Alternative Anlagen
13. September 2024

Im Osten geht die Sonne auf

Etwa 30 Kilometer südlich von Leipzig erstreckt sich am Hainer See der größte Photovoltaik-Park Deutschlands. Eigentümer und Darlehensgeber sind verschiedene Gesellschaften der Signal-Iduna-Gruppe. Andreas Gründemann und Christoph Lüken geben Einblicke in das Projekt und dessen Finanzierung.

Es ist eine Freifläche von 500 Hektar – von der Größe her vergleichbar mit dem Flughafen Hamburg: Am Hainer See südlich von Leipzig ist kürzlich das größte Photovoltaik-Projekt Deutschlands in Betrieb gegangen. Am 3. Juli wurde die Anlage mit einer Leistung von insgesamt 650 Megawatt peak (MWp) feierlich eröffnet. „Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Bestandteil unserer Kapitalanlagen und fest in unserer Strategie verankert. Mit der Investition in dieses Leuchtturmprojekt der Energiewende werden wir unserer Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft gerecht und geben einen wichtigen Impuls für die Belebung der Region“, sagte Martin Berger, Finanzvorstand von Signal Iduna, anlässlich des Festakts im Beisein des sächsischen Ministerpräsidenten.

Der Solarpark, offiziell „Energiepark Witznitz“ genannt, hat seinen Namen von dem ehemaligen Braunkohletagebaugelände Witznitz, dessen Betrieb in Teilen bereits nach dem Zweiten Weltkrieg und dessen Teilgebiet Witznitz II zu Beginn der 90er Jahre stillgelegt wurde. Seitdem wurde die Fläche mehrfach renaturiert. Die Sicherung der Grundstücke für den heutigen Solarpark erfolgte bis Mitte 2022, nach erfolgter Genehmigung begann man mit dem Bau. Bereits Ende 2023 konnte ein Stromabnahmevertrag mit Shell Energy Europe geschlossen werden, in Betrieb ging die Anlage dann im April 2024. Nach Angaben von Finanzvorstand Martin Berger hat Signal Iduna insgesamt 485 Millionen Euro in das Projekt investiert.

Aus Sicht von Andreas Gründemann braucht es für die Transformation auch die großen Energieunternehmen.

Finanziert haben das Großprojekt verschiedene Gesellschaften der Signal-Iduna-Gruppe, so Andreas Gründemann, Bereichsleiter Vermögensverwaltung, -planung und -controlling bei Signal Iduna. „Die Mittel sind bereits ausgezahlt, an der Finanzierungsstruktur beteiligt sind die Signal Iduna Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit, die Krankenversicherung sowie die Schaden-/Unfallversicherung und die noch recht junge Lebensversicherungstochter, die Signal Iduna Lebensversicherung AG, die nachhaltig anlegt.“

Investiert wurde in Erstrangtitel bis hin zu Eigenkapitalinvestments „je nach Risikotragfähigkeit. Die Investments der Signal-Iduna-Gruppe bilden fast die gesamte Wertschöpfungskette des Projekts ab“, so Andreas Gründemann. Wie Gründemann auf Nachfrage erläutert, entfällt der Hauptanteil der Finanzierungen in etwa je hälftig auf die zwei großen Personengesellschaften, die Signal Iduna Lebensversicherung a.G. und die Signal Iduna Kranken­versicherung a.G. „Die Verbindlichkeiten sind hierbei über die konzerneigene KVG mit Sitz in Luxemburg, die Hansainvest Lux, verbrieft worden.“

Zum Hintergrund: Die Hansainvest als Service-KVG der Signal-Iduna-Gruppe ist seit 1988 mit der 100-prozentigen Tochtergesellschaft Hansainvest Lux in Luxemburg aktiv. Zugleich ist laut Geschäftsbericht 2023 die Signal Iduna ­Lebensversicherung zu 60 Prozent und die Signal Iduna Krankenversicherung zu 40 Prozent an der Hansainvest Real Assets GmbH beteiligt.

