Immobilientransaktionen stagnieren, Renditen steigen
JLL sieht Verkäuferseite unter steigendem Druck. Positive Entwicklung bei Reits.
An der grundlegenden Zurückhaltung der Investoren beim Kauf und Verkauf von deutschen Immobilien hat sich auch im zweiten Quartal 2023 nichts geändert: Die aktuell in der Statistik stehenden 14,9 Milliarden Euro für das erste Halbjahr entsprechen in etwa dem Volumen aus 2012 und im langjährigen Schnitt liegt der aktuelle Wert sogar um 53 Prozent darunter. Gegenüber dem Vorjahr ergibt sich ein Minus von 59 Prozent. Was nach wie vor fehlt, sind größere Transaktionen – insbesondere im Bürosektor und bei Portfolios. Dies schreiben die Experten von JLL. Die Frage, ob der Investmentmarkt wieder vollumfänglich funktioniert, beantworten diese darum mit einem klaren Nein. Spiegelbild dessen ist ein Transaktionsvolumen, welches in den Monaten April bis Juni mit 7,1 Milliarden Euro sogar noch unter dem Wert der ersten drei Monate dieses Jahres von 7,8 Milliarden Euro lag.
Das rapide Zinswachstum und Banken, die bei der Kreditvergabe zurückhaltend agieren, haben den generellen Ask-Bid-Gap bislang kaum verringert. Bewegung könnte aber auf der Verkäuferseite entstehen. Auf dieser sieht JLL einen aufgrund der hohen Betriebs- und Refinanzierungskosten stetig steigenden Kapitaldruck.
Vergleich mit 2008
Nach wie vor fällt jedoch die Preisfindung schwer. Mit jeder neuen Zinserhöhung steigt der Druck auf die Renditen, weil alternative Anlage an Attraktivität gewinnen. Gleichzeitig, so JLL, steigen in einem solchen Szenario auch die Immobilienquoten institutioneller Investoren, auch wenn diese gar keine neuen Immobilien in ihr Portfolio aufgenommen haben. Dies ist auch einer der wesentlichen Unterschiede zur Finanzkrise 2008/2009, als die Immobilienquoten niedrig waren und es entsprechenden Investitionsspielraum gab, was zu einer relativ schnellen Erholung der Investmentmärkte geführt hat. Andererseits gebe es auch einen weiteren Unterschied zur Finanzkrise, der hoffnungsvoll stimmt: Während damals vor allem als sicher empfundene Core-Produkte nachgefragt wurden, weil auch die Vermietungsmärkte stark schwächelten, liegt der Fokus der Investoren aktuell eher auf Value-add-Immobilien, also solche Produkte, bei denen Abstriche in Bezug auf ESG-Kriterien oder der Restlaufzeiten der Mietverträge gemacht werden müssen. Investoren, die über entsprechende Expertise und Kapazitäten verfügen, sehen hier eine Möglichkeit, Wertsteigerungen zu generieren. Es gehe also darum, detailliert die Optionen zu prüfen, entsprechend lange dauern dann auch die Transaktionsprozesse, bis schließlich ein Abschluss zustande kommt.
Renditeanstieg geht weiter
Vordergründig bleibt also Abwarten auch zum Ende des ersten Halbjahrs das Gebot der Stunde. Dennoch bietet der Markt auch jetzt Investitionsmöglichkeiten, insbesondere für eigenkapitalstarke Käufer. Bis zum Jahresende rechnet JLL jedoch über alle Asset-Klassen und Sektoren hinweg mit weiteren Renditeanstiegen. Diese werden sich aller Voraussicht nach zwischen zehn (Geschäftshäuser und Logistik) und 50 Basispunkten (Büros) bewegen. Auch diese Entwicklung unterstütze die These von JLL, dass sich gegen Ende des Jahres die Transaktionsdynamik etwas beschleunigen sollte. Hinzu kommt eine nach wie vor nach oben gerichtete Entwicklung bei den Mietpreisen. Diese werden die infolge der Renditeanstiege sich manifestierenden Wertverluste zwar nicht ausgleichen, aber zumindest abmildern.
Reits machen Hoffnung
Ein gutes Zeichen könnte für die Wertentwicklung deutscher Immobilien die Entwicklung des Reit-Markts sein – wenn man davon ausgeht, dass dieser schneller reagiert als der Immobilienmarkt selbst. Laut Hazelview Investments haben nämlich weltweit börsennotierte Immobilienaktien im zweiten Quartal dieses Jahres eine leicht positive Rendite von 0,5 Prozent auf Dollar-Basis erzielt und schlossen das erste Halbjahr mit einer Performance von +1,6 Prozent ab. Deutschland schnitt mit +6,5 Prozent in Euro als zweitbester Reits-Markt weltweit nach Japan ab. Gerade das Segment Wohnen und die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum waren demnach so stark wie nie. Aber auch spezielle Immobiliensektoren wie Datenzentren und Seniorenwohnheime zeigten sich im zweiten Quartal sehr widerstandsfähig.
Für Hazelview sprechen derzeit drei Gründe für Reits. Erstens sind Fundamentaldaten und Cashflows von Gewerbe- und Wohnimmobilien weiterhin stabil. Zweitens werden Reits gegenüber anderen börsennotierten Wertpapieren mit einem hohen Abschlag gehandelt. Seit Beginn des zweiten Quartals 2022, als die Zentralbanken anfingen, die Zinssätze anzuheben, bis zum Ende des zweiten Quartals 2023 lagen die Bewertungen globaler Reits im Vergleich zu weltweiten Aktien etwa 20 Prozent tiefer. Drittens werden gelistete Reits momentan 21 Prozent niedriger bewertet als sogenannte „Core Immobilien“ im direkten Markt. „Gingen die Reits-Bewertungen auf das Niveau zurück, auf dem der direkte Immobilienmarkt heute ist, käme dies einer Aufwertung von etwa 27 Prozent gleich“, so Portfoliomanagerin Claudia Reich Floyd. „Die Bewertungslücke befindet sich damit auf einem historischen Niveau, welches das der globalen Finanzkrise und zu Beginn der Pandemie im März 2020 übertrifft.“
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Immobilien
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