Immobilien
7. Juli 2022

Immobilieninvestoren ziehen die Bremse an

Colliers und Savills sehen deutliche Zurückhaltung bei Gewerbeimmobilien. Renditen bei Wohnen (noch) stabil.

Am Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien ziehen Investoren die Bremse an. Während die Zahlen für das erste Halbjahr 2022 laut dem Gewerbeimmobiliendienstleister Colliers mit 28,4 Milliarden Euro Transaktionsvolumen noch vergleichsweise gut ausfallen, sehen die Experten im zweiten Quartal „deutliche Bremsspuren“. So sei die Zahl der Transaktionen im Vergleich zum Jahresauftaktquartal um ein Viertel zurückgegangen. Demnach erzielte seit 2017 nur das corona-geprägte erste Quartal 2021 ein schwächeres Dreimonatsergebnis. Die zwischen April und Juni registrierten 10,3 Milliarden Euro Anlagevolumen entsprechen dem Niveau des zweiten Quartals 2020, in dem die Auswirkungen des ersten Lockdowns ebenfalls eine deutliche Reduzierung des Marktgeschehens zur Folge hatten, so Colliers in einer Mitteilung.

Finanzierungkosten für Immobilieninvestoren hätten bereits deutlich zugenommen, auch weil Banken und Finanzierer ihre Margen anpassten. Zudem agierten sie zunehmend risikoaverser. Im Fall von Forward Deals und umfangreichen Refurbishments bestimmten auch die rasant gestiegenen Baukosten die Preiskalkulationen potenzieller Käufer.

Investoren warten ab

Zudem beobachtet Colliers, dass die Preisvorstellungen von Bietern und Verkäufern zunehmend auseinanderklaffen. Christian Kadel, Head of Capital Markets bei Colliers, bestätigt: „Die Schere zwischen Angebots- und Gebotspreisen hat sich in den vergangenen drei Monaten zunehmend geöffnet. Verkaufsverhandlungen ziehen sich in die Länge oder werden ausgesetzt in der Erwartung, über den Sommer mehr Sicherheit bezüglich der Preisfindung zu bekommen. Davon wird maßgeblich das Transaktionsgeschehen im weiteren Jahresverlauf abhängen.“

Büros rentieren wieder über drei Prozent

Die gewichtete Brutto-Spitzenrendite dürfte mittlerweile für Büroobjekte in den Top-7 erstmals seit längerem wieder über der Drei-Prozent-Marke liegen, schätzt Colliers. Die für dieses Jahr angesichts der prall gefüllten Dealpipeline avisierte leichte Renditekompression sei binnen drei Monaten in einen Anstieg von 10 bis 25 Basispunkten umgeschlagen. In den acht Top-Logistikregionen sei zudem aktuell ebenfalls von einer Renditesteigerung von 25 Basispunkten auszugehen. Im Highstreet-Bereich, wo bereits seit 2019 die Trendwende vollzogen wurde, liegen die Zuwächse bei der Spitzenrendite im Schnitt bei zehn Basispunkten.

Core gerade illiquider als Value-Add

Die Preisschere ist nach Beobachtung des Immobilieninvestmentdienstleisters Savills im Core-Segment wegen der höheren Zinssensitivität weiter aufgegangen als im Value-Add-Segment. Ersteres war daher zuletzt besonders illiquide und die Bestimmung von Marktpreisen ist für viele Segmente kaum möglich. „Fakt ist: Wir befinden uns inmitten einer Phase der Preiskorrektur und weil es sich um eine zinsinduzierte Korrektur handelt, vollzieht sie sich in allen Marktsegmenten, wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß. Im besonders zinssensitiven Core-Bereich fallen die Preiserwartungen weiter auseinander als im Core-Plus oder Value-Add-Bereich, wo Miet- und Wertsteigerungen durch Asset Management realisiert werden können“, kommentiert Marcus Lemli, CEO Germany und Head of Investment Europe bei Savills.

Steigende Renditen aus in anderen Segmenten

Um die in einigen Segmenten zu beobachtende außergewöhnlich starke Spreizung zwischen angebotenen und nachgefragten Preisen abzubilden, weist Savills dort statt Punktwerten für das zweite Quartal Renditespannen aus. So liegt die Spitzenrendite für Büros im Durchschnitt der Top 6 bei 2,7 Prozent bis 3,1 Prozent (Q1-22: 2,6 Prozent), wobei das untere Ende dieser Spanne die Preisvorstellungen der Verkäufer und das obere Ende jene der Käufer reflektiert. Bei Spitzenlogistikobjekten ist die Spanne enger und liegt bei 3,0 Prozent bis 3,2 Prozent (Q1-22: 3,0 Prozent). In anderen Segmenten können Punktrenditen angegeben werden. In manchen Fällen, etwa bei Pflegeheimen (3,9 Prozent), sind diese gegenüber dem Vorquartal noch stabil geblieben, in anderen haben sie sich bereits erhöht. So ist die Spitzenrendite für Fachmarktzentren von 3,5 Prozent auf 3,75 Prozent gestiegen.

Erste Preisanpassungen für Handelsimmobilien

Als Folge des Zinsanstiegs konnte Savills im vergangenen Quartal bereits für einige Handelssegmente anfängliche Preiskorrekturen verzeichnen, wenngleich sich das tatsächliche Ausmaß des Renditeanstiegs wohl erst im Herbst zeigen dürfte. So liegt die Spitzenrendite für Supermärkte und Discounter bei 3,2 Prozent bis 3,5 Prozent (Q1: 3,2 Prozent) und bei Fachmarktzentren bei 3,6 Prozent bis 3,9 Prozent (Q1: 3,5 Prozent).

Wohnen dürfte nachziehen

Auch im Segment der Wohnimmobilien ging das Transaktionsvolumen von 7,5 Milliarden Euro im ersten Halbjahr zurück. Das entspricht einem Rückgang von 27 Prozent gegenüber der ersten Halbjahr 2021. Im zweiten Quartal sind die Renditen noch stabil geblieben, doch eine Preiskorrektur steht laut Savills kurz bevor. Das Transaktionsvolumen von Wohnimmobilien (Transaktionen ab 50 Wohneinheiten) lag im zweiten Quartal bei etwa 3,1 Milliarden Euro. Im zweiten Quartal hat Savills allerdings noch keine Veränderung der Spitzenrenditen erfasst. „Zuletzt konnten bei einigen Transaktionen die zu Jahresanfang avisierten Preise bestätigt werden. Der anhaltend hohe Anlagedruck vieler eigenkapitalstarker Investoren stabilisiert daher bislang das Preisniveau am Wohnungsmarkt“, berichtet Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance – Valuation bei Savills Germany und ergänzt: „Es ist aber unwahrscheinlich, dass eigenkapitalstarke Investoren auch zukünftig das Renditeniveau stabilisieren werden. Wohnimmobilien waren in den letzten Jahren das Anleihesubstitut par excellence und dürften entsprechend sensibel auf den Anstieg der Anleiherenditen reagieren.“

Interessant scheint auch: Im zweiten Quartal überstieg das Transaktionsvolumen von Projektentwicklungen im Wohnungssegment zum ersten Mal dasjenige von Bestandsgebäuden. Etwa 51 Prozent des Volumens im zweiten Quartal entfiel auf solche Käufe. Im bisherigen Jahresverlauf entfielen auf Forward Deals rund 43 Prozent des Transaktionsvolumens und damit erheblich mehr als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre (23 Prozent).

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