Häppchen in der Handelsbilanz
Unter den Experten herrscht Uneinigkeit, wie in der Handelsbilanz mit Einmalbeiträgen bei der Auslagerung
von Versorgungszusagen umzugehen ist. Eine kleine Fraktion plädiert für die Verteilung auf mehrere Jahre.
Die Wirtschaftsprüfer vom IDW fordern den vollen Ansatz der Differenz zur bisherigen Rückstellung.
Die höheren Pensionsrückstellungen, die sich durch das Bilanzrechts-Modernisierungsgesetz ergeben haben, beflügeln nach Meinung von Experten die Auslagerung von Pensionsverpflichtungen. Immerhin belasten Pensionszusagen die Unternehmensbilanzen und führen zu betriebswirtschaftlichen Unwägbarkeiten, die eine langfristige Kalkulation und Planung erschweren. Vor allem bei Gesprächen über Bankkredite, bei Verhandlungen mit Unternehmenskäufern oder beim Ausstieg des bisherigen Inhabers kommt die Problematik der bilanzbelastenden Pensionsverpflichtungen auf den Tisch.
Lösungen für eine Auslagerung auf externe Versorgungsträger existieren seit geraumer Zeit und werden in mehr oder minder großem Umfang genutzt. Sie sind noch nicht vollkommen, weil zum Beispiel in der Regel nur der Past-Service, also die bereits erdienten Versorgungsanwartschaften, auf einen Pensionsfonds übertragen werden kann. Für den Future-Service muss zumeist noch zusätzlich eine Unterstützungskasse eingesetzt werden. Doch während über die Zwangsehe von Pensionsfonds und Unterstützungskasse schon viel gesprochen und geschrieben wurde, fand laut einiger bAV-Experten ein anderes Thema bislang zu wenig Aufmerksamkeit: die Behandlung des Auslagerungsbetrages in der Handelsbilanz. Albert A. Gellrich, Geschäftsführer des Consulting-Unternehmens „Das Institut betriebliche Altersversorgung + Wertkonten Beratungsgesellschaft mbH“, schildert das Problem: „In der Steuerbilanz macht das Unternehmen den Gesamtaufwand für die Übertragung an den Pensionsfonds zunächst in vollem Umfang geltend. Außerbilanziell muss dann allerdings korrigiert werden, da im Jahr der Auslagerung als steuerlicher Abzugsposten nicht mehr angesetzt werden darf als die aufzulösende Rückstellung des Vorjahres. Steuerlich müssen die Unternehmen also immer einen Merkposten mitführen, dass noch ein Abzugsbetrag vorhanden ist, der geltend gemacht werden kann.“ Diese Regelung ist den Steuerberatern der Unternehmen meist geläufig: Übersteigt der Betrag, der zur Ausfinanzierung an den Pensionsfonds überwiesen wird, die bislang gebildeten Rückstellungen, dann muss der Differenzbetrag auf die folgenden zehn Jahre verteilt werden.
Aber was geschieht in der Handelsbilanz? „Da im Regelfall der an den Pensionsfonds zu leistende Beitrag über dem aufzulösenden Wert der Rückstellung in der Handelsbilanz liegt, entstünde in der Handelsbilanz ein Verlust, wenn der gesamte Betrag auf einen Schlag angesetzt würde. Dieser kann erheblich sein und vor allem kleinere und mittlere Unternehmen an den Rand des Ruins bringen“, schildert Gellrich seine Sichtweise auf das Problem. Daher tauche die Frage auf, ob der Betrag, der die Rückstellung übersteigt, aktivisch abgegrenzt werden kann, indem ein Rechnungsabgrenzungsposten gebildet wird. Stefanie Alt, Prokuristin bei der Nürnberger Beratungs- und Betreuungsgesellschaft für betriebliche Altersversorgung und Personaldienstleistungen, hat sich bereits in der Fachliteratur mit diesem Problem auseinandergesetzt und bejaht wie einige andere Berater diese Frage. Die Aktivierung eines Rechnungsabgrenzungspostens sei gerechtfertigt, da der die aufzulösende Rückstellung übersteigende Aufwand zu einer Aufwandsvorverlagerung führt. Aber unter den Befürwortern eines Abgrenzungspostens gehen bereits die Meinungen darüber auseinander, wie lange dieser Posten mitgeführt werden kann. Dr. Stefanie Alt plädiert für eine Analogie zum steuerlichen Verfahren und damit für eine Auflösung des Abgrenzungspostens über zehn Jahre. Die Verrechnung in den steuerlich vorgesehenen folgenden zehn Wirtschaftsjahren sei auch handelsrechtlich anzuerkennen. Als Begründung führt sie die vergleichbaren Wahlrechte des Paragrafen 6a Absatz 4 Satz 2 ff. des Einkommensteuergesetzes an.
Doch nicht alle teilen diese Meinung ohne weiteres. Prof. Dr. Dietmar Wellisch, Geschäftsführer der Wellisch Steuerberatungsgesellschaft und Leiter des wirtschaftswissenschaftlichen Bereichs des International Tax Institute der Universität Hamburg, weist auf den deutlich über den Bilanzstichtag hinausgehenden Zukunftsbezug von Teilen des Auslagerungsbetrages hin. Die Übernahme der Versorgung in Höhe der bisher erdienten Ansprüche sei nur die erste Teilgegenleistung für den Auslagerungsbetrag. Der Aufwand dafür sei sofort im Auslagerungsjahr bilanziell zu erfassen und bemesse sich nach dem auf den Past-Service entfallenden Teil der handelsrechtlichen Pensionsrückstellung. Als zweite Teilleistung übernehme der Pensionsfonds in den Folgejahren die Ausfinanzierung der Zusage und schließlich die Versorgung des Rentners. Diese Dienstleistungen werden jedoch im Zeitraum nach der Auslagerung bis zum Ende der Versorgung erbracht. Der dafür anfallende Aufwand ist laut Wellisch die Differenz zwischen Auslagerungsbetrag und aufgelöster Rückstellung.
Nach dieser Auffassung läuft der Rechnungsabgrenzungsposten so lange, bis die Rentenzahlung eingestellt wird, wenn der Versorgungsempfänger verstirbt. Dieser Zeitpunkt ist ex ante nicht bekannt. Wellisch hält aber die Schätzung der Lebenserwartung mit Hilfe von Sterbetafeln auch für die Handelsbilanz für zulässig, da diese ohnehin mittelbar in die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen dem auslagernden Unternehmen und dem Pensionsfonds eingehen. Voraussetzung sei allerdings, dass die entsprechenden Informationen verfügbar und hinreichend valide sind und dass der Bilanzierende in der Lage ist, die dafür notwendigen Berechnungen durchzuführen. Gellrich hält dieses Verfahren nicht für geeignet: „Der Abgrenzungsposten läuft dann die nächsten ‚100‘ Jahre in der Bilanz mit. Außerdem wären Handels- und Steuerbilanz nicht konform. Zweckmäßig und einfacher ist es für das Unternehmen und seine Berater, genauso zu verfahren wie im Steuerrecht.“
Thomas Hagemann, Chefaktuar bei Mercer Deutschland, sieht hingegen keinen triftigen Grund, den Auslagerungsbetrag nicht sofort in voller Höhe im Jahr der Auslagerung in der Handelsbilanz als Aufwand anzusetzen: „Dieser Aufwand betrifft eindeutig in der Vergangenheit entstandene Verpflichtungen.“ Seiner Erfahrung nach liegt das Problem der Unternehmen vor allem in der Beschaffung der nötigen Liquidität, weniger in der bilanziellen Belastung durch den zusätzlichen Aufwand. „Wenn ein Unternehmen bei einer Rückstellung von einer Million Euro einen Auslagerungsbetrag von 1,2 Millionen benötigt, dann sind nicht die 200.000 Euro Mehraufwand erheblich, sondern die Bereitstellung von 1,2 Millionen Euro. Wenn die Liquidität da ist, dann ist der Aufwand häufig auch bilanziell zu verkraften“, so Hagemann. Nichtsdestotrotz kann er sich durchaus vorstellen, dass von den Wirtschaftsprüfern eine Verteilung wie in der Steuerbilanz anerkannt wird.
_Rückstellung ist nicht zwangsläufig geringer
Hagemann macht zugleich auf einen anderen Aspekt aufmerksam: Zwar falle der Auslagerungsbetrag fast immer höher aus als die Rückstellung in der Steuerbilanz. Das bedeute aber nicht, dass er zwangsläufig größer ist als die Rückstellung in der Handelsbilanz. „In der handelsbilanziellen Rückstellung sind Anwartschafts- und Rentendynamiken bereits berücksichtigt. Diese Dynamiken übernimmt der Pensionsfonds aber nicht, weil sie von variablen Größen abhängen. Daher kann es durchaus sein, dass der Auslagerungsbetrag unter der handelsrechtlichen Rückstellung liegt“, so Hagemann. Er räumt jedoch ein, dass bei Gesellschafter-Geschäftsführer-Versorgungen die Auslagerungsbeträge öfter über den Rückstellungen in der Handelsbilanz liegen. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hält ebenfalls eine sofortige aufwandswirksame Erfassung der Differenz zwischen Rückstellung und Einmalzahlung an den Pensionsfonds für erforderlich. „Die Einmalzahlung stellt den Preis dar, zu dem der Pensionsfonds bereit ist, die bestehende Altersversorgungsverpflichtung vom Unternehmen zu übernehmen. Eine Differenz zwischen Einmalzahlung und bestehender Rückstellung verkörpert letztlich die Korrektur von in der Vergangenheit zu niedrig erfasster sowie durch die Übertragung der Verpflichtungen zusätzlich verursachter Aufwendungen. Beides stellt für den Bilanzierenden keinen künftigen Vorteil dar, der eine Aktivierung rechtfertigen könnte“, erläutert Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Norbert Breker, Fachleiter des IDW.
Die Experten sind durchaus unterschiedlicher Auffassung. Das macht es den Unternehmen nicht unbedingt leichter. Gellrich weist noch auf ein weiteres Hindernis hin: „In der Praxis haben sich viele Unternehmen mit der handelsrechtlichen Behandlung des Auslagerungsbetrages noch gar nicht intensiv beschäftigt. Die Produktanbieter lassen die Kunden mit diesem Problem meist allein.“
Autoren: Klaus Morgenstern In Verbindung stehende Artikel:
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