Alternative Anlagen
29. Juli 2018
Infrastruktur: Investoren ergreifen die Initiative
Kaputte Straßen, marode Schulen, langsames Internet: Der Infrastruktur-Investitionsbedarf in Deutschland ist mindestens so offensichtlich wie der Bedarf deutscher AV-Einrichtungen nach sicheren Kapitalanlagemöglichkeiten.
Diversifizierend wirken hiesige Infrastrukturanlagen auch dadurch, dass die Bestände an Bundesanleihen und Pfandbriefen immer weiter schrumpfen beziehungsweise schon bei null sind. Oft wird auch die Nähe zu den Assets als Vorteil genannt.
Hörner: Wie bereits erwähnt, investieren wir überwiegend in Fonds. Wir stehen Direktanlagen aber offen gegenüber. Für Directs wäre ein deutscher Infrastrukturmarkt ideal. In unserem Immobilienportfolio investieren wir bevorzugt direkt. In erster Linie handelt es sich um deutsche Immobilien, zumal wir hier über das nötige Know-how verfügen. Deutschland hat deswegen für Direktanlagen einen besonderen Charme. Für uns spiegeln Direktanlagen auch eine gewisse evolutionäre Entwicklung im Asset Management wider. Als das Zinsniveau noch auskömmlich war, hatten wir Anleihen in der Direktanlage. Dann bauten wir über Fonds alternative Anlagen auf. Die dritte Stufe wäre, bei sich ergebenden Opportunitäten direkt in Infrastruktur zu investieren.
Rieder: Die Nähe zu den Assets ist eine Medaille mit zwei Seiten. Deutsche Assets bieten manchmal den Vorteil einer noch besseren Beurteilung und bei Bedarf schnellerer Eingriffsmöglichkeiten. Man muss aber darauf achten, dass gleichzeitig keine emotionale Komponente besteht. Für bestimmte deutsche Assets wurde ein emotionaler, gegebenenfalls zu hoher Preis für das tatsächlich damit verbundene Risiko bezahlt. Wichtig ist, dass bei Rendite Risiko-Analysen das Investment vor der Haustür in Deutschland konsequent mit den gleichen Maßstäben begutachtet wird wie jedes andere Investment auch. Aber natürlich sind die Entwicklungen wie der Brexit oder die Krisen in Südeuropa auch ein Treiber für die Initiative Deutsche Infrastruktur und fördern den Wunsch nach mehr deutschen Infrastrukturprojekten.
Hörner: Für Investoren kann die Gefahr eines Home Bias bestehen. Im Bereich Infrastruktur sehe ich dies nicht. Für uns geht es vielmehr darum, einen größeren Markt und mehr Opportunitäten zu erschließen. In der Regel investiert niemand ausschließlich in deutsche Aktien. Auch bei Infrastruktur wird es zu einer globalen Aufstellung kommen. Aber wir sehen, wie gesagt, dass aus unserem Land hier nicht in ausreichendem Maß Opportunitäten kommen, die zur Diversifizierung beitragen würden.
Ist es für Versicherer leichter, deutsche Infrastruktur nach Solvency II als sogenannte qualifizierte Infrastruktur einzuordnen?
Rohm: Das ist eine schwierige Frage. Ohne für die Gesamtbranche sprechen zu können: Meines Wissens haben es noch nicht viele Gesellschaften geschafft, ihre Infrastruktur- Investitionen als „qualifiziert“ einzustufen. Wir arbeiten derzeit daran. Möglicherweise gelingt es uns bei unseren deutschen Assets eher eine Zuordnung zu qualifizierter Infrastruktur zu bekommen, da wir keine Fondsstruktur haben.
Deutsche Infrastruktur hat aber auch einen offensichtlichen Nachteil: die maue Rendite!
Schroeder: So pauschal kann man das nicht sagen. Für alle Länder gilt: Solange es eine ausreichend große Auswahl gibt, findet man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch Infrastruktur-Perlen. Genauso achten wir in allen Ländern genau darauf, welches Risiko wir uns für welche Rendite einkaufen. Als Versicherung sind wir nicht allzu sehr renditegetrieben, sondern haben immer die Sicherheit als Orientierungspunkt. Somit dürfen es auch einmal ein paar Basispunkte weniger sein, wenn die mit einem Asset einhergehenden Risiken für uns handelbar sind. Dies gilt schon darum, weil Infrastruktur eine Asset-Klasse ist, die man sehr lang in den Büchern hat.
Hörner: Wie gesagt, sehe ich mit Bezug auf deutsche Infrastruktur-Assets weniger ein Problem bei der Rendite als vielmehr bei deren ausreichender Verfügbarkeit.
Rohm: Zum Asset-Liability-Management gehört, die Verpflichtungen der Passivseite zu berücksichtigen. Sind die Renditen, die mit sicherer Regulatorik und Vergütung für die Verpflichtungen einhergehen, auskömmlich? Bis vor wenigen Monaten: ja! Die mit dem EEG bei Onshore-Wind erzielbaren Renditen reichten für unsere Verpflichtungen aus. Wie erwähnt ist unser Ziel ja nicht die Renditemaximierung, sondern die Erfüllung unserer versicherungstechnischen Verpflichtungen. Inzwischen ist aber der Wettbewerb um die noch verfügbaren Onshore-Assets so groß geworden, dass die Renditen die durchaus vorhandenen Risiken – die mit dem EEG auslaufende Festvergütung, das Mengenrisiko – nicht mehr adäquat bezahlen. Jetzt muss man Ausweichmöglichkeiten suchen.
Das größte Hindernis für mehr private Infrastrukturfinanzierungen: Der Staat kann sich immer unterhalb der Renditeanforderungen von privaten Investoren finanzieren! Warum sollte er vier Prozent an einen Finanzinvestor bezahlen, wenn er für jährlich 30 Basispunkte eine zehnjährige Anleihe begeben kann?
Rieder: Diese Argumentation ist weit verbreitet – aber auch ein wenig kurzsichtig. Es lässt außer Acht, dass die deutsche Infrastruktur zum Teil veraltet ist und der Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit droht . Um in einem Bild zu sprechen: Wenn das deutsche Boot leck ist und Wettbewerber rechts und links überholen, dann muss das Leck mit öffentlichen und privaten Geldern gestopft werden. Man kann hier nicht mehr über die angebliche Konkurrenz zwischen staatlicher und privater Finanzierung streiten. Es muss darum gehen, neben den staatlichen auch private Gelder zu aktivieren. Ansonsten lässt sich der riesige Investitionsstau nicht abbauen. Allein bei der Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur beträgt die Investitionslücke in den nächsten Jahren 100 Milliarden Euro und beim Glasfaserausbau sind wir in Europa eines der Schlusslichter. Neben der Notwendigkeit privater Investitionen für die Aufrechterhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zeichnen sich private Investitionen auch dadurch aus, dass sie per se schneller und oft effizienter sind. Studien belegen, dass beispielsweise eine Autobahn, die ein Jahr früher fertig ist, einen erheblichen volkswirtschaftlichen Mehrwert hat, der bei dem reinen Vergleich von Finanzierungskosten unter den Tisch fällt.
Schroeder: Der Staat ist durchaus an privatem Kapital interessiert. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass Solvency II Versicherern mit qualifizierter Infrastruktur eine Brücke baut. Versicherer können in Infrastruktur investieren, ohne die höchsten Stresssätze zu haben. Die Frage „Staat oder Privatinvestor?“ ist am besten mit „und“ zu beantworten.
Rohm: Ich halte das Argument, dass sich der Staat viel günstiger refinanzieren kann, für eindimensional. Beispiel Sozialinfrastruktur: Hätten wir die Möglichkeit, in größeren Städten in Schulen, Universitäten oder Krankenhäuser zu investieren, würden wir diese Einrichtungen gemeinsam mit unseren Partnern ja auch betreuen und betreiben. Es geht nicht nur um die Finanzierung der Erstellung des Gebäudes. Der Betrieb über die nächsten 30 Jahre ist in einer Gesamtbetrachtung ebenfalls zu berücksichtigen.
Solange auch für einen SPD-Bundesfinanzminister die schwarze Null ein Ziel ist, werden die Finanzierungslücken bleiben. Spielt für unsere Diskussion auch die Heuschreckendebatte und dass in der Öffentlichkeit gern Versicherer mit Hedgefonds in einen Topf geworfen werden, eine Rolle?
Rohm: Genau das ist das Problem. Der Staat ist sich ja der Probleme bei der Altersvorsorge der Bevölkerung bewusst und fördert private Altersvorsorge. Würde man uns mehr Möglichkeiten eröffnen, in Infrastruktur in Deutschland zu investieren, würde man am Ende auch die private Altersversorgung und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit fördern.
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portfolio institutionellSchlagworte: Infrastruktur | Initiative Deutsche Infrastruktur (IDI) | Public-Private-Partnership (PPP)
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