Immobilien
19. März 2021

Immobilien bei ESG oftmals im Hintertreffen

DGNB-Studie: Taxonomie-Kriterien in Gänze nur von einem aus 62 Projekten erfüllt. Gewerbeimmobilien besser aufgestellt als Segment Wohnen.

Der Immobilienmarkt hat Nachholbedarf bei der Bearbeitung der Taxonomie-Kriterien, die von der Europäischen Union festgelegt wurden. Dies liegt einerseits an einer mangelhaften Verfügbarkeit der notwendigen Daten zur Nachweisführung. Zudem sind einige der Kriterien in ihrer aktuellen Formulierung kaum erfüllbar. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. gemeinsam mit Partnern aus Dänemark, Österreich und Spanien in den vergangenen Monaten durchgeführt hat. Aus elf europäischen Ländern hatten 62 Projekte verschiedenster Gebäudetypen an der Studie teilgenommen.

Fehlende Daten

Im Detail ergab die Untersuchung, dass insgesamt nur eines der 62 Projekte über alle Kriterien hinweg eine vollständige Taxonomie-Konformität nachweisen konnte. Dies lag teilweise an den Schwierigkeiten, die in den Kriterien geforderten Anforderungen zu erfüllen. Häufig fehlte den Teilnehmern aber auch die notwendige Datengrundlage, um eine Nachweisführung zu ermöglichen. Zudem konnten große Unterscheide zwischen den teilnehmenden Projekten festgestellt werden. Während über die Hälfte im Neubau die Anforderungen zu mehr als zwei Drittel erfüllten, gelang dies im Bereich „Erwerb und Eigentum“ weniger als 15 Prozent. Hier besteht großer Nachholbedarf bei der Informationsbeschaffung im Bereich der Ankaufsprozesse und des Asset Managements. Insbesondere das Kriterium „Climate Change Mitigation“ sorgte bei diesen Projekten für Probleme. Mit Blick auf die inhaltlichen Anforderungen war über alle Gebäude hinweg das Kriterium „Climate Change Adaptation“ am schwierigsten zu erfüllen.

Zielsetzung der Studie war es, die Marktfähigkeit und Anwendbarkeit der Taxonomie-Kriterien anhand realer Projekte zu untersuchen. Untersucht werden sollte auch, welche Mehrwerte bestehende Zertifizierungen zur Erreichung der Anforderungen und zur Erleichterung der Dokumentation haben. Zusätzlich war das Ziel, konkrete Empfehlungen an die EU-Kommission zur Weiterentwicklung der Kriterien zu übermitteln.

Taxonomie- Version von Juni 2020

Die Durchführung der projektindividuellen Taxonomie-Checks erfolgte im vergangenen Herbst. Unter den 62 Gebäuden waren 36 dem Bereich „Erwerb und Eigentum“ zugeordnet, 22 Neubauten und vier Sanierungen. Für alle drei Bereiche gab es jeweils eigene Fragenkataloge. Die Projekte verteilen sich auf 23 unterschiedliche Unternehmen. Hierzu zählten unter anderem sieben Projektentwickler, sechs Pensionskassen sowie sechs Investment und Asset Manager. Zum Teil hatten die Teilnehmer bereits detailliertes Vorwissen zur Taxonomie, für andere war es ein komplett neues Themenfeld. 26 der Projekte verfügten über eine Zertifizierung.

Die Studie wurde von der DGNB gemeinsam mit dem Green Building Council España (GBCe), der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) und dem Green Building Council Denmark (DK-GBC) durchgeführt. Grundlage war die im Juni 2020 veröffentlichte erste Version der Taxonomie-Kriterien.

Bis zu 25 Stunden pro Projekt

Die bei fast allen Projekten vorhandenen Datenlücken waren bei Wohngebäuden und größeren Immobilien besonders groß, wohingegen Gewerbeimmobilien und kleinere Gebäude bessere Grundlagen hatten. Auffällig war, dass zertifizierte Gebäude ihre Konformität häufiger nachweisen konnten, also besser auf die Anforderungen der Taxonomie vorbereitet sind. Die Aufwände zur Bearbeitung des Assessments variierte stark zwischen zwei und 25 Stunden pro Projekt. Auch hier hatten zertifizierte Gebäude Vorteile gegenüber nicht-zertifizierten. Diese verfügen somit auch prozessual über eine bessere Grundlage zur für die Taxonomie erforderlichen Dokumentation.

„Die Studie zeigt, dass die Branche das Thema Transparenz zu lange vernachlässigt hat“, sagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Denn mit einer Zertifizierung erfassen wir Informationen, die ohnehin da sein sollten und wichtig zur Bewertung der Nachhaltigkeitsqualität sind. Insofern ist dieses Ergebnis der Studie eine gute Nachricht für all diejenigen, die sich schon länger mit der Zertifizierung beschäftigen. Sie haben einen Vorsprung, den andere erst aufholen müssen.“ Und Konrad Hedemann, ESG Associate bei der Allianz Real Estate GmbH, Deutschland, kommentiert: „Die Teilnahme an der Studie war für uns wichtig, um die Informationsbasis über unsere Immobilienanlagen anhand der Taxonomie zu bewerten. Die Studie hat uns aufgezeigt, wo mögliche blinde Flecken sind und wo wir uns besser auf die Zukunft vorbereiten können.“

Aufwand gering halten

Ebenfalls gezeigt habe sich, dass die Marktteilnehmer vielfach noch nicht hinreichend auf die EU-Taxonomie vorbereitet sind. Einerseits erreichen einige Gebäude die notwendige Qualität nicht. Aber auch das Thema Informationsbereitstellung steht im Fokus. „Sie müssen sich dezidiert mit den Anforderungen auseinandersetzen, um zu verstehen, wie sie das Ganze sinnvoll in ihre Prozesse integrieren können, um die Aufwände möglichst gering zu halten“, sagt Lemaitre. „Hier empfehlen wir, dass die Unternehmen zentrale Daten-Repositorys aufbauen und standardmäßig nutzen.“ Gerade für eine Skalierung auf ganze Portfolios sei dies ein wichtiger Schritt.

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