INTERVIEW: Kapitalanlage on-balance
Corporates, die bewusst Financial Assets auf der Bilanz (on-balance) halten und nach den IFRS berichten, weisen die Ergebnisse der Finanzanlagen offen aus. Um die Volatilität der Kapitalmärkte auf das Bilanzergebnis zu glätten, legt der High-Tech-Zulieferer ZF einen Schwerpunkt auf Absolute-Return-Strategien.
Herr Schorr, was hat Sie seit Ihrem Start bei ZF im Jahr 2008 am meisten überrascht?
Eigentlich sollten eine solide Ausbildung und eine langjährige Erfahrung einen Schutz vor Überraschungen bieten. Da scheint bei mir wohl was schiefgelaufen zu sein. Ich muss zugeben, dass ich einige der Gegebenheiten so nicht erwartet hatte.
Die Lehman-Pleite in meinem ersten ZF-Jahr ist da ganz oben zu nennen. Gerade vor dem Hintergrund eines Dominoeffekts und der daraus resultierenden Marktunsicherheit hätte ich seinerzeit mit einer Fusion oder Verstaatlichung gerechnet. Aber damals wollte die Politik offensichtlich nicht einspringen. Dies hat mich am meisten überrascht. Aber auch ein Bund-Future von 146 war mir neu. Anfang der 90er Jahre hätte ich ebenfalls nicht geglaubt, dass wir uns über eine Transferunion auf Ebene der Nationalstaaten unterhalten. Wenig erfreulich waren zudem einige Entwicklungen im Bankensektor. Der Liborskandal ist da nur ein Negativbeispiel. Dass Korrelationen mittlerweile schon fast regelmäßig in Stressphasen zusammenlaufen, macht uns das Leben ebenfalls nicht wirklich einfacher.
_Hoffentlich gab es für Sie auch positive Überraschungen.
Heutzutage besteht sowohl bei Laien als auch bei Entscheidungsträgern viel mehr Realitätssinn beispielsweise für Renditeerwartungen. Dies erleichtert die Arbeit enorm. Auch wurde anerkannt, dass politische Risiken nicht nur in den Schwellenländern vorherrschen und damit Prognosen auf Jahresbasis noch schwieriger werden. Die Anleger beschäftigen sich gleichfalls deutlich intensiver mit Fondsstrategien und deren Grenzen. Consultants arbeiten noch professioneller, und auf Anbieterseite sind die Ertragsaussichten deutlich realistischer geworden. Auch das alte Hausbankprinzip ist für den Anlagebereich quasi verschwunden. Im Gegenteil: Exoten von Boutiquen oder freie Wissenschaftler werden in diesen Tagen von Anlageausschüssen herzlich begrüßt und nicht als Querulanten abgewiesen. Das Bild der Börse als einzig vollkommener Markt ist genauso passé wie „This-time-is-different-Einschätzungen“. Auf Seiten der Portfoliomanager ist seit der Subprime-Krise zudem die Bereitschaft erkennbar, die Gebühren spürbar zu senken.
Am besten ist jedoch das nochmals ausgeweitete Anlageuniversum. Zwar hat die Eurokrise einige Türen schließen lassen, aber die Welt ist noch voll von Investmentmöglichkeiten, und es kommen ständig neue hinzu.
_Können Sie hier konkrete Beispiele nennen?
Unser jüngstes Auswahlverfahren betraf beispielsweise asiatische Bonds, genau gesagt Dim-Sum-Bonds. Der Markt bietet an sich schon einige sehr interessante Merkmale mit Blick auf Laufzeiten, Bonitäten und Perspektiven sowie eine mit unserem operativen Geschäft deckungsgleiche Währungsstrategie.
Wir sind bei solchen Themen wahrscheinlich nicht die Ersten im Markt. Große Positionen haben wir überdies nicht genommen. Aber wenn man nicht zu spät einsteigt, bieten selbst kleinere Tickets ein schönes Diversifikationspotenzial. Diesbezüglich stellte Timber für uns ein weiteres Beispiel dar.
