Alternative Anlagen
26. August 2015

Infrastruktur: Scope sieht Chance für mittelgroße Versicherer

Infrastrukturprojekte könnten schon bald für kleine und mittelgroße Versicherer an Attraktivität gewinnen, davon ist die Rating-Agentur überzeugt. Der Grund: veränderte Regelungen zur Eigenkapitalunterlegung.

Wenn über Infrastrukturinvestments seitens institutioneller Anleger berichtet wird, dann stecken meist große institutionelle Investoren dahinter. Jüngstes Beispiel ist der Zusammenschluss der beiden Versicherungsriesen Allianz und Munich Re, die zusammen mit dem kanadischen Pensionsfonds Omers und der Abu Dhabi Investment Authority (Adia) die Autobahn Tank & Rast Holding übernommen haben. Doch schon bald könnten nach Ansicht der Rating-Agentur Scope auch kleine und mittelgroße Versicherungsunternehmen besser zum Zug kommen. 
„Es gibt substantielle Neuerungen, von denen vor allem kleine und mittelgroße Versicherer profitieren dürften“, erklärte Aaron Konrad, Analyst für Alternative Investmentfonds bei Scope Ratings, vor wenigen Tagen. Er spielte auf die geänderten Regelungen zur Eigenkapitalunterlegung an, die die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa und die EU-Kommission planen. Ursprünglich sollten Versicherer unter Solvency II bis zu 59 Prozent ihrer Investments in Infrastrukturprojekte mit Eigenkapital unterlegen. Eine neue Empfehlung seitens Eiopa an die EU-Kommission sehe nun vor, die Quote auf 30 bis 39 Prozent zu reduzieren. Nach Einschätzung von Scope würde dies vor allem kleinen und mittelgroßen Versicherungen und Pensionskassen helfen. Denn die großen ihrer Zunft würden ohnehin eigene Risikomodelle zur Berechnung der Eigenkapitalunterlegung betreiben und müssten deshalb deutlich weniger Eigenmittel als andere Versicherer für Investments in diese Asset-Klasse vorhalten.
Weniger euphorisch sieht der GDV die neuen Empfehlungen der Eiopa. Dem Verband gehen diese nicht weit genug. Sinnvoller wäre eine separate Risikoklasse für Infrastrukturanlagen unter Solvency II. „Die Vermengung von Infrastruktur und Aktien ist angesichts der geringen Korrelation zwischen beiden Anlageklassen nicht gerechtfertigt“, so GDV-Hauptgeschäftsführer Axel Wehling. Die vorgeschlagene Eigenmittelquote hält er für zu hoch. „Angemessen wären 20 bis 25 Prozent.“ Auch die von der Eiopa angeregten Stresstests für einzelne Projekte lehnt der GDV-Hauptgeschäftsführer ab: „Investitionen dürfen nicht durch zusätzliche Auflagen erschwert werden.“
Bis 9. August hatten Unternehmen und Verbände die Möglichkeit, die Vorschläge von der Eiopa zu kommentieren. Bis September will die Aufsichtsbehörde ihre abschließenden Empfehlungen an die EU-Kommission übergeben. Ob der GDV mit seinen Forderungen Gehör gefunden hat, bleibt abzuwarten, muss allerdings eher bezweifelt werden. Die Nachfrage nach Infrastrukturinvestments seitens der Assekuranz dürften aber auch mit 30 bis 39 Prozent Eigenmittelunterlegung nochmals beflügelt werden. 
Auf einem anderen Blatt steht jedoch, dass die Nachfrage auch ohne diesen Vorschub bereits deutlich höher als das Angebot ist. Im Interview mit portfolio zeigte sich David Jones, Leiter des Bereichs Erneuerbare Energien bei Allianz Capital Partners, vor kurzem besorgt darüber, „dass die schiere Masse von Investoren auf der Suche nach Rendite die Preise für Renewables in die Höhe getrieben hat.“ Aber nicht nur beim Thema „Erneuerbare Energie“ ist die Konkurrenz groß. Das gilt auch für andere Infrastruktursegmente.  
An fehlendem Bedarf liegt es allerdings nicht. Im Gegenteil. Langfristig beträgt der Investitionsbedarf in Infrastruktur bis zum Jahr 2018 rund eine Billion Euro, wie die EU-Kommission mitteilt. Darauf hat das Europäische Parlament im Sommer reagiert und den so genannten Juncker-Fonds ins Leben gerufen. Mit diesem Förderprogramm sollen Investitionen in Infrastrukturprojekte mit einem Volumen von 315 Milliarden Euro angeschoben werden. „Der Kapitalbedarf dieser Projekte geht aber weit über die bereitgestellten Fördergelder hinaus. Die öffentlichen Haushalte können ein solches Investitionsvolumen nicht alleine stemmen. Daher werden sich für mittelständische Versicherer Chancen ergeben, sich an solchen Investments zu beteiligen“, sagte Konrad.
Bislang ist es jedoch so, dass bei Investitionen in Straßen, Energienetze, Kraftwerke und Krankenhäuser vor allem die großen Versicherungskonzerne zum Zug kommen, die große Erfahrung mit der Finanzierung von Infrastrukturprojekten haben. Ein Beispiel ist das Londoner Abwassersystem. Die Allianz hat vor kurzem gemeinsam mit anderen Großinvestoren den Zuschlag für die Finanzierung mit einem Volumen von 4,2 Milliarden Pfund bekommen und sich dabei gegen viele andere Bieter durchgesetzt (siehe mehr dazuhier). Kleinere Versicherer investieren hingegen vornehmlich über Fonds in Infrastrukturprojekte, da sie häufig nicht über die erforderliche Expertise und Größe für Direktinvestitionen verfügen. Die Angebotspalette an entsprechenden Fondsvehikeln hat sich dabei in den vergangenen Jahren deutlich vergrößert. Zu Beginn des dritten Quartals 2015 waren global 151 ungelistete Infrastrukturfonds mit einem Zielinvestitionsvolumen von 97 Milliarden US-Dollar im Markt aktiv, wie der Datenbieter Preqin berichtet. Davon wollen die Fonds mit 40 Milliarden US-Dollar den Großteil in europäische Infrastruktur investieren. Dies entspreche dem höchsten Zielinvestitionsvolumen seit 2007.
portfolio institutionell newsflash 26.08.2015/Kerstin Bendix
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