Imagepflege beim Daimler
Eben war sie noch CEO bei Avon in New York, jetzt soll Andrea Jung die Arbeit von Daimler-Boss Dieter Zetsche beaufsichtigen. Kann das gut gehen?
Bei der jüngsten Daimler-Hauptversammlung in Stuttgart stand ein Punkt auf der langen Tagesordnung, der so manchem Großaktionär gar nicht gefallen wollte. Und zwar stieß die planmäßige Neubesetzung von Aufsichtsratsposten beim einflussreichen Pensionsfonds Hermes auf Widerstand. Wie kurz vor dem Aktionärstreffen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu lesen war, bezweifelte Christoph Hirt, Manager des besagten Fonds, ob im Aufsichtsrat von Daimler genug Autowissen versammelt sei. Hirt missfiel die Nominierung von Andrea Jung, die vor nicht allzu langer Zeit noch die Geschicke des Puder- und Schminkefabrikanten Avon gelenkt hatte.
Doch Hirt irrt. Denn nachdem Mercedes laut Branchenexperten optisch hinter den Produkten von BMW und Volkswagen hinterherfährt, überholt der Daimler-Aufsichtsrat nun in diesem Kriterium den Volkswagen-Aufsichtsrat, wo sich Fachfrau Ursula Piëch breit gemacht hat. Jung kaschiert auch locker den Schnauzbart des Vorstandsvorsitzenden Zetsche. Doch für Daimler – und natürlich auch für portfolio institutionell – zählen vor allem die inneren Werte. Nun kann Daimler zum Beispiel besser Bilanzkosmetik betreiben. Womöglich verbirgt sich hinter der Nominierung aber auch eine neue Vertriebsstrategie. Avon-Produkte werden zu einem großen Teil durch Haustürgeschäfte verkauft. Achtung: Falls es jetzt gerade an Ihrer Tür klingelt, könnte es Dieter Zetsche sein.
Avon kommt derzeit übrigens auf einen Börsenwert von rund sieben Milliarden Euro (bei Daimler sind es über 44 Milliarden) und eine Präsenz in über 100 Ländern und ist mithin ein Unternehmen, bei dem man das „Business“ von der Pike auf lernen kann. So gesehen kann man davon ausgehen, dass sich die erfahrene Managerin auch die Feinheiten der Automobilbranche zügig aneignen wird und Firmenlenker Zetsche bei schwacher Leistung mit der Puderquaste droht.
Doch selbst diese Form der „Grundausbildung“ ist allemal noch mehr wert als das, was viele andere Aufsichts- und Verwaltungsräte zu bieten haben. Das ist auch der Grund, weshalb der Deutsche Corporate Governance Kodex hinsichtlich der Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern empfiehlt, dass dem Aufsichtsrat „jederzeit Mitglieder angehören, die über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen.“ Leider bringen nicht alle Kandidaten die von Experten geforderte professionelle Sachkompetenz und Lösungsorientierung sowie Strategie- und Veränderungskompetenzen mit. Man denke nur an die unzähligen Berufspolitiker, die auf einschlägigen Verwaltungsratsposten bei Banken, Sparkassen und in den Gremien von Industriekonzernen Platz genommen haben. So gesehen scheint die Avon-Lady bei Daimler noch die Idealbesetzung zu sein. Und der Frauenquote im Konzern tut es auch gut. Nun sitzen fünf Frauen im Aufsichtsrat, eine Quote von 25 Prozent.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio institutionell ein gepflegtes Wochenende.
Schreiben Sie einen Kommentar