Versicherungen
8. Januar 2014

Interview: Club-Deals statt Hedgefonds

Wenn die Erwartungen der Barmenia tatsächlich eintreffen, dann steigen die Zinsen über die nächsten Jahre hinweg langsam an. Um die für Versicherer so wichtige Nettoverzinsung in der Gegenwart sicherzustellen, setzen die mit zehn Milliarden Euro hantierenden Wuppertaler neben Pfandbriefen auf Corporate Bonds und Hypothekendarlehen.

Herr Dr. Buchhart, Sie fungieren seit Juli 2012 als Hauptabteilungsleiter ­Kapitalanlagen bei der Barmenia. Seit Ihrem Amtsantritt dürften Sie die Asset-Struktur und auch die Passiva ­intensiv analysiert haben. Konnten Sie ­denn Aspekte identifizieren, die in den Kapital­anlagen des Universalversicherers überdacht werden müssen?
Ich habe die Zeit ­intensiv genutzt, um die Kapitalanlagen zu ­analysieren. Vor meinem Amtsantritt habe ich mir das Unternehmen angesehen, bevor ich mich zum Wechsel zur Barmenia nach Wuppertal entschieden habe. In dem Zusammenhang habe ich mir beispielsweise­ ­Geschäftsberichte meines jetzigen­ Arbeits­gebers angeschaut. Aber natürlich,­ die Kapital­anlagepositionen habe ich nach der Über­nahme des Postens im ­Detail angeschaut und kritisch hinterfragt.

Haben Sie Veränderungen angestoßen?
Ja, meine Kollegen und ich haben beispielsweise in diesem Jahr einige Aspekte umgesetzt, bei denen ich Veränderungs­bedarf identifiziert habe. Allerdings muss ich bekennen, dass die Kapitalanlagen bei meinem Amtsantritt sehr gut aufgestellt waren. Insofern war kein großer strategischer Wechsel erforderlich.
 Aber mit Ihrer Frage treffen Sie einen zentralen Punkt. Jeder Investor und Verantwortliche in der Kapitalanlage hat die ein oder andere persönliche Präferenz, die er letztlich auch umsetzen möchte. Das ist bei mir nicht anders. Grundsätzlich und allgemein ge­sprochen sollte man aber die eigene Arbeit und die gesteckten Ziele regelmäßig überdenken, ob man nun neu an Bord kommt oder einen Posten seit Jahren innehat. Das Hinterfragen getroffener Entscheidungen ­gehörte bei der Barmenia schon immer zur Unternehmenskultur und wurde und wird hier auch so gelebt.

Was haben Sie konkret geändert?

Wir haben beispielsweise unsere Fondslandschaft neu konzipiert und die Bestände auf eine Masterfondskonstruktion umgestellt. Ursprünglich waren wir in sehr vielen verschiedenen Fonds investiert. Heute haben wir nur noch einen Spezialfonds außerhalb des Masterfonds.

Ist der Masterfonds spartenübergreifend ­konzipiert?
Ja, so ist es.

Was haben Sie damit bezweckt? Ein besseres Risiko-Reporting?
Ja, unter anderem. An erster Stelle ­möchte ich aber den Aspekt „Risikoausgleich“ ­nennen. Als Investor versuchen wir, Risiken ­unterschiedlicher Segmente, unterschied­licher Sektoren innerhalb des Masterfonds von der Risikoseite her über negative Kor­re­lationen auszugleichen. Damit wollen wir als HGB-Bilanzierer auch bilanzielle Stabilität erreichen.
Weitere Gründe für die Umstruk­turierung unserer Fonds zielten auf eine effizientere Verwaltung ab. Zusammengefasst ging es uns aber im Wesentlichen um den Risiko­ausgleich und die damit verbundene ­bilanzielle Stabilität, die uns zu der Umstrukturierung bewogen haben.