Dies bedeutet nicht, dass wir der Eurozone bei Staatsanleihen ganz den Rücken gekehrt haben. Doch sowohl bei den Direktanlagen als auch bei externen Mandaten sind deren Anlagequoten signifikant gesunken. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigten bis dato, dass dies durchaus berechtigt war. Auf der anderen Seite gibt es jedoch genauso neue Angebote, wie beispielsweise Infrastruktur- oder Solarfonds, welche wir abgelehnt haben.
_Welche Rahmenbedingungen müssen Sie bei der Kapitalanlage berücksichtigen? Was macht die Kapitalanlage eines in der Antriebs- und Fahrwerktechnik weltweit führenden Automobil-Zulieferkonzerns speziell?
Die Rahmenbedingungen sind der Bilanzierungsstandard IFRS und natürlich die regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland. Alle übrigen Bedingungen, wie Risikobudgets, Transparenz-, Liquiditäts- oder Mindestanforderungen an Prozesse und Manager, werden vom Anlageausschuss festgelegt. Dieser Rahmen ist in erster Linie durch das operative und zyklische Geschäft als Automobilzulieferer geprägt. Es versteht sich von selbst, dass die Finanzanlagen die Volatilität des operativen Geschäfts nicht noch hebeln dürfen. Ansonsten wäre für ZF die Refinanzierung enorm erschwert. Von daher beschränken wir uns im Anlageausschuss selbst, indem wir uns einen gewissen Rahmen vorgeben.
Darum ist unser jährlich neu festgelegtes Draw-down-Budget relativ gering und an der Performance des Vorjahres ausgerichtet. Auch bei den systemischen Risiken haben wir uns selbst beschränkt. Um gegen diese zumindest teilweise gewappnet zu sein, wurden unsererseits dosiert Real Assets eingekauft. Solche sind auf der Ertragsseite zwar in der Regel nicht so spannend, bieten dafür andere interessante Eigenschaften, wie Stabilität, Transparenz oder Mitspracherechte bei Investitionsentscheidungen.
Das Spezielle an ZF ist möglicherweise die dezentrale Struktur. Nichtsdestotrotz hat sich der Finanzbereich für eine klar zentrale Konzernstruktur entschieden. Diese bringt unter Berücksichtigung vieler Faktoren merkliche Vorteile: Widersprüchliche Exposures werden vermieden, die Transparenz steigt, Doppelarbeiten gibt es nicht mehr, Skaleneffekte werden gehoben und der Aufbau von Spezialwissen lohnt sich. Von daher kümmere ich mich auch gerne um die grenzüberschreitenden Kapitalanlagen. Jüngstes Beispiel sind hier die Pension Assets in UK. Dies ist zwar strukturell etwas aufwendig, aber bei den dort traditionell hohen Volatilitäten lohnt sich der Aufwand, und zwar nicht nur für die dortigen Anwartschaftsberechtigten, sondern in demselben Maße auch für die Sponsoring Company und die Konzernmutter.
Eine weitere Besonderheit ist die schon genannte IFRS-Bilanzierung der Financial Assets, weil man als IFRS-Investor Verluste nicht aussitzen beziehungsweise mit stillen Reserven kompensieren kann. Das ist mitnichten ein Vorwurf an die Standards. Im Gegenteil! Diese erhöhen gemeinhin die Transparenz, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens, und das ist gut so. Für mich ist im Asset Management Transparenz das Wichtigste.
_Inwieweit verhelfen Ihnen Spezialfonds zur Transparenz?
Grundsätzlich natürlich schon, aber wir vergeben keine besonders großen Mandate, weil die Abhängigkeit der Gesamt-Performance von einem Manager nicht zu groß sein sollte. Selbst wenn ein Spezialfonds vom Volumen her möglich wäre, bezweifle ich, dass die Spezialfondsmanager unseren Anforderungen die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden lassen wie den Mandaten ihrer wirklich großvolumigen Kundschaft.
Alternativ investieren wir gemeinhin in institutionelle Anlageklassen von Publikumsfonds. Um dennoch die Positionen zu kennen, muss dafür in der Tat die Berichterstattung intensiviert werden. Diese Variante hat dafür einen anderen bedeutenden Vorteil: Für den Fall, dass uns der Portfoliomanager zu sportlich unterwegs ist oder es andere Probleme gibt, fällt der Ausstieg mit Blick auf Transaktionskosten und Zeitfaktor deutlich leichter.
_Hat denn die Zugehörigkeit zu einem High-Tech-Zulieferer auch Vorteile? ZF ist ja zum Beispiel in den Zukunftsmärkten Elektromobilität und Windenergie aktiv.
Dieses Know-how nutze ich auch. Vorteile gibt es aber nicht nur hier, sondern beispielsweise auch im Immobilienbereich. Hier profitiere ich ebenfalls vom Fachwissen der Kollegen aus dem Bereich der Betriebs- und Immobilienanlagen. Außerdem bekommt man konjunkturelle Veränderungen durch unseren eigenen Geschäftsverlauf teilweise schneller als über manche Frühwarnindikatoren mit.
_Gemäß der jüngsten Absolute-Return-Studie von Lupus alpha erreichten auf Sicht von drei Jahren lediglich 40 Prozent der untersuchten Absolute-Return-Fonds eine positive Sharpe Ratio. Halten Sie Absolute-Return-Strategien dennoch für sinnvoll, und wenn ja, wie geht Absolute Return richtig?
Ja, Absolute Return ist für uns ein sinnvoller Bestandteil im Hinblick auf die gestiegenen Volatilitäten während der vergangenen Jahre. Allerdings habe ich kein Patentrezept für hohe und stabile Erträge. Dennoch denke ich, dass wir einen für unser Unternehmen geeigneten Prozess implementiert haben, der in der Mehrheit der Fälle für die gewünschten Resultate sorgt.
Am Anfang dieses Prozesses steht die Zieldefinition. Dieser erste Schritt ist meiner Einschätzung nach der wichtigste, weil sich unter dem Stichwort „Absolute Return“ viele unterschiedliche Fondsstrategien befinden. Hier ist für uns die Frage zentral, ob man Direktionalität wirklich vollständig ausschließen will. Erschwerend kommen zwei Aspekte hinzu: Anders als häufig gerne von Anbieterseite beworben, wollen diese ihre Pure-Alpha-Strategien gar nicht vollständig offenlegen. Außerdem können sich auch Positionierungen so schnell ändern, dass es mir nicht möglich ist, einfache Sensitivitätsszenarien durchzurechnen.
Natürlich gehört zur Selektion von Absolute-Return-Fonds auch ein solider Marktüberblick sowie die quantitative und qualitative Due Diligence. Eine wichtige Nebenbedingung in der Due Diligence ist für uns übrigens das Thema Nachhaltigkeit.
Wir erachten es als wichtig, dem Verständnis des Portfoliomanagers folgen zu können und dass sich daraus kein Dissens ergibt. Eher zum Ende des Selektionsprozesses kommunizieren wir unsere Reporting-Anforderungen und erörtern die Entgeltausgestaltung.
_Gibt es ZF-spezifische Nebenbedingungen, die in die Selektion von Absolute-Return-Fonds einfließen?
ZF hat in der Tat wichtige Nebenbedingungen. Darunter fallen insbesondere die bereits genannte Bilanzierung nach den IFRS oder der Umstand, dass für uns Steueroptimierungsstrategien grundsätzlich kein Thema sind.
Da wir bereits über eine gewisse Portfoliobreite verfügen, muss jeder Absolute-Return-Fonds die geforderte Komplementäreigenschaft vorweisen. Man liest in den Questionnaires als Anleger zwar, dass die Absolute-Return-Anbieter damit werben, doch ist zur Beweisführung das Backtesting mit dem eigenen Portfolio erforderlich.
_Wären Benchmark-Fonds nicht weniger anspruchsvoll?
Ja. Die Unterschiede zu Auswahlverfahren mit Benchmark-Fonds ergeben sich aus der bereits angedeuteten Breite des Begriffs „Absolute Return“: Die Komplexität ist größer, das Risikoprofil diffuser, das Monitoring aufwendiger, und am Ende wollen viele Fondsmanager auch noch gerne deutlich höhere Gebühren durchsetzen.
Manchmal muss ich mir dann trotz des Aufwandes eingestehen, falsch gelegen zu haben. Auch sollte man sich im Hinblick auf diesen relativ aufwendigen Gesamtprozess insgesamt die Frage stellen, ob je nach Fall simple Buy-and-Hold-Ansätze nicht geeigneter sind.
_Nach der Selektion ist vor dem Monitoring.
Stimmt. Eigentlich endet der Prozess nicht wirklich, weil das echte Monitoring ja erst nach der Mandatierung erfolgt. Hier zeigt sich dann, ob unser Strategieverständnis mit dem des Managers deckungsgleich war.
Ein Blick auf diverse Marktdaten sollte mir genügend Aufschlüsse über die aktuelle Performance eines Managers geben. Wenn dann aber zu der tatsächlichen Performance Abweichungen bestehen, ist dies sehr problematisch. Dies bedeutet entweder, dass unser Strategieverständnis ein anderes war, oder, dass der Portfoliomanager plötzlich einen anderen Stil fährt. Außerdem benötigen wir alle Daten zum monatlichen IFRS- und internen Reporting sehr zeitnah.
_Sollte ein bilanzsensitiver Investor nicht zusätzlich zu seinem Absolute-Return-Ziel auf Fondsebene dieses Ziel auch über ein Overlay auf der Gesamtportfolioebene anstreben?
Es gibt gute Gründe, die für ein Overlay-Konzept sprechen. Zumindest derzeit ist für uns ein Overlay aber kein Thema.
Dafür gibt es drei Hauptgründe: Erstens hat bereits jedes unserer Einzelinvestments einen Risikorahmen. Dieser wird entweder von uns festgesetzt, oder der Portfoliomanager hat sich diesen selbst gegeben. Der Risikorahmen entsteht durch die Parametrisierung von Kennzahlen, Kriterien und Strategien, und sorgt für die Sicherstellung der Risikogrenze auf Gesamtfondsebene.
Der zweite Punkt ist, dass unsere Einzelinvestments nicht wirklich effizient und/oder kostengünstig hedgebar sind. Dies liegt einerseits an der Aktivität unserer Portfoliomanager, weil diese nicht selten auch die Investitionsquote aussteuern dürfen und sollen. Andererseits ist es den von uns gewählten Investmentklassen geschuldet, weil es für einige gar kein Hedge-Instrument gibt. Wenn wir also ein Overlay implementieren möchten, müsste ich mich vom Gros unserer Fonds beziehungsweise Anlageklassen trennen. Dies wäre bedauerlich.
Der dritte Punkt ist die geforderte Komplementäreigenschaft der Anlagen untereinander, welche bis dato überwiegend gegeben war. Bei Overlay-Konzepten diskutiert man regelmäßig auch weitere Einschränkungen in der Anlagepolitik. Allerdings sehe ich zusätzliche Vorgaben neben Benchmarks für die Return- und Risikobetrachtung sowie die üblichen Liquiditäts- und Bonitätsrahmen für Portfoliomanager kritisch. Gute Asset Manager sollte man ihrer Stärken nicht berauben.
_Als Leiter der Vermögensverwaltung für den ZF-Konzern müssen Sie den unterschiedlichen Anlegerprofilen von Finanz-, Pensions- und Stiftungsanlagen gerecht werden. Wäre es da nicht hilfreich, wenn Ihre Masterfonds als Feeder-Fonds aufgestellt wären, also Asset-Klassen und die einzelnen Mandate individuell dosieren?
Eine Feeder-Struktur wird in der Tat derzeit gerade evaluiert. Allerdings ist es noch keineswegs ausgemacht, diese umzusetzen. Zum einen weil sich ZF erst jüngst eine neue Konzernstruktur gegeben hat und diese reduzierend auf die Anzahl unserer Masterfonds wirkt.
Zum anderen gilt es, den Aufwand an anderer Stelle nicht steigen zu lassen. Dies betrifft nicht nur die direkten Kosten, sondern auch die internen Aufwendungen. Gerade aufgrund unserer IFRS-Bilanzierung könnten hier zusätzliche interne Buchungstätigkeiten oder -abstimmungen die Folgen sein, und diese wollen wir vermeiden.
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