Strategien
26. Juli 2019

Klima wandelt Portfolios

Bereits mittelfristig haben Klimarisiken starke, materielle Auswirkungen auf Rendite und Risiko und sind somit Teil der treuhänderischen Pflichten. Kurzfristig stehen Investoren vor dem Problem, geeignete Anlagen zu finden. Schon ab 2025 können jedoch nur diejenigen Investoren mit auskömmlichen Renditen rechnen, die bereits jetzt Klimarisiken in ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen und sich auf die anstehende Transformation vorbereiten.

Flüchtige Beobachter mögen sich über die Aktivitäten wundern, die sich auf politischer Ebene hinsichtlich eines nachhaltigen Finanzwesens entwickelt haben. Ob in der EU-Kommission mit dem EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance, ob in Bafin und Eiopa, die Nachhaltigkeit in ihre Aufsichtsschwerpunkte aufnehmen, oder in Zentralbanken, die sich über Klimarisiken sorgen: Nachhaltigkeit ist von regulatorischer Seite in aller Munde. Aufmerksame Beobachter können zwei verschiedene Perspektiven einnehmen, um die Motivation hinter dieser politischen Aktivität zu verstehen. Laut der einen, oft zitierten Perspektive sollen nun private Gelder mobilisiert werden, um den enormen Finanzierungsbedarf in Höhe von 180 Milliarden Euro jährlich zu stemmen, den die EU-Kommission für die Dekarbonisierung der Ökonomie identifiziert hat. Dies ist in der Tat explizites Ziel des EU-Aktionsplans, welcher absehbar große Wirkung zeigen wird.

Doch der Aktionsplan hatte von Anfang an auch einen starken Fokus auf das Risikomanagement, wie Michael Schmidt, CIO der Lloyd Fonds AG und einziges Mitglied aus Deutschland in der High Level Expert Group on Sustainable Finance, welche die Grundlagen des EU-Aktionsplans erarbeitete, zu berichten weiß: „Unser Ausgangspunkt war die Einschätzung, dass die bisher standardmäßig verwendeten Risikomanagementsysteme nicht breit genug sind, um Klimarisiken adäquat zu erfassen. Zudem haben viele Finanzakteure einen sehr kurzfristigen Zeithorizont, was mit den nötigen langfristigen Transformationsprozessen in Konflikt gerät.“ Ziel sei deshalb gewesen, aus dem Klimawandel erwachsende materielle finanzielle Risiken, etwa in Form von gestrandeten Vermögenswerten, adäquat abzubilden.

Auch aktuell schon treuhänderische Pflichten

Angesichts der ausufernden Debatte um den EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance mag man vermuten, dass dieser erstmals rechtliche Pflichten zur Beachtung von ESG gesetzlich verankert. Dies ist mitnichten der Fall. „Klimarisiken haben Implikationen für Rendite und Risiko und sind somit Teil der treuhänderischen Pflichten“, stellt Nathan Fabian, Chief Responsible Officer bei der Investoreninitiative PRI, klar. „Ein vorausschauender Investor muss dann Klimarisiken berücksichtigen, wenn er einen Anlagehorizont von mehr als zehn Jahren hat, weil heute schon klar ist, dass der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf die verschiedenen Branchen wie Energie, Immobilien, Infrastruktur und Landwirtschaft hat“, sagt auch Silke Stremlau, Vorstand für Kapitalanlage bei den Hannoverschen Kassen. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Rechtsgutachten, welches die Klima-Allianz Schweiz in Auftrag gegeben hat. Schweizer Pensionskassen, weder von EU-Aktionsplan noch von der Ebav-II-Richtlinie direkt betroffen, haben demnach die rechtliche Pflicht, materielle Klimarisiken – also Risiken mit finanziellem Einfluss auf das Anlageergebnis – „genauso wie alle anderen relevanten Anlagerisiken und -chancen mitzuberücksichtigen.“ In einem Rechtsvergleich mit Deutschland stellt das Gutachten fest, dass „unter deutschem Recht dieselben Prinzipien wie im schweizerischen Recht“ gelten, dass nämlich relevante Anlagerisiken „im Rahmen der Sorgfaltspflicht identifiziert und entsprechend berücksichtigt werden“ müssen. Dies sieht auch der GDV so. In einer Stellungnahme zu einer Konsultation der europäischen Kommission schreibt der Verband, dass nach seiner Einschätzung „treuhänderische Pflichten die Versicherer bereits heute verpflichten, ESG-Aspekte und langfristige Nachhaltigkeit in ihrem Anlage- und Risikomanagementprozess zu berücksichtigen, wenn diese Aspekte als finanziell wesentlich erachtet werden.“ Laut Tim Ockenga, Leiter Kapitalanlagen beim GDV, sind hier auch regulatorische Änderungen zu beachten: „Statt die Anlagegrundsätze für jedes einzelne Investment zu überprüfen wie noch bei Solvency I, muss man dies nach Solvency II jetzt für den Portfoliokontext tun. Daraus ergibt sich eine andere Einschätzung von nachhaltigen Investments, beispielsweise bezüglich Green Bonds, für die ein Preisaufschlag zu entrichten ist.“

Die rechtliche Lage scheint also – Materialität der Risiken vorausgesetzt – klar. „Es ist mittlerweile von der Mehrheit unbestritten, dass die Integration materiell wichtiger ESG-Kriterien im Investmentprozess treuhänderische Pflicht ist“, so Axel Hesse von der SD-M GmbH. „Allerdings ist dies weiterhin nur implizit im magischen Dreieck enthalten und noch nicht explizit, wie ursprünglich geplant.“ Der regulatorische Prozess schreitet jedoch voran. So hat die Eiopa im Juni eine Konsultation zur Integration von ESG in Solvency II gestartet. Im Rahmen von Paragraf 234c VAG bestehe zudem jetzt schon eine Pflicht, materielle ESG-Risiken im Risikomanagement zu berücksichtigen. Dementsprechend stimmen die gesammelten Einschätzungen überein, dass es sich bei den im Rahmen des EU-Aktionsplan vorgesehenen Maßnahmen zu den treuhänderischen Pflichten lediglich um Klarstellungen – und mitnichten Erweiterungen der Pflichten – handelt. Diese seien aber durchaus notwendig, so Fabian, denn: „Die Märkte werden dies nicht von alleine akzeptieren.“ Auch Schmidt stimmt dem zu: „Es war von Anfang an eine elementare Empfehlung, die Berücksichtigung von materiellen Risiken als Teil der treuhänderischen Pflichten klarzustellen. Denn es gibt eben auch noch die alte Schule, welche zum Teil die Position vertreten hat, dass die Berücksichtigung von ESG den treuhänderischen Pflichten sogar widerspreche.“ Dies zeigt auch die aktuelle Nachhaltigkeitsstudie von Union Investment. Demnach haben nur 39 Prozent der befragten institutionellen Investoren Informationen über die Klimawirkung des eigenen Portfolios. Die Befragten, die keine Nachhaltigkeitskriterien anwenden, begründen dies vor allem mit fehlenden Vorgaben in den Anlagerichtlinien (57 Prozent der Untergruppe). Eine Klarstellung der rechtlichen Lage, um alle tatsächlichen und vorgeschobenen rechtlichen Zweifel zu beseitigen, ist deshalb zu begrüßen.

Subventionen und CO₂-Steuern

„Es ist zu erwarten, dass Klimarisiken künftig bepreist werden“, so Anja Mikus, CEO von Kenfo, dem von der Bundesregierung -eingesetzten Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung. „Von daher wird der performance-orientierte Investor derartige Risiken systematisch reduzieren.“ Dass Klimarisiken materiell sind und wie stark Renditen und Risiken schon aktuell mit klimapolitischen Entscheidungen zusammenhängen, verdeutlichen einige Zahlen, welche das globale Netzwerk Ren21 kürzlich veröffentlicht hat. Demnach wurde der Verbrauch fossiler Brennstoffe 2017 mit weltweit 300 Milliarden Dollar subventioniert, ein Anstieg um elf Prozent gegenüber 2016. Gleichzeitig waren erst 13 Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes von Maßnahmen zur CO₂-Preisgestaltung wie CO₂-Steuern oder Emissionszertifikaten betroffen. Hier besteht also ein gewaltiges Potenzial zur politischen Rahmensetzung. Zudem sind schon heute Erneuerbare Energien in einigen Regionen gegenüber fossilen Energien auch ohne Subventionen konkurrenzfähig. Sollten die Subventionen für fossile Brennstoffe in großem Maße abgeschafft werden und gleichzeitig CO₂-Steuern vermehrt und mit höheren Sätzen erhoben werden, dürften sich die Renditen von Mineralöl- und Kohleproduzenten in Luft auflösen. Auch deshalb investieren einige der großen Energieproduzenten massiv in Erneuerbare und Energiespeichertechnologien. Die Hoffnung, dass damit jedoch der Wandel ohne weitere Anstrengungen vollzogen werden kann, trügt: Eine Studie der Transition Path Initiative, ein Zusammenschluss von institutionellen Investoren und Asset Managern zur Evaluierung der Treibhausgasemissionen von Portfoliounternehmen, findet ernüchternde Ergebnisse bezüglich der Bemühungen der größten Emittenten, ihr Geschäftsmodell mit den Pariser Klimazielen in Einklang zu bringen. Demnach sind nur 12,5 Prozent der 274 größten Emittenten gemessen an den derzeitigen und geplanten Treibhausgasemissionen auf einem Zwei-Grad-Pfad. Die allmähliche Transition, welche aus Sicht von Investoren und mit dem Ziel von Finanzstabilität wünschenswert wäre, scheint weitgehend auszubleiben.

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