Ökonomisch macht es doch keinen ­Unterschied, ob Sie eine Asset-Klasse über einzelne Fonds erschließen oder in einem Masterfonds als Segmente. Sehe ich das ­richtig?
Ökonomisch betrachtet ist es tatsächlich dasselbe. Aber in einem asymmetrischen ­Bilanzierungssystem wie dem Handels­gesetzbuch erhält man einen besseren ­bilanziellen Risiko­ausgleich. Aber auch ­ökonomisch betrachtet waren wir bei den ­einzelnen Asset-Klassen in den ver­gangenen eineinhalb Jahren nicht untätig. Ein Beispiel: Im Bereich der Immobilien ­haben wir ­verschiedene andere Sektoren ausgebaut, um die Dominanz des Bürosektors ­etwas abzu­bauen.
Wir haben in neue Sek­toren investiert und beispielsweise Gelder für einen euro­päischen Einzelhandelsfonds ­committed. Nun wollen wir zeitnah in einen Logistikfonds investieren. Zudem haben wir ein ­Vehikel geschaffen, um mit anderen ­Investoren gemeinsam große Immobilien zu erwerben, die in der Größenordnung für uns als Einzelinvestor überdimensioniert wären.
Zu diesem Zweck haben wir eine Fondskonstruk­tion geschaffen, die Club-Deals ermöglicht. Außerdem vergeben wir seit einiger Zeit auch Hypotheken für ­Ge­werbeimmobilien. Früher haben wir ­Hypotheken nur für private Bauvorhaben ver­geben. Last but not least: Im Rentenbereich inves­tieren wir seit dem vergangenen Jahr in Emerging Market Debt. Das Anlagevolumen ­wollen wir in nächster Zeit noch ausbauen.

Worauf liegt Ihr derzeitiger Fokus bei den ­Immobilieninvestitionen?
Wir investieren hauptsächlich in deutsche Büroimmobilien, die wir für Kapitalanlagezwecke kaufen. Das machen wir in Deutschland in Eigenregie. Alles, was wir dagegen ­europaweit in diesem Segment machen – ­daneben spielt auch das Thema Handels­immobilien eine Rolle –, bilden wir über Fonds ab. Denn in diesem recht komplexen Feld ­haben wir nicht die Kapazitäten und im europäischen Ausland auch nicht die Exper­tise, um das alleine guten Gewissens stemmen zu können.

Lassen Sie uns über Club-Deals ­sprechen. Kennen Sie die Co-Investoren gut?
Ja, bei den Co-Investoren handelt es sich in der Regel um Unternehmen, die wir gut kennen und deren Interessen mit unseren übereinstimmen. Im Prinzip sind das Ver­sicherer, die ein ähnliches Geschäftsmodell und eine ähnliche Größe haben wie wir. Demzufolge herrscht eine weitgehende Inter­essengleichheit, gerade was die Risiken und Größenordnungen betrifft.

Im Frühsommer kam es bei den Emerging Markets zu einer Kurskorrektur. Waren Ihre Assets davon betroffen?
Wir befinden uns mitten im Aufbau dieses Rentensegments. Insofern hat es uns mit der ersten kleineren Investition aus dem Jahresanfang in dem Sinne zwar etwas getroffen. Aber in dem Moment, in dem der Markt von seinen Höhen etwas zurückgekommen ist, war das für uns eine willkommene Einstiegschance. Wir haben den Preisrutsch für eine deutliche Aufstockung unseres Engagements in guter Qualität im Bereich Emerging ­Market Debt genutzt.

Sie sind im Bereich gewerbliche Immobilienfinanzierung vermehrt aktiv. Wollen Sie auch klassisches Bankgeschäft ­betreiben, weil sich Institute hier zurück­ziehen und Sie eine ­Opportunität wittern?
Hier muss man zunächst einmal definieren, was man unter klassischem Bank­geschäft versteht. Denken Sie nur an die hier unerlässliche Kreditexpertise, etwa im Bereich Kon­sumentenkredite. Die haben wir natürlich nicht in dem Maße, wie das bei einer Bank der Fall ist. Wir haben weder die Expertise noch die Kapazitäten in dem Sinne.
Der Teil des Bankgeschäfts, in dem wir mit den Banken gewissermaßen konkurrieren, ist die Baufinanzierung. Wobei der Trend durch Basel III und Solvency II aus meiner Sicht dahin geht, dass die Banken kürzere Fristen übernehmen und wir die längeren. Unsere Konditionsgestaltung ist dem­entsprechend so konzipiert, dass wir bei den längeren Darlehen bei dem jetzigen Zins­niveau sehr konkurrenzfähig sind und die kürzeren Laufzeiten eher den Banken überlassen.