Christoph Lüken findet, dass sich Solarenergie gerade mit Onshore-Wind im Portfolio gut ergänzt.

Die Hansainvest Real Assets managt als konzerneigener Asset Manager die Beteiligung am Energiepark Witznitz: „Wir sind zu ökonomisch 93 Prozent Eigentümerin des Energiepark Witznitz“, stellt Christoph Lüken, einer der Geschäftsführer der Hansainvest Real Assets GmbH und Leiter des Projekts in Witznitz, fest. Dieser Anteil entspreche der vielfach in Medien zitierten Kapazität von 605 Megawatt. Die restlichen 45 Megawatt, und die entsprechenden verbleibenden sieben Prozent des Parks, befinden sich im Eigentum des Betriebsführers und Projektentwicklers des Solarparks, der Move On Energy GmbH.

Finanzierung mit Reservepuffer

Zudem erfolge die Finanzierung ausschließlich innerhalb des Versicherungskonzerns Signal Iduna. „Die Hansainvest Real Assets fungiert als Projektierer, Strukturierer und Asset Manager, außerhalb der Gruppe ist kein weiterer Dritter mit involviert“, so Lüken. Dies bestätigt auch Andreas Gründemann: „Die gesamte Finanzierung funktioniert ohne externe Dritte und so haben wir beispielsweise auch keine Banken mit an Bord genommen.“

Zugleich seien die durch die Versicherung gesetzten Renditeanforderungen langfristiger ausgerichtet als im Markt für Infrastrukturinvestments allgemein zu beobachten ist. „Viele Infrastrukturprojekte am Markt gehen eine Wette auf die Zukunft ein“, sagt Andreas Gründemann. „Dabei wissen wir heute noch nicht, wie sich die Technologie in 15, 20 oder gar 30 Jahren entwickelt haben wird oder wie die Erträge aus dem Stromverkauf am Markt nach diesem Zeitraum aussehen werden.“ Man plane deshalb mit einem Reservepuffer. „Wir müssen keine Internal Rate of Return (IRR) von zehn Prozent sehen, sondern legen den Fokus auf eine laufende, stetige Verzinsung. In der Struktur haben wir einen Reservepuffer und auch eine tilgende Komponente vorgesehen – das ist uns wichtiger als die Ertragsmaximierung“, so Gründemann. „Die Struktur der Finanzierung ermöglicht es uns, über die Laufzeit Reserven für eventuelle (technologische und witterungsbedingte) Unwägbarkeiten aufzubauen. Zudem sind auch Sondertilgungen während der Laufzeit möglich“, so der Kapitalanlage-Leiter. Und Projektleiter Christoph Lüken ergänzt: „Wir haben mit diesem Projekt bewusst auf IRR verzichtet, sind nicht IRR driven, sondern vielmehr yield driven. Unser Investmenthorizont sind 30 Jahre und gegebenenfalls mehr. Der Pachtvertrag mit dem Betreiber läuft über 30 Jahre mit Möglichkeiten der Verlängerung.“

Der Stromabnahmevertrag in Form eines Power Purchase Agreements (PPA) mit Shell beginnt erst ab dem 1. Januar 2025. Das PPA hat eine Laufzeit von 15 Jahren. Im Augenblick befinde sich das Projekt daher quasi noch in einer Testphase: „Die Vermarktung des erzeugten Stroms erfolgt in dieser Zwischenphase­ vor Beginn der Laufzeit des PPA über den Spotmarkt“, erläutert Christoph Lüken. „Wir speisen über unser Umspannwerk den Strom direkt ins Höchstspannungsnetz von 50 Hertz ein. Bei diesem PPA handelt es sich also um ein virtuelles PPA“, erläutert Lüken. Partner dieses virtuellen PPA mit einem festen Stromabnahmepreis ist Shell plc mit Sitz in UK. Ab kommendem Januar findet der in Witznitz produzierte Strom Abnehmer, die wiederum Verträge mit Shell eingehen. Einen Direktabnehmer, der den Strom zum Beispiel für die eigenen Produktionsanlagen direkt verbraucht, gibt es bei dieser Form des PPA nicht.

Auch über das Für und Wider des Vertragspartners Shell habe man in der Due Diligence ­ausführlich diskutiert, so Andreas Gründemann. Hintergrund war, dass viele Mineralölunternehmen beispielweise auch in die Erschließung neuer Ölfelder investieren. „Es war im Vorfeld durchaus ein Thema für uns, ob wir Shell als Partner wählen, aber unsere Überlegungen gingen auch in die Richtung, dass die Transformation nur funktionieren kann, wenn auch große, kapitalstarke Energieunternehmen auf Erneuerbare Energien umsteuern“, erklärt Andreas Gründemann. „Wir können als Versicherung hierzu einen großen Beitrag leisten und dafür sorgen, dass es zu einem Umdenken und zum Gelingen der Energiewende kommt.“ Zudem waren auch finanzielle Überlegungen ausschlaggebend: „Wir haben bei der Auswahl eines möglichen Partners sehr auf dessen Bilanz geachtet. Ein stabiles Balance Sheet war eine maßgebliche Voraussetzung für uns und Shell verfügt über eine recht stabile Bilanz“, so Projektleiter Lüken.

In der Gas-Krise bewährt

Es handelt sich bei Witznitz um den größten zusammenhängenden Solarpark in Europa. In Südeuropa gibt es zwar teilweise noch größere Projekte, erläutert Geschäftsführer Lüken: „Das sind jedoch ‚Agglomerationen‘ von Solaranlagen mit gemeinsamer Infrastruktur, die aber nicht in einer einheitlichen Fläche zusammenhängen, wie es bei Witznitz der Fall ist.“ Die Leistung des Solarparks von 605 Megawatt allein reiche aus, um den durchschnittlichen Jahresbedarf von 200.000 Vier-Personen-Haushalten zu decken, was einer Emissionseinsparung von mehr als 250.000 Tonnen Kohlendioxid entspricht. Zudem ist man beim Energiepark Witznitz stolz, nachhaltig und rein privatwirtschaftlich zu investieren.

Ausschlaggebend für das Investment seien Erfahrungen aus der Gas-Krise 2022 gewesen, so Gründemann. „In Zeiten der Gas-Krise hat sich gezeigt, dass Infrastruktur als einzige Asset-Klasse negativ korreliert war zu Renten und auch Aktien. Das bedeutet, dass der Wert von Infrastrukturprojekten gestiegen ist, während der Wert von Aktien und Anleihen gefallen ist. Ein Grund dafür waren die stark gestiegenen Strompreise, von denen Infrastrukturprojekte oft profitiert haben. Infrastruktur hat also gut als Diversifikator funktioniert“, so Gründemann. „Solarenergie ist dabei das stabilste Segment und weist die geringste Volatilität auf.“ Onshore-Windkraft habe ein noch geringeres Risikoprofil, doch sei sie oftmals durch die regulatorischen Anforderungen an die Flächen weniger effizient umzusetzen. Auch Windkraftanlagen im Meer haben Vorteile: „Langfristig hat Offshore ein höheres Potenzial, in der Vergangenheit haben wir in zwei Projekte investiert und unseren Zins und Tilgung ausnahmslos bekommen“, erinnert sich Andreas Gründemann. Christoph Lüken wirft ein, Onshore-Windkraft und Solarenergie ergänzten sich sehr gut: „Wir machen überwiegend Onshore-Wind und Solarenergie in Westeuropa: Windkraft liefert im Dezember, Januar und Februar, was üblicherweise schwache Monate für Photovoltaik sind, die höchsten Erträge. In Kombination erzeugen beide Segmente also über das Jahr verteilt einen guten Strommix“, so Lüken.

Die Netzstabilität ist bei Renewables im Allgemeinen ein Problem, das es zu adressieren gilt: Ist der Ertrag niedrig, drohen Ausfälle im Netz; speisen die Produzenten dagegen zu viel Strom ins Netz ein, kostet dieser fast nichts – auch dann drohen Stromausfälle. Eine mögliche Lösung können Batteriespeicher sein. Auch daran wird in Witznitz geforscht: „Die Zwischenspeicherung in Batterien birgt sehr viel Potenzial. Wir schauen uns daher an, welche Möglichkeiten es für Witznitz gibt, künftig Batteriespeicher anzubinden“, erläutert Projektleiter Lüken. Zudem leiste man durch das Bereitstellen von Blindleistung auch einen Beitrag für die Stabilität des Stromnetzes.

Bleibt die Risikoperspektive. In Witznitz sind 1,1 Millionen Solarmodule des chinesischen Herstellers Jinko verbaut. Hinzu kommen 3.500 String-Wechselrichter aus Taiwan. Lüken begründet die Entscheidung dafür mit dem großen Bedarf: „Hätten wir einen europäischen Hersteller beauftragt, so hätten wir bezogen auf die Menge der zu installierenden Module weit mehr als dessen gesamte Jahresproduktion für unseren Solarpark benötigt.“ Andreas Gründemann verweist auf Abhängigkeiten, die nun in Sachen Gewährleistungsansprüche und der Lieferung von Ersatzteilen bestehen. „Das ist ein unternehmerisches Risiko, was wir tragen.“ Lüken betont, man habe mit Jinko zudem einen Code of Conduct und sich zusichern lassen, dass Menschenrechtskonventionen seitens des Unternehmens beachtet würden.

Photovoltaik auf einer „Mondlandschaft“, wie Finanzvorstand Martin Berger es in einem Interview mit der Wirtschaftswoche kürzlich ausdrückte, erscheint gut für die Energiewende und zumindest neutral in puncto Biodiversität zu sein. Aber das Projekt will mehr: Zusätzlich zu den mit Solarmodulen bestückten 500 Hektar gibt es noch 150 Hektar an sogenannten Ausgleichsflächen, auf denen umfangreiche Maßnahmen für Naturschutz und Biodiversität umgesetzt wurden. So gibt es entlang von 21 Kilometern Feldhecken als Sichtschutz und Brutgebiet für verschiedene Vogelarten und Raum für Nagetiere, Blühwiesen wurden angelegt sowie Nistkästen für Vögel und Fledermäuse installiert. Auch soll der lokale Tourismus mit Wander-, Reit- und Fahrradwegen rund um den Solarpark gefördert werden, die das ehemalige Braunkohlerevier zum Naherholungsgebiet machen sollen. „Wir haben diese zusätzlichen Maßnahmen zur Förderung des Naturschutzes und des Ökotourismus proaktiv in das Angebot an die angrenzenden Gemeinden mit hineingegeben“, erinnert sich Projektleiter Christoph Lüken. Die an den Energiepark angrenzenden Gemeinden sind Neukieritzsch, Böhlen und Rötha. Künftig wird auf dem Gelände des Projektentwicklers Move On Energy auch Agri-PV erprobt: „Durch Glas-in-Glas-Module kann grundsätzlich genügend Licht für einen Anbau von anspruchsloseren Pflanzen durchkommen. „Durch die Bodenreflexion des Lichts von unten wird zudem noch zusätzliche Energie ins Modul eingebracht“, so Lüken. Und Gründemann ergänzt: „Der Einsatz von Agri-PV könnte potenziell einen Mehrertrag liefern, für unsere Berechnungsgrundlage spielte das jedoch keine Rolle.“ Insgesamt verwalten die Versicherungsgesellschaften der Signal-Iduna-Gruppe aktuell Infrastrukturinvestments (Equity und Debt) im Volumen von 2,7 Milliarden Euro. Der Anteil der Erneuerbaren Energien liege bei etwa zwei Dritteln dieser Summe. Der Anteil des Solarpark Witznitz am Infrastrukturportfolio ist also relativ groß.

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