Großes Interesse an Pflegeheimen
Pandemie betont Bedeutung von sozialer Infrastruktur. Betreiberrisiko im Fokus.
Wohnungen und Logistik sind die derzeitigen Lieblingssegmente von Immobilieninvestoren. Anfang des Monats ging der Dienstleister Savills der Frage nach, was in diesem Jahr aber auch interessante alternative Investitionen sein könnten. Für Savills sind es neben Forschungszentren und Rechenzentren Immobilien, die der Gesundheitsversorgung dienen. Infrage kommen laut Savills „Seniorenwohnanlagen und Pflegeheime in Ländern mit einer alternden Bevölkerung wie Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, die Niederlande und Schweden“.
Auch bei Asset Managern liegt dieser Sektor im Trend. Ende 2020 verkündeten beispielsweise Verifort und Agora die Auflage entsprechender Fonds. Ebenfalls wurden diverse Transaktionen auf dem deutschen Markt bekannt. Anfang Februar hat Patrizia den Kauf von drei deutschen Pflegeheimen für den bereits dritten Social Care Fund gemeldet. Verkäufer war die Aachener Grundvermögen. Die drei Pflegeheime umfassen eine Gesamtmietfläche von etwa 15.500 Quadratmetern und sind im Schnitt über zwölf Jahre vermietet. Die Objekte zeichnen sich laut Patrizia durch ein diversifiziertes Angebot, einen hohen Anteil an Einzelzimmern sowie durch namhafte Betreiber aus.
Lange Laufzeiten
Im Dezember machte die Aviarent Invest AG publik, dass man ein Portfolio von insgesamt zehn Seniorenresidenzen in Deutschland an das schwedische Unternehmen Hemsö Fastighets AB veräußert hat. Ein Großteil der Objekte befinde sich in großen deutschen Metropolregionen und beinhalte Verträge mit neun verschiedenen Pflegeheimbetreibern als Mieter. Das Transaktionsvolumen beläuft sich auf insgesamt mehr als 90 Millionen Euro. Die zehn Objekte haben eine Fläche von 59.000 Quadratmetern und weisen eine durchschnittliche Mietdauer von elf Jahren auf. In Deutschland besitzt und verwaltet Hemsö Gemeinschaftsimmobilien im Wert von rund zehn Milliarden Euro, vor allem im Bereich der Altenpflege. Laut der Pressemitteilung sei Hemsö damit einer der größten Eigentümer von Pflegeheimen in Deutschland.
BNP Paribas Real Estate Investment Management (REIM) erwarb Ende 2020 für einen Healthcare-Immobilienfonds ein Portfolio von fünf Pflegeheimimmobilien in Deutschland. „Der europäische Gesundheitssektor zeichnet sich durch überdurchschnittliche Wachstumschancen bei hoher Stabilität aus. Mit dem gut positionierten Portfolio gelingt dem Fonds der Eintritt in den besonders interessanten deutschen Gesundheitsmarkt,“ erklärte Isabella Chacón Troidl, Chief Investment Officer von BNP Paribas REIM Germany. Die fünf Objekte werden laut der Pressemitteilung von zwei renommierten Unternehmen im deutschen Pflegeheimmarkt betrieben. Drei der fünf Pflegeheime werden von Alloheim, der Nummer 2 im deutschen Markt, betreut. Die zwei anderen Objekte werden von Dorea, einer Tochtergesellschaft der französischen Gruppe Maisons de Famille, betrieben. Die Objekte weisen einen hohen WALT (Weighted Average Lease Term) von 17,1 Jahren auf, der sich einschließlich Verlängerungsoptionen sogar auf 23,5 Jahre beläuft. Die Belegungsquote der Einrichtungen beträgt aktuell fast 98 Prozent.
Korrelation, Planbarkeit und Resilienz
Wie aus den Meldungen der drei Häuser herauszulesen ist, ist der Bedarf an diesen Einrichtungen hoch. Attraktiv sind für Investoren auch die langlaufenden, unkorrelierten Erträge. Michael Eisenmann von Drees & Sommer beschreibt, dass gerade unter dem Eindruck von Corona die besonderen Eigenschaften von Seniorenimmobilien immer stärker Beachtung finden: „Die Konjunkturunabhängigkeit der Betreiberimmobilien mit langfristig gesicherten und indexierten Cashflows und einer weitgehend durch die demografische Entwicklung abgesicherten Nachfrage sind insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Abschwächungen für immer mehr Investoren interessant“, so Eisenmann.
Nach Einschätzung von Franklin Templeton hat die Pandemie den Bedarf an sozialer Infrastruktur und die Belastbarkeit entsprechender Investments noch einmal besonders betont. Bereits vor dem Ausbruch des Virus habe europaweit die jährliche Investitionslücke bei sozialer Infrastruktur zwischen 100 und 150 Milliarden Euro gelegen. Der Asset Manager investiert mit einem Impact-Immobilienfonds in soziale Infrastruktur in ganz Europa, also nicht nur in Krankenhäuser und Pflegeheime, sondern auch in bezahlbaren Wohnraum, beispielsweise Studentenwohnheime, und Bildungseinrichtungen wie Schulen und Hochschulen. In Deutschland wurde bereits eine Immobilie im Bereich Bildung erworben.
Risikofaktoren: Betreiber, Abnutzung, Personal
Risikolos ist aber auch soziale Infrastruktur nicht. Insbesondere gilt es das Betreiberrisiko zu beachten. Gaston Brandes, Head Institutional Portfolio Manager bei Franklin Real Asset Advisors, betont gegenüber portfolio institutionell, dass man das operative Risiko, also das Mieterkreditrisiko, aus unterschiedlichen Blickwinkeln genau betrachtet. Dazu zählen die Finanzdaten des Mieters und die operative Historie des Objekts. „Bei der Betrachtung der Finanzdaten des Mieters achten wir vor allem darauf, dass der konsolidierte Betrieb des Mieters nachhaltig ist. In ähnlicher Weise schauen wir uns die Betriebshistorie auf Anlagenebene an, um sicherzustellen, dass wir ein Gebäude mit nachhaltiger Leistung kaufen.“ Zusätzlich zur Historie prüfe man auch genau die GuV-Prognosen. Ein weiterer Punkt sind mögliche Drittverwendungsmöglichkeiten. „Darüber hinaus mindern wir jegliches Betriebsrisiko des Mieters, indem wir nach Objekten mit einem hohen alternativen Nutzungswert suchen, bei denen der zugrundeliegende Wert des Grundstücks mit einem umgewidmeten Objekt (zum Beispiel Gesundheitswesen versus Wohnen) höher ist als der aktuelle Investitionswert“, so Brandes.
Materialisiert hat sich das Betreiberrisiko beispielsweise für die Geldgeber der Senivita. Der Entwickler und Betreiber von Senioreneinrichtungen in Bayern hat am 29. Januar Insolvenzantraggestellt. Im „Feuer“ stehen nun ein Genussschein und eine KMU-Anleihe.
Pflegeheime brauchen viel Pflege
Neben dem Betreiberrisiko ebenfalls zu beachten sind die Abnutzung und die Mitarbeiter. Auch die Instandhaltung von Seniorenimmobilien – sei es nun von klassischen Pflegeheimen oder von Einrichtungen im Bereich Betreutes Wohnen – stelle Betreiber und Investoren vor Herausforderungen, meint Michael Eisenmann. „Aufgrund der Nutzung sowie der starken Beanspruchung besteht ein erhöhter Abnutzungsgrad.“ Dadurch würden Reinvestitionskosten früher anfallen als in anderen Asset-Klassen. Neben dem baulichen Nachholbedarf gilt es insgesamt auch, den Fachkräftemangel – sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich anzugehen. Für Eisenmann steht somit fest: „Investoren müssen beachten, dass der Business-Case für das einzelne Investment am Ende auch maßgeblich davon abhängt, wie die Pflegequalität und Versorgungslage sichergestellt werden.“
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Soziale Infrastruktur | Sozialimmobilien
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