Sehen Sie in Bereichen der Projektfinanzierung Opportunitäten?
Eine direkte Projektfinanzierung können wir bei der Barmenia in dem Sinne nicht durchführen. Dafür fehlen uns die Kapazi­täten und das spezifische Expertenwissen. Was wir allerdings gerne machen, sind Projekt­finanzierungen im Bereich Infrastruktur im weitesten Sinne. Hier sind wir etwa mit Windkraftanlagen schon lange aktiv.
Wir entwickeln mit Partnern konkrete Projekte, kaufen die ­Windparks entsprechend und lassen sie über die Laufzeit auch im ­Bestand. In dem Segment erzielen wir, ­salopp gesagt, schöne ­Renditen und sind ­dabei über Club-Deal-Konstruktionen beziehungsweise Fonds aktiv. Mit diesem Ansatz können wir uns auch in größere ­Projekte einkaufen. Ein weiterer Vorteil besteht natürlich darin, dass sich die ­Risiken auf mehrere Schultern verteilen. Sie sehen also, dass wir diese Teile der Projektfinanzierung bereits einsetzen; allerdings greifen wir auf Fondsmanager zurück, die ihrerseits die Projekt­entwickler steuern und kontrollieren. Das tun wir nicht selbst.

Wie empfinden Sie das Angebot im Bereich der Erneuerbaren-­Ener­gien-Projekte? Würden Sie mehr machen wollen, wenn es mehr davon gäbe?
Wenn ich mir das Angebot vor Augen ­führe, gibt es sowohl in Deutschland als auch im europäischen Raum genügend Offerten. In dem Zusammenhang muss man die Preise und die zu erzielenden Renditen kritisch wür­digen. Die Nachfrage hat insbesondere in Deutschland im Windpark­bereich in jüngster Zeit relativ stark angezogen. Wenn Sie Inter­esse an bestehenden Windparks zeigen, ­kommen Sie heute in Rendite­gegenden, in denen man sich schon ­fragen muss, ob sie es unter ­Risikoaspekten noch wert sind.

Von welchem Renditeniveau sprechen wir in diesem Bereich der ­Kapitalanlagen?

Bei einer Projektentwicklung sind bis zu 6,5 Prozent machbar. Hier haben Sie das Risiko, dass mal ein Projektentwickler pleitegeht und Ertragseinbußen drohen. Aber das Risiko wird dann auch ganz gut bezahlt. Bei fertigen beziehungsweise „gebrauchten“ Windparks sinken die Renditen in Richtung fünf Prozent. Hier konkurrieren Sie letztlich mit anderen Equity-Risiken. Denn es handelt sich hier um Equity-Risiken, die Sie eingehen.
Es gibt nunmehr auch Finanzierungslösungen, die man am Markt im Kreditbereich sieht. Bei Fremdfinanzierungen geht meines ­Erachtens noch ein zu großer Teil der Rendite für Strukturierungen, Vehikel und sonstige Gebühren ver­loren. Das ist, glaube ich, noch nicht effizient gelöst. Da müsste man von der Anbieterseite her überlegen, wie man hier einen Standard schaffen kann.

Wie viele Mitarbeiter sind bei Ihnen für die Verwaltung der Kapital­anlagen zuständig?
Bei der Barmenia arbeiten 58 Mitarbeiter in der Hauptabteilung Kapitalanlagen, darunter auch viele Teilzeitkräfte. In der Abteilung Wertpapiere beschäftigen wir acht Mitarbeiter, 17 Personen sind in der Baufinanzierung tätig. Ein großer Teil meiner Kollegen beschäftigt sich mit Immobilien beziehungsweise mit dem Facility Management unserer Hauptverwaltung. Daneben habe ich noch einige direkt zugeordnete Mitarbeiter mit speziellen Aufgaben.

Wie ist das Zusammenspiel zwischen stra­tegischer und taktischer Asset-Allokation ­geregelt? Gibt es eine Taktik in dem Sinne?
Ja, wir agieren auch taktisch. Bei dem eben erwähnten Beispiel „Emerging Market Debt“ handelt es sich beispielsweise um eine taktische Entscheidung. Dieser geht natürlich eine strategische Entscheidung voraus. Wir haben im Vorfeld die Chancen und Risiken hinterfragt und uns dazu entschlossen, dass wir in dieses Segment investieren möchten.
Das von Ihnen angesprochene Zusammenspiel ­zwischen strategischer und tak­tischer Allokation müssen Sie im Kontext ­unserer Verpflichtungsseite betrachten. Als Versicherer besteht unsere Hauptaufgabe in der Kapitalanlage darin, die Liabilities über eine sehr lange Frist zu finanzieren. In ­diesem Sinne heißt Strategie bei uns zunächst heraus­zufinden, wie die Kapitalanlage strategisch aufgestellt sein muss, damit sie die Verpflichtungsseite decken kann.

Klassisches Asset-Liability-Management also?
So ist es. Wir haben dafür entsprechende ALM-Tools beziehungsweise eine ALM-Tool-Landschaft, mit der wir Analysen durch­führen. Wie das im Asset-Liability-Management ­typisch ist, sehen wir im langen Kontext unter Einbezug der Liabilities, welche Allo­kationen, welche strategischen Positio­nierungen für uns funktionieren. Im ­Rahmen dieser ALM-Analyse, die wir auf Zehn- bis 15-Jahres-Sicht machen, kommt die Prognose der ­Kapitalmärkte beziehungsweise der ­Formulierung von Szenarien eine zentrale Bedeutung zu.
Im Prinzip schauen wir uns an, welche Allokation in sehr vielen denkbaren Szen­a­rien gut funktioniert. Diese bildet ihrerseits unsere Grundstrategie. Und ausgehend ­davon gehen wir in das operative Kapitalanlage­management und die daran anknüpfende Taktik.

Bitte gehen Sie tiefer ins Detail.
Im Rahmen der Analysen hinterfragen wir über eine sehr lange Zeit im Voraus, wie viele Aktien wir uns beispielsweise leisten können. Daneben analysieren wir, in welchen Szenarien Probleme auftreten können, wenn wir besonders hohe Aktienbestände haben. Diese Form der Analyse erstreckt sich natürlich auch auf andere Asset-Klassen. Anhand von Szenarien hinterfragen wir beispiels­weise auch, was mit unseren Kapitalanlagen passiert, wenn die Zinsen steigen, fallen oder stagnieren und welche Allokation uns in dem jeweiligen Umfeld zuträglich ist.
Im Grunde genommen suchen wir nach robusten Allokationen in dem Sinne, dass wir viele denkbare, vielleicht auch undenkbare Szenarien gut überstehen. Das ist unser ­primäres Ziel im Kapitalanlagemanagement.

Inwieweit berücksichtigen Sie dabei aktuelle Marktentwicklungen?
Innerhalb unseres großen strategischen Rahmens, der uns mögliche Erträge und ­Risiken detailliert vor Augen führt, allokieren wir taktisch bei den verschiedenen Asset-Klassen und Sektoren und nehmen ­Oppor­tunitäten, wie wir sie jüngst bei den ­Emerging Markets gesehen haben, auch ­kon­sequent wahr.

Das heißt, die Bereitschaft antizyklisch zu­zugreifen, ist durchaus vorhanden.
Aber auch nur dann, wenn wir die entsprechende Risikotragfähigkeit dafür haben. Wenn wir jedoch langfristig feststellen, dass eine Aktienquote nahe dem zweistelligen Prozentbereich in der Leben-Sparte für uns ein zu hohes Risiko mit sich bringt, kann der Markt noch so günstig sein, dann werden wir nie eine Quote in diese Richtung fahren.

Stichwort „Aktienquote“, wo rangieren Sie?
Das kann man nicht pauschal beant­worten. Vielmehr müssen wir hier die einzelnen Sparten heranziehen. Im Bereich der ­Lebensversicherung liegt sie aktuell deutlich unter einem halben Prozent. Hier haben wir jüngst das ein oder andere selektiv abverkauft. Und was die Krankenversicherungssparte betrifft, haben wir ein direktes Expo­sure in Aktien von rund 0,6 Prozent. ­Rechnet man weitere Beteiligungen mit aktien­ähn­lichen Risiken hinzu, sind wir ungefähr bei vier Prozent.

Liegen die Aktien im Direktbestand?
Nein, wir haben keine Aktien mehr im ­Direktbestand.

Insofern können Sie auch keine Wertpapierleihe betreiben, oder?
Man kann durchaus auch im Renten­bereich Wertpapierleihe betreiben. Adminis­trativ ist das allerdings sehr aufwendig.

Kann Ihre Depotbank das nicht in die Hand nehmen?
Wir haben das hin und wieder angedacht. In dem Zusammenhang haben wir uns auch Leihprogramme oder Leihsätze angeschaut. Mal sind die Staatsanleihen interessant für ­eine Leihe, mal sind es eher die Corporates. Allerdings halten sich die Zusatzerträge, die ich kenne, auch in Grenzen. Im Moment ­betreiben wir keine Wertpapierleihe.

Hält die Barmenia noch das Paket an MLP?
Natürlich.

Aber das ist doch ein Direktinvestment, oder?
Das ist durchaus ein Direktinvestment. So gesehen haben wir Aktien im Direkt­bestand beziehungsweise betrifft das unsere Beteiligungsgesellschaft. Das Paket hat aber einen strategischen Hintergrund. Das ist in dem Sinne keine reine Kapitalanlage.

Wenn es die Regulierung und Solvency II nicht gäbe, wäre die Aktienquote dann wesentlich größer?
Da gibt es mehrere Aspekte. Solvency II unterlegt Aktienrisiken mit sehr viel Eigen­kapital, das ist das eine. Das ist sicherlich ein Bremsklotz bei Aktieninvestitionen. Aber das Zweite ist auch, dass wir natürlich im Bereich der Kranken-, der Lebens- und auch der ­allgemeinen Versicherung möglichst stabile Jahresergebnisse erzielen müssen.

Wie muss ich mir das vorstellen?
Bei der Lebens- und Krankenversich­erung brauchen wir stetige, planbare Erträge. Da ist bei den Aktien zunächst nur die ­Dividende, die nicht so planbar ist wie beispielsweise ein Kupon, der für eine Anleihe gezahlt wird. ­Kritisch ist auch, dass Aktien deutlich stärker schwanken, was uns im Hinblick auf unsere bilanziellen und regulatorischen Anlage­vorgaben behindert. Somit sind es sowohl ­regulatorische Vorgaben als auch bilanzielle Gegebenheiten, die die Aktien­quote auch bei einer ökonomischen Attrak­tivität deutlich ­begrenzen.

Mit welchen Assets managen Sie Ihre Nettoverzinsung?
Letztendlich müssen wir diese für Ver­sicherer so wichtige Nettoverzinsung oder ­eine Grundverzinsung über eine sehr lange Dauer sicherstellen. Das heißt, die Nettoverzinsung wird primär mit einem Bestand an sehr lange, teilweise auch ultralang laufenden Rentenpapieren dargestellt, die auskömm­liche Renditen bringen. Unsere Renten­papiere bestehen teilweise aus Staats­anleihen. Daneben greifen wir auf Pfandbriefe ­beziehungsweise Covered Bonds zurück. Wir ­sehen auch einige sehr interessante starke Unternehmensanleihen, die wir, wenn es ­diese in längeren Fristen gibt, natürlich auch als Basisertragsbringer nutzen.
Wir haben ein paar Staatsanleihen außerhalb Kerneuropas erworben und als kleine Quote beigemischt. Und die Hypotheken­darlehen, die immerhin sieben Prozent ­unserer Assets ausmachen, sind natürlich auch ein Grundertragsbringer. Wir setzen in der Regel insbesondere im Direktbestand auf lange Laufzeiten, um auskömmliche Ren­diten zu erzielen.

Sprechen wir über das Hypothekengeschäft. Handelt es sich um Kunden der Barmenia?
Ja. Das sind sowohl Bestands- als auch Neukunden. Hier verzeichnen wir ein hohes Cross-Selling-Geschäft. Bei den Hypothekendarlehen gibt es zwei Komponenten. Das eine ist die Kapitalanlage, bei der wir bei gleichen Ausfallraten höhere Spreads erzielen als bei einem Pfandbrief, und das bei ähnlichem ­Risiko. Wenn wir einen großen Hypotheken­bestand haben, ist das auch ein diversifiziertes Risiko, wenn auch nicht jeder einzelne Kredit wie im Pfandbrief diversifiziert ­besichert ist. Man muss das Thema aber kosteneffizient betreiben und eine bestimmte Größenordnung erzielen. Aber der zweite zentrale Aspekt ist auch – und das ist eine ganz interessante Geschichte –, wir ver­kaufen im Durchschnitt mehr als fünf weitere Verträge an Kunden, wenn sie bereits eine Bau­finanzierung bei uns führen.

Welches Anlagevolumen haben Sie inzwischen ­erreicht?
Wir sprechen beim aktuellen Marktwert von etwas über zehn Milliarden Euro.

Wie groß ist der Batzen, der pro Jahr neu ­angelegt werden muss?
Für 2014 sieht die Planung über alle ­Gesellschaften hinweg ungefähr 1,2 ­Milliarden Euro vor. Die genaue Größe hängt natürlich immer auch vom Verlauf des Versicherungsgeschäfts ab.

Haben Sie heute eigentlich noch viele Bundes­anleihen im Portfolio.
Die Allokation ist in den vergangenen Jahren abgeschmolzen. Im Moment spielen sie für uns in der Wiederanlage keine Rolle. Denn sie haben keine auch nur annähernd auskömmlichen Renditen, selbst wenn Sie in 30-jährige Bundesanleihen investieren, sind Sie aktuell bei lediglich 2,6 Prozent Rendite. Das reicht uns natürlich nicht aus.
Und ich möchte betonen, dass Bundeswertpapiere in ihrer Eigenschaft als sicherer Hafen in der Eurokrise sehr teuer geworden sind. Unsere Bestände sind abgeschmolzen, wir haben aber durchaus noch einige lang­lauf­ende ­Bundesanleihen aus früheren ­Jahren mit entsprechend auskömmlichen Kupons im Portfolio.

Werden sie bis zur Endfälligkeit gehalten?
Ja, so ist es. Wir sprechen hier von Beständen, die noch Kupons von vier Prozent und mehr aufweisen. Einige davon laufen bis zum Jahr 2030. Diese Wertpapiere stammen noch von meinem Vorgänger, der vor einiger Zeit Langläufer mit Kupons von bis zu 4,7 Prozent gekauft hat.

Ich habe von Marktteilnehmern gehört, die sich aus purer Renditenot distressed Pfandbriefe aus der Türkei eingekauft haben. Wäre das auch etwas für Sie?
Nein. Solche Themen sind für uns von der Risikoseite her nur schwer abschätzbar. Dafür gibt es Spezialisten, die sich auf diesen Bereich konzentrieren. Ich denke dabei vor allem an Hedgefonds. Es ist meines Erachtens ein Thema für risikofreudige Absolute-Return-Anleger, aber eher nicht für einen Versicherer.

Ist Absolute Return in der einen oder anderen Ausprägung als Beimischung für Sie ein ­Thema?
Nein, nicht im Sinne von hedgefonds­ähnlichen Strategien. Lassen Sie mich noch ­etwas zu Distressed Securities sagen: Im Prinzip läuft es in der Praxis folgender­maßen: Sie kaufen notleidende Papiere mit einem Abschlag und haben dabei den Gedanken im Hinterkopf, dass die Besicherungsmasse ­größer ist als das, was Sie im Gegenzug dafür zahlen. Die Werthaltigkeit aber zu analy­sieren, ist eine Sache für sich. In dem Bereich würden wir selbst nichts unternehmen. Und auch Fonds kämen nicht infrage, weil wir die Risiken nicht eingehen möchten. Auch ­andere Absolute-Return-Strategien sind aus meiner Sicht nicht immer transparent.

Wie stehen Sie zum Thema Infrastruktur­investments?

Unsere derzeitige Allokation ist überschaubar. Dennoch liegt der Anteil an den ­Kapitalanlagen bei der Kranken- und Lebensversicherung mit etwa einem Prozent etwas über dem Branchenschnitt. Allerdings haben wir im vergangenen Jahr damit begonnen, in weitere Infrastruktursegmente über Dachfondskonstrukte zu investieren.
Infrastruktur ist insbesondere für ­Ver­sicherungsgesellschaften eine interes­sante Asset-Klasse, weil es sich typischer­weise um sehr langfristige Investitionen ­handelt, deren Cashflows gut planbar sind. Sehen Sie sich die Chancen der Energie­wende an. Oder ­denken Sie nur an die Infrastruktur im ­Straßen- oder im Immobilien­bereich. Dinge wie ­Bildungsimmobilien kann man durchaus als Infrastruktur klassi­fizieren, auch wenn die Asset-Klasse erstmal eine ­Immobilie ­darstellt. Langfristig lassen sich hier die ­Interessen des Staates beziehungsweise der Öffentlichkeit und institutioneller Investoren in meinen ­Augen gut aneinander ausrichten.
Sie können sich also vorstellen, hier weiter aufzustocken?
Ja, sicher. Wenn die entsprechenden ­Rahmenbedingungen stehen, dass man planbar investieren kann, dann würden wir das tun. Beispielhaft möchte ich die Stromnetze nennen. In dem Segment gibt es auch von­seiten der Politik Überlegungen für eine Art Bürgeranleihe.
Eine Investition in Strom­trassen würde bei uns im Portfolio gut ­funktionieren. Vorausgesetzt es gibt entsprechend lang­fristige Verträge für die Nutzung. Bei erneuerbaren Energien funktioniert das, wie Sie wissen, seit einigen Jahren.

Stehen Ihnen die nötigen Anlagevehikel zur Verfügung, die mit der Anlageverordnung kompatibel sind?
Ja, es gibt spezialisierte Anbieter, die auch ­entsprechende Vehikel kreieren, in die man investieren kann. Die große Frage in dem ­Bereich lautet, ob die Risikohinterlegung ­adäquat ist oder ob man hier nicht auch aufsichtsrechtlich eine eigene Asset-Klasse ­schaffen soll? Die Diskussion, wie man mit ­Infrastrukturinvestments umgeht, ist es wert, weitergeführt zu werden.

Sie beziehen sich auf die Diskussionen beim GDV?
Ja, eine entsprechende Diskussion ist in meinen Augen hilfreich, nicht zuletzt, weil der Finanzierungsbedarf durch die teilweise angeschlagenen öffentlichen Haushalte ­immer größer wird.

Haben Sie die erforderliche Risikotragfähigkeit, um in riskantere Assets zu investieren?
Wir haben ein gewisses Potenzial für ­Risiko-Asset-Klassen. Uns stehen Modelle zur Verfügung, mit denen wir die Anfor­derungen und Einflüsse auch im Hinblick auf Solvency II schon heute detailliert ­betrachten können. In dem Zusammenhang probieren wir natürlich auch die Bei­mischung verschiedener Risiko-Asset-Klassen aus. Hier besteht ein gewisses begrenztes ­Potenzial.
Der Grund dafür ist unserer Geschäfts­tätigkeit geschuldet. Wenn wir mit hoher Wahrscheinlichkeit Jahr für Jahr bestimmte Ergebnisse sicherstellen müssen, ist intuitiv klar, dass dieser Anteil nicht überdimensional groß sein kann. Die Frage ist auch, um welche Art von ­Risiko es sich handelt. Infrastruktur­investitionen stellen formal ein Equity Risk dar, dies ist aber völlig anders, als beispielsweise eine Investition in den ­Euro Stoxx 50. Kurzum, wir haben eine ­gewisse ­Risikotragfähigkeit, das ist keine ­Frage, aber auch Rahmenbedingungen, die uns an dieser Stelle limitieren.

Setzen Sie im Hinblick auf Solvency II auf ein eigenes Modell oder greifen Sie auf das ­Standardmodell der Aufsicht zurück?
Wir benutzen das Standardmodell. Denn letztlich müssen wir die Anforderungen des Standardmodells erfüllen. Was die internen, risikoorientierten Modelle betrifft, stellen wir fest, dass der damit einhergehende ­Entwicklungsaufwand sehr hoch ist. Diese Einschätzung teile ich mit vielen meiner ­Kollegen in der Branche. Meiner Meinung nach sind interne ­Modelle nur für sehr spezielle Asset-Klassen interessant, wenn es ­darum geht, eine ­gewisse Eigenkapitalersparnis zu erzielen. Und wenn man sieht, wie hoch die Beimischungen ­solcher Assets in der Praxis ausfallen, ist der Aufwand für die Entwicklung interner ­Modelle aus unserer Sicht zu groß. Diese ­Erfahrung haben durchaus auch größere Versicherungen gemacht.

Steht die von vielen Investoren ersehnte Zinsnormalisierung bevor?
Wir gehen von einem langsam steigenden Zins über die nächsten Jahre aus. Das sind Muster, die man auch in anderen Verschuldungskrisen beobachten konnte. In den USA gibt es deutliche Zeichen der Erholung. Und auch die Eurozone wird sich langsam, aber ­sicher erholen. Es bestehen viele ­Faktoren, die mich zu dem Schluss kommen lassen, dass es einen moderaten Zinsanstieg in Europa geben wird.
Dass die Europäische Zentralbank ­Anfang November ihren Leitzins nochmals gesenkt hat, ändert nichts an meiner längerfristigen Einschätzung. In den USA gab es erste ­Anzeichen für einen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik. Die Anzeichen mehren sich, dass eine Erholung einsetzt nach dieser relativ langen Finanzkrise. Auch mit Hinblick auf die Geldpolitik der Zentralbanken denke ich, dass es keinen schnellen Zinsanstieg ­geben wird. Die Fed wird in diesem außer­gewöhnlichen Umfeld keine überraschende Zinserhöhung durchführen, die zu einem deutlichen, schnellen Kursrutsch an den ­Rentenmärkten führen würde.

Inwiefern sind Sie mit Zinsänderungsrisiken konfrontiert?
Wir haben ein Zinsänderungsrisiko allein schon durch die Duration. Wenn man die ­Aktivseite isoliert betrachtet, ist das offensichtlich. Das stört uns aber in dem Sinne nicht, weil wir eine langfristige Passivseite haben. Solange wir temporär durch Zins­bewegungen ein Marktrisiko haben, ist das für uns eigentlich kein Thema. Voraus­gesetzt, die Asset-Qualität stimmt. Denn letztendlich halten wir die mit Zinsänderungsrisiken ­belegten Anleihen bis zur Endfälligkeit. Von daher haben wir ein Zinsänderungsrisiko eher dadurch, dass wir auf der Aktivseite ­kürzer sind als auf der Passivseite. Das ist ­unser Zinsänderungsrisiko. ­Zumal sich die Passivseite auch mit den Zinsen bewegt.

Sie könnten doch auf der Aktivseite länger ­gehen.
Das ist auch der Grundgedanke des ­Duration-Match in Solvency II. Das ganz domi­nierende Risiko bei Solvency II entsteht durch die Zinskurve, die Sie zugrunde legen und den Duration-Mismatch zwischen Assets und Liabilities. Das ist unser eigentliches, ­unser dominantes Risiko.

Entnehme ich aus Ihren Worten, dass Sie ­besonders lange Anlagen herbeisehnen?
Auf dem Cashmarkt gibt es ein gewisses Angebot an längeren Laufzeiten, beispielsweise Staatsanleihen aus Frankreich und ­Österreich, die 50 Jahre laufen. Demnach gibt es durchaus einige Möglichkeiten, um auf der Aktivseite eine Duration zu kaufen, die an die der Passiva heranreicht. Aber der Großteil des Angebots auf den Rentenmärkten besteht in Fälligkeiten, die kürzer sind als die Liabilities ­unserer Sparten „Leben“ beziehungsweise „Kranken“.
Sie müssen auch bedenken, dass wir ­beispielsweise im Segment der Kranken­versicherung eine Duration aufweisen, die daraus entsteht, dass der Kunde bis zu ­seinem Tod bei uns versichert ist. Das ist eine sehr lange Zeit, wenn sich jemand bald nach dem Berufseinstieg mit 25 oder 30 Jahren privat krankenversichert. Anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung kommen Sie dann auf eine Duration der Passiva, die sie im Cashmarkt nicht matchen können. Daher wird die Aktivseite immer kürzer sein.

portfolio institutionell, Ausgabe 12/2013

Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert