Asset Manager
9. Dezember 2024

Investieren im Rest der Welt

Von der geldpolitischen Lockerung der Fed profitieren Schwellenländeranleihen; insbesondere Frontier Markets stehen aktuell im Fokus der Investoren. Die Reformbereitschaft vieler Staaten ist gewachsen, ebenso deren Wirtschaft.

Die Anleihenmärkte der Schwellenländer sind vielfältig und die Fundamentaldaten vieler Länder haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, auch gerade bei der Staatsverschuldung. So sei der Verschuldungsgrad bei Schwellenländern im Schnitt zurzeit deutlich niedriger als der der Developed Markets, weiß beispielsweise Romain Bordenave, Lead Portfoliomanager des Edmond de Rothschild Fund Emerging Sovereign: „Der Grad der Verschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt in den Emerging Markets derzeit etwa 60 Prozent, während er in den entwickelten Märkten im Schnitt bei 115 Prozent des BIP liegt.“

Auch die derzeitige Zinssenkungspolitik der US-amerikanischen Notenbank hilft Schwellenländern. Wie die Situation allerdings unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump aussehen wird, lässt sich schwer vorhersagen. So schreibt zum Beispiel Michaël Vander Elst, Fondsmanager für Schwellenländeranleihen bei Degroof Petercam Asset Management, DPAM, eine höhere US-Inflation (angetrieben durch die von Trump angekündigten Zölle) könnte die Geldpolitik in den USA beeinflussen. Zudem könnte eine aggressivere Fed den Dollar stärken und den Währungen der Schwellenländer Gegenwind bescheren. Dennoch wirbt Vander Elst für Schwellenländeranleihen als eine „überzeugende Asset-Klasse. Das Wachstumsgefälle zwischen Industrie- und Schwellenländern bleibt günstig“.

Derzeit überwiegen die positiven Wirkungen der geldpolitischen Lockerung der Fed. Insbesondere für Kolumbien, Brasilien und auch für Indonesien sind die jüngsten Zinssenkungen der Fed ein gutes Signal, glaubt Brett Diment, Head of Global Emerging Markets Debt bei Abrdn Investments. „Anleihe-Emissionen in Hartwährung sowohl bei Staatsanleihen als auch auf der Corporate-Seite sind damit für Emittenten günstiger zu finanzieren. Und durch die vergleichsweise hohen Realzinsen in diesen Ländern gewinnen Anleihen in Lokalwährung für Investoren weiter an Attraktivität.“ Lateinamerika ist nach Einschätzung von Brett Diment hier ein regionales Beispiel. „In Lateinamerika sind wir derzeit in Lokalwährung übergewichtet. Uns gefällt Brasilien, weil es schon seit einiger Zeit relativ hohe Realzinsen hat“, so Diment. Die brasilianische Zentralbank setzte ihren Leitzins im Oktober um 0,25 Prozent auf 10,75 Prozent hoch. Die Inflation liegt über die vergangenen zwölf Monate bei 4,42 Prozent.

Speziell für Corporate Bonds in Hartwährung sieht Diment in mehreren Ländern Chancen. „In Brasilien ist der Öl- und Gasgigant Petrobras unserer Betrachtung nach eigentlich Investment Grade, wenn man den Konzern mit US-High-Yield-Unternehmen vergleicht“, so Diment. Petrobras sei hier einzig durch das (schlechtere) Länder-Rating für Brasilien von BB auf den High-Yield-Status beschränkt, was auf dessen Bewertung durchschlägt. „Wir nennen das den Sovereign-Ceiling-Effekt, also quasi eine gläserne Decke für Corporates aus vielen Schwellenländern.“ Ein anderes Beispiel hierfür sei die Türkei, wo es ebenfalls viele gut geführte Unternehmen gebe, deren Rating aber ebenfalls durch ein schlechteres Länder-Rating (von B+) beschränkt würden. All das seien Chancen für Emerging-Market-Investoren.

Zum Hintergrund: In der für Hartwährung bewährten Benchmark für Schwellenländer-Unternehmensanleihen, dem JP Morgan Corporate Emerging Market Bond Index (Cembi) mit seinen Sub-Indizes, sind Unternehmen mit einem Rating von AA zu fünf Prozent und mit einem Rating von A zu etwa 20 Prozent und einem BBB-Rating zu etwas über 30 Prozent vertreten. Der Rest, also rund 45 Prozent der Emittenten, ist High Yield. Der Index setzt sich zusammen aus Unternehmensanleihen in US-Hartwährung aus über 50 Staaten weltweit.

Vielfältiges Spektrum

Abrdn Investments‘ Besonderheit ist, dass die Portfoliomanager auch viel in die Frontier Markets investieren. „Wir halten etwa eine Milliarde US-Dollar in Frontier-Market-Anleihen: Das sind zum Beispiel Staaten wie Sambia, Ägypten, Ghana oder Pakistan. Unsere Auswahl erfolgt Bottom-up-getrieben und fundamental begründet. Wir investieren zudem auch in Restrukturierungen, der Anteil im Portfolio begrenzt sich jedoch auf zwei bis drei Prozent“, erläutert Brett Diment.

Bei Staatsanleihen lohnt ein Blick auf die Welt abseits der großen Wirtschaftsnationen. Insbesondere die Frontier Markets trügen derzeit wesentlich zur Outperformance bei, so Romain Bordenave von Edmond de Rothschild Asset Management. „Staaten aus Afrika und Osteuropa erzielen Renditen von aktuell durchschnittlich sechs bis zehn Prozent oder mehr.“

Niedrige Ausfallraten sprechen für Emerging Markets

So investiert der Portfoliomanager gerne in Staatsanleihen von der Türkei, Nigeria oder Benin: „Türkeis Regierung hat den Willen für Reformen deutlich gemacht und eine starke Beziehung zur EU/USA. Nigeria hat die Subventionierung der Ölförderung beendet und Wirtschaftsreformen angestoßen. Benin profitiert von einem starken Nachbarland Nigeria, der Tourismus im Land hat zugenommen, das Land hat seine Verschuldung im Griff und wächst in diesem Jahr um 6,5 Prozent“, begründet Bordenave seine Wahl. Ein weiteres Argument Bordenaves: Ausfallraten lägen in diesem Jahr im Bereich der Staatsanleihen bei null Prozent, im Bereich der Corporates bewege man sich mit 2,5 Prozent auf gleichem Niveau wie bei Corporates auf den entwickelten Märkten.

Auch bei Federated Hermes blickt man positiv auf Staatsanleihen der sogenannten Grenzmärkte. „Momentan sind Frontier- und Distressed-Länder aufgrund ihrer Bewertungen und der gesteigerten Aufmerksamkeit internationaler Kreditgeber attraktiv“, sagt Jason DeVito, Senior-Portfoliomanager für Emerging Market Debt bei Federated Hermes. Dabei gehe es nicht nur um die finanzielle Unterstützung von Ländern wie Argentinien, Ecuador, Nigeria, El Salvador, Angola und Ägypten, sondern auch um gezielte Beratung und den Austausch von Know-how. „Diese Länder bieten vielversprechende Renditechancen, da sie Reformen im Fiskalbereich und in der Regierungsführung vorantreiben und so internationale Investoren anziehen“, weiß der Portfoliomanager.

Finanzielle und geopolitische Risiken sieht DeVito in bestimmten Wirtschaftssektoren. „Im Chemie- und Stahlsektor – insbesondere in China – gibt es ein Überangebot, was durch staatliche Vorgaben bedingt ist, obwohl die Marktpreise unter den Produktionskosten liegen. Dadurch könnten einige Industriesektoren anfälliger sein.“ Eine Eskalation im Nahen Osten könne ebenfalls geopolitische Risiken erhöhen, „aber wir gehen davon aus, dass sich die Spannungen in den kommenden zwölf Monaten eher beruhigen“, so DeVito. Die globale Ausfallrate liege bisher unter zwei Prozent. Wie stark wird sie von China beeinflusst? „Wir sehen keine bedeutenden Veränderungen in Chinas Wachstum oder Politik, die die globalen Ausfallraten stark beeinflussen würden“, sagt DeVito von Federated Hermes.

Kaum Interesse an China

Von den asiatischen Ländern ist China bei deutschen Großanlegern derzeit wenig gefragt: „In den vergangenen drei Jahren haben wir nur ein sehr schwaches Interesse bei institutionellen Investoren aus Deutschland am chinesischen Anleihenmarkt wahrgenommen“, konstatiert Jan Görner, Head of Institutional Sales bei der Abrdn Investments Deutschland AG. Wenn überhaupt nachgefragt, so handele es sich bei Käufen am chinesischen Bondmarkt „höchstens um Satelliten-Investments mit einem Volumen von zehn bis 20 Millionen Euro“, so Görner. Und sein Kollege Brett Diment erklärt, andere asiatische Märkte erschienen im Augenblick von den Bewertungen her nicht attraktiv: „Investment-Grade-Anleihen sind, vor allem in Südkorea oder Singapur, zuletzt teuer geworden.“

Goldman Sachs Asset Management zufolge umfasst der Markt für asiatische Schwellenländeranleihen in Hartwährung etwas über einer Billion US-Dollar. In Ländern wie China, Taiwan, Korea oder Thailand seien die heimischen Banken in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, sehr viel mehr Kredite an Unternehmen zu vergeben. Infolgedessen sei der auf US-Dollar lautende Anleihenmarkt geschrumpft, weiß Salman Niaz, Head of Asian Fixed Income und Lead Portfolio Manager für die Asian-Bond-Strategien bei Goldman Sachs Asset Management. Umgerechnet umfasse der asiatische Lokalwährungsmarkt etwa 25 Billionen US-Dollar.

Asien: HY-Renditen von fast 14 Prozent

Chinesische Hartwährungs-Anleihen stellten bislang etwa 40 Prozent des asiatischen Schwellenländer-Anleihenmarkts in US-Dollar. Das habe sich inzwischen jedoch geändert. Salman Niaz erklärt in diesem Kontext, dass sich die Struktur des Marktes für Hartwährungsanleihen, besonders bei High Yield, im Zuge der Corona-Pandemie und der chinesischen Immobilienkrise, in deren Folge es erhebliche Ausfälle gab, stark gewandelt habe. Der Anteil chinesischer Emittenten, die zuvor über 50 Prozent des asiatischen High-Yield-Marktes ausmachten, sei inzwischen geschrumpft. Heute seien es indische Unternehmen, die die größten Emittenten im asiatischen High-Yield-Markt darstellten. Dabei handele es sich vor allem um Erzeuger Erneuerbarer Energien.

Die Spreads für asiatisches High Yield liegen Salman Niaz zufolge 422 Basispunkte (JP Morgan JACI HY Corp) über US-Staatsanleihen. „Am asiatischen Markt für Investment-Grade-Staatsanleihen ist etwa ein Prozent mehr als für US-Treasuries zu erzielen“, so der Fachmann. Große Chancen sieht Niaz bei asiatischen Corporate Bonds und hier speziell bei Unternehmen aus dem High-Yield-Segment. „Für Investment Grade Corporates haben wir eine Rendite von rund 5,89 Prozent erzielt (JP Morgan JACI IG Corp Rendite seit Jahresbeginn), und im High-Yield-Segment liegt die Rendite seit Jahresbeginn sogar bei bis zu 13,99 Prozent“ (JP Morgan JACI HY Corp; die Angaben beziehen sich auf den Stand vom 18. Oktober 2024). Das Segment gehöre zu den am besten performenden im gesamten Fixed-Income-Markt.

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bieten Orientierung

Es bleibt festzuhalten: Die sogenannten Emerging Markets sind ein vielfältiges Anlagefeld mit unterschiedlichsten Entwicklungen in den verschiedenen Weltregionen. Sie machen Fortschritte bei wirtschaftspolitischen Reformen. Zugleich ist ihre Verschuldung, relativ zur Wirtschaftsleistung vieler Staaten, gesunken. Außerdem ist die Mehrheit aller Länder immer noch demokratisch geführt. Jason DeVito von Federated Hermes schreibt uns hierzu auf Nachfrage: „Demokratie und staatliche Kontrollmechanismen sind wichtige Faktoren für die Stabilität von Staaten. Länder, die sich in diesen Bereichen verbessern und eine starke Rechtsstaatlichkeit aufbauen, bieten oft höhere Renditechancen.“ Kriterien, wie die Gewaltenteilung und ein unabhängiges Justizsystem ermöglichten es, Staaten zu identifizieren, in denen keine einzelne Person die Politik dominieren könne.

Märkte brauchen eben auch starke staatliche Institutionen. Für Anleger könnte dies ein Kompass sein, nach dem sie ihre Anlagepolitik in der kommenden Zeit ausrichten und auf den Märkten im Rest der Welt navigieren können.

Und noch ein Gedanke zum Abschluss: Macht es überhaupt Sinn, den „Rest der Welt“ noch unter dem Begriff der aufstrebenden Märkte zu subsummieren? Den Begriff der Emerging Markets hält auch Diment von Abrdn Investments mittlerweile für zu kurz gegriffen. „Das Anlagespektrum ist so vielfältig und unterschiedlich, je nach Weltregion und Land. Neutraler wäre es zu sagen, es handelt sich um Non-US- und Non-Europe-Investments“, erklärt Schwellenländer-Spezialist Brett Diment.

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