Gezeitenwandel in der Pensionswelt
Japans Pensionsfonds wandeln ihre Portfolios. Die alles dominierende Asset-Klasse, heimische Staatsanleihen, wird zunehmend verbannt. Auch im Rest der Pensionswelt bahnt sich eine Wachablösung an. Eine Studie stimmt schon mal den Abgesang auf leistungsorientierte Pläne an.
Misao Okawa hat es zu Weltruhm gebracht. Mit 115 Jahren führt das Guinness-Buch der Rekorde sie seit März als älteste lebende Frau der Welt. Auch ihre Vorgängerin, Koto Okubo, kam aus dem Land der aufgehenden Sonne. Das verwundert allerdings kaum, schließlich ist Japan noch vor Deutschland das Land mit der am schnellsten alternden Bevölkerung. Bereits heute sind 25 Prozent der japanischen Bevölkerung über 60 Jahre alt. Für Japan und sein Altersvorsorgesystem ist das ein echtes Problem, auch wenn das Land mit rund 3,5 Billionen US-Dollar an Pension Assets zu den größten Pensionsmärkten weltweit gehört. Anders als in Deutschland stecken Japans Pensionsgelder fast komplett (97 Prozent) in leistungsorientierten Plänen, mehr als zwei Drittel davon sind Pensionsfonds des öffentlichen Sektors. In einem Punkt ähneln sich Deutschland und Japan wiederum sehr: in ihrer Rentenlastigkeit in der Anlagestrategie. Insbesondere heimische Staatsanleihen dominieren die Portfolios – zumindest noch. Das könnte sich bald ändern, wenn es nach dem siebenköpfigen Ausschuss geht, den die japanische Regierung mit der Reform der öffentlichen Pensionsfonds beauftragt hat. Ende September verkündete der Ausschuss seine Empfehlung. Die öffentlichen Pensionsfonds sollen weniger in Staatsanleihen des hoch verschuldeten Landes investieren, um das Zinsrisiko zu verringern und die Erträge zu steigern.
Japans staatlicher Pensionsfonds (GPIF) ist diesem Rat schon einmal vorausgeprescht. Im Juni hat die Altersvorsorgeeinrichtung, die mit 1,2 Billionen US-Dollar an Assets größer als die mexikanische Wirtschaft ist, ihre Strategie verändert und Teile des Portfolios gedreht. So wurde das japanische Staatsanleihen-Exposure um sieben Prozentpunkte, sprich: rund 84 Milliarden US-Dollar, auf 60 Prozent gesenkt. Käufer der Papiere dürfte die japanische Notenbank gewesen sein. Diese hat der Dauerdeflation endgültig den Kampf angesagt. Ihr Ziel: Innerhalb von zwei Jahren soll die Inflationsrate auf zwei Prozent getrieben werden. Und so kauft die Bank of Japan monatlich heimische Staatsanleihen im Wert von mehr als sieben Billionen Yen auf. Für den GPIF kam der Verkauf allerdings etwas zu spät, er konnte ihn nicht vor dem im zweiten Quartal erlittenen Rekordverlust in dieser Asset-Klasse bewahren, der die Rendite auf 1,9 Prozent drückte. Zur Erinnerung: Anfang April fielen die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen aus Japan auf den vorläufigen Tiefpunkt von 0,325 Prozent. Inzwischen sind die Renditen wieder gestiegen, relativ gesehen sogar sehr deutlich. Absolut bewegen sie sich aber noch immer auf äußerst mäßigem Niveau. Die Rendite der japanischen Benchmark-Anleihe ist derzeit mit 0,68 Prozent die niedrigste der Welt.
GPIF sortiert seine aktiven Aktienmanager neu
Die Gelder, die durch den Abbau des japanischen Staatsanleihen-Exposures frei wurden, hat der GPIF unter anderem in Aktien ausländischer Unternehmen gesteckt; die Allokation wurde von neun auf 12,9 Prozent (Stand Ende Juni) ausgebaut. Wie die Economic Times Anfang September berichtete, hat der Pensionsfonds für sein rund 159 Milliarden Dollar umfassendes Foreign-Stock-Portfolio acht aktive Asset Manager ausgewählt: Amundi, MFS, Natixis, Nikko Asset Management, BNY Mellon Asset Management, Mizuho Asset Management und Mitsubishi (zwei Mandate). Einige „alte“ Manager, die noch bis Ende März dieses Jahres auf der Liste der „Foreign Stock Managers“ standen, wurden aussortiert. Unter anderem traf es Blackrock, Fidelity, Legg Mason, Nomura und Principal Global Investors. Neben ausländischen Aktien findet sich mit 15,7 Prozent auch eine große Portion heimischer Aktien im Portfolio des Pensionsfonds.
Nicht nur die öffentlichen Pensionspläne Japans haben mit der rapide alternden Bevölkerung zu kämpfen, sondern auch die Pläne aus dem privaten Sektor. Laut einer neuen Studie des britischen Analysehauses Create Research verharren diese seit Jahren bei einem Funding-Level von rund 70 Prozent. „Große Unternehmen schließen ihre Pläne für neue Mitglieder und stellen zunehmend auf beitragsorientierte Pläne um“, heißt es in der Studie weiter. Das spiegelt sich noch nicht in den Zahlen wider. Derzeit machen Defined-Contribution-Pläne nur etwa drei Prozent der japanischen Pension Assets aus.
Oje oje, wenn ich auf die Funding-Levels seh
Auch wenn es den Japanern nicht hilft, so spendet es vielleicht Trost: Sie sind nicht allein! Laut der Create-Research-Studie „Investing in a debt-fulled world“, für die im Frühjahr dieses Jahres 176 Pensionspläne aus 29 Ländern mit Assets under Management von rund fünf Billionen US-Dollar befragt wurden, haben weltweit nur 33 Prozent aller DB-Pläne ein Funding-Level von über 100 Prozent. In den elf Hauptpensionsmärkten mit leistungsorientierten Plänen – dazu gehören neben Japan auch Kanada, Irland, die Niederlande, Skandinavien, Großbritannien und die USA – lag das Defizit 2012 im Schnitt bei 25 Prozent. Zehn Jahre zuvor waren es nur vier Prozent. Create Research macht die Entwicklung der Funding-Levels plakativ am Beispiel der USA deutlich: Ende 2012 hatten die Unternehmen aus dem S&P 500 ein Defizit von rund 610 Milliarden US-Dollar, ein Jahr zuvor waren es 484 Milliarden. „Despite rising markets since the crisis lows in 2008, many plans have gone nowhere due to the falling discount rates caused by QE in Europe and the US“, schreiben die Studienautoren. Die Pläne sind angesichts solcher Defizite zu unrealistisch hohen Renditezielen gezwungen. So benötigen 81 Prozent der befragten Pensionsfonds mehr als fünf Prozent Rendite pro Jahr, der Rest sogar mehr als acht Prozent. „These targets appear ambitious in the light of the actual outcomes in the last decade“, sind sich die Studienautoren sicher. Sie gehen davon aus, dass es noch in dieser Dekade zu einer Schließungswelle bei leistungsorientierten Plänen kommen wird. Diese Ansicht teilt im Übrigen die Mehrheit der befragten Pensionseinrichtungen. In Großbritannien sei die Schließungswelle bereits voll angerollt. Laut Create Research sind nur noch 13 Prozent der Pläne für Neueinsteiger offen, 20 Prozent sind sogar für bestehende Mitglieder eingefroren.
Trotz dieses Abgesangs auf DB-Pläne hat Create Research in seiner Studie nicht versäumt zu fragen, welche Ziele die Pläne in den nächsten drei Jahren verfolgen. Topantwort: Inflationsschutz. Auf der Hitliste ganz oben standen außerdem stabile Renditen, Kapitalerhalt und unkorrelierte, absolute Returns. Um diese Ziele zu erreichen, setzen die Pläne auf verschiedene Strategien. Mit 66 und 64 Prozent präferiert die Mehrheit Asset-Liability-Optimierungen oder Liability- driven Investings (LDI). Jeweils rund ein Drittel sprach sich für Smart Beta und eine dynamische Asset Allocation aus. Bei der Wahl der Asset-Klassen setzt mehr als die Hälfte der befragten DB-Pläne für die mittelfristige Asset Allocation auf globale Aktien. Ebenfalls beliebt sind Real Estate, traditionelle Indexfonds, Schwellenländeraktien und -anleihen sