Teil der treuhänderischen Pflichten. Kurzfristig stehen Investoren vor dem Problem, geeignete Anlagen zu finden. Schon ab 2025 können jedoch nur diejenigen Investoren mit auskömmlichen Renditen rechnen, die bereits jetzt Klimarisiken in ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen und sich auf die anstehende Transformation vorbereiten.
Auch wenn sie aufgrund der öffentlichen Wahrnehmung und des regulatorischen Drucks herausgestellt werden, im Anlageprozess sind Klimarisiken dabei wie alle anderen Risiken auch zu behandeln, so Oehri vom CSSP. Ein übliches Vorgehen ist ihm zufolge, das CO₂-Exposure relativ zur gewählten Benchmark zu ermitteln. Anhand dessen lassen sich Sektoren identifizieren, wo eine Reduktion möglich ist. Gerade einmal sechs Unternehmen sorgen für über die Hälfte aller europäischen Kohleemissionen. Ginge es also bloß darum, Klimarisiken signifikant zu reduzieren, ließe sich dies auch ohne große Einschränkungen des Anlageuniversums vornehmen. Dabei sollte man jedoch nicht mit dem Vorschlaghammer auf das Portfolio losgehen, sondern gewisse Abwägungen treffen: „Es ist sicherlich nicht damit getan, sämtliche CO₂-intensiven Branchen aus dem Investmentuniversum zu entfernen“, so Anja Mikus von Kenfo. Mit Blick auf die Effektivität ist es wichtiger, Hürden zu formulieren, damit der CO₂-Ausstoß innerhalb der jeweiligen Branche reduziert wird. Diese Maßnahme hat Breitenwirkung und die notwendige Portfolio¬liquidität bleibt erhalten.“ Hier spielen in vielen institutionellen Portfolien inzwischen neben Ausschlusskriterien Best-in-Class-Ansätze eine sinnvolle Rolle, so auch beim 24-Milliarden-schweren Kenfo.
Radikal geht das Thema der niederländische Pensionsfonds Detailhandel an, der im März seine neue Aktien-Anlagestrategie bekanntgab. In Reaktion auf eine Mitgliederumfrage entwickelte Detailhandel zusammen mit FTSE Russell einen neuen Index, um seine Investitionen auf Klimaziele, Menschenrechtsfragen und Arbeits¬bedingungen auszurichten. Dies führte dazu, dass 500 der 1.600 -Unternehmensbeteiligungen verkauft wurden. Das CO₂-Exposure des passiv von Blackrock gemanagten, 5,8 Milliarden Euro schweren Portfolios soll dadurch um die Hälfte gesenkt werden. Der Pensionsfonds solle trotzdem keine niedrigere Performance erwirtschaften und sich nicht größeren Risiken aussetzen, auch weil sich das Universum im illiquiden Bereich erweitert. Die Diskussionen um eine Verringerung des Anlageuniversums kennt man auch bei der Verka VK. Das Anlageuniversum der Aktienstrategie, welche sehr nahe am MSCI World orientiert ist, habe man auf 200 Unternehmen verkleinert, so Vorstandsmitglied Ewald Stephan bei der Portfolio Jahreskonferenz 2019. Viele hätten gesagt, dass bei einer solchen Restriktion hohe Nachteile in Kauf genommen werden müssten. Aber die kann Stephan nicht sehen, im Gegenteil: „Wir haben eine Outperformance. Denn genau diese Unternehmen sind die Outperformer im Index.“
Starker Fokus auf illiquide Investments
Die Debatte dreht sich bisher stark um die Erfassung und Integration von ESG-Risiken in den liquiden Asset-Klassen. Um jedoch an den sich aus der Transformation ergebenden Investmentchancen teilzuhaben, müssen Investoren sich jedoch insbesondere illiquiden Asset-Klassen annehmen, so Fabian, und dies aus zwei Gründen. Zum einen haben sich Infrastruktur und einige Immobilien-Direktbestände in Phasen erhöhter Volatilität in der Vergangenheit als relativ beständig herausgestellt. Zum anderen ist ein großer Teil der aufstrebenden Green Economy nicht an der Börse gelistet und so nur über illiquide Allokationen investierbar. Gleichwohl schränkt Fabian hier ein: Einige Infrastruktur- und Immobilien-Assets sind Klimarisiken sehr stark ausgesetzt. Es gilt hier, sorgfältig zu selektieren. Einen Vorteil für Infrastruktur ermittelt auch das Beratungshaus Mercer. Die positiven Effekte eines Zwei-Grad-Szenarios auf deren Performance beziffert ihr aktueller Klima-Report auf zwei Prozent jährlich bis 2030, für nachhaltige Infrastruktur sogar auf drei Prozent. Insbesondere Renewables legen mit 6,2 Prozent jährlich zu, während Kohle (minus 7,1 Prozent) sowie Öl und Gas (minus 4,5 Prozent) stark verlieren. Mercer stellt zudem fest, dass das Zwei-Grad-Szenario schon bis 2030 auch makroökonomisch vorteilhafter gegenüber dem Vier-Grad-Szenario ist. Die Renditevorteile liegen hier zwischen 0,1 und 0,3 Prozent, während unter einem Vier-Grad-Szenario 0,07 Prozent an jährlichen Einbußen bis 2030 zu verzeichnen sind.
Die Asset-Management-Industrie ist derweil nicht untätig, um Investoren Zugang zu illiquiden Assets zu verschaffen. Problem ist hierbei oftmals die fehlende Diversifizierung, welche durch die recht großvolumigen Investments gerade für kleinere Investoren nur schwer herstellbar ist. Hier setzt beispielsweise ein Climate Endowment an, welches von den Family Offices Wermuth Asset Management und AQAL initiiert wurde und welches recht ambitioniert in den nächsten 30 Jahren 20 bis 40 Milliarden Euro Kapital einsammeln will. Die Investmentstrategie soll dabei die der Ivy League Endowments von Harvard und Yale imitiieren – also ein starker Fokus auf breit diversifizierte illiquide Assets, zunächst insbesondere im Infrastrukturbereich. Dabei werben die Initiatoren damit, dass deren Vorbild, die amerikanischen Endowments, in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine fast doppelt so hohe Rendite erzielt haben wie deutsche Versicherungsgesellschaften und Pensionseinrichtungen. Die nötige Expertise und beste Kontakte zu institutionellen Investoren hat man sich dabei gleich an Bord geholt: So sind Mats Andersen, ehemaliger CEO des schwedischen Pensionsfonds AP4, Stephen Blyth, ehemaliger CEO der Harvard Management Company, und Philippe Defosses, ehemaliger CEO von ERAFP, dem größten französischen Pensionsfonds, als Senior Advisors mit von der Partie.
Die passende Antwort für jede Phase
Bezüglich des Klimawandels stehen Investoren eher am Anfang einer graduellen Entwicklung, die es mit sich bringt, dass derzeit noch nicht genug investierbare Assets vorhanden sind, um diese zu Ende zu führen. „Die Pipeline muss deutlich länger werden. Die Taxonomie wird hier helfen, ein entsprechendes Angebot zu schaffen, auch sind Regierungen gewillt, unterstützend zu wirken“, gibt Fabian sich überzeugt. Aber auch Investoren können hier auf Unternehmen einwirken, etwa über den Kauf von Green Bonds oder Engagement, was Anreize für Unternehmen schafft, sich grüner aufzustellen. Zudem sei das Argument, dass es aktuell nicht genügend Assets gibt, ein Verhinderungsargument, so Silke Stremlau. Zwar gebe es definitiv nicht genügend Assets, um alle institutionellen Portfolien komplett umzuschichten. „Der Spielraum, deutlich in diese Richtung zu gehen, ist jedoch da“, so Stremlau. Dies verdeutlicht, dass es wichtig ist, zwischen verschiedenen Zeithorizonten zu unterscheiden und für jede Phase der ungewissen, aber erwartbaren Transition die passende Antwort auf die Frage von Klimarisiken zu haben. Dies verlangt aus Sicht der treuhänderischen Pflichten institutioneller Investoren, das Portfolio durch physische und transitive Risiken zu navigieren und mit dem neuen, politischeren Investitionsumfeld und den ungewissen, weil systemischen und mitunter weit in die Zukunft reichenden Risikofaktoren zu operieren. Man denke hier an die jüngsten Wahlerfolge der Grünen, an die Proteste von Schülerinnen und Schülern bei Fridays for Future, an Blockaden von Kohlekraftwerken in Rheinland und Lausitz, an zahlreiche Initiativen auf lokaler Ebene, an Umfragewerte, welche klimapolitische Themen hoch in den Wählerpräferenzen einordnen. Man denke auf der anderen Seite an die Szenarien von Mercer, welche die Effekte eines potenziellen Vier-Grad-Szenarios auf Portfolien institutioneller Investoren beschreiben: Außer für Renewables sind diese für alle Asset-Klassen negativ. Dies angesichts der vielfältigen sonstigen Herausforderungen und der schwierigen Anlagebedingungen zu berücksichtigen ist nicht leicht und doch eine Aufgabe, der sich institutionelle Investoren werden stellen müssen.
Autoren: Tim BüttnerSchlagworte: Klimawandel | Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren | Risikomanagement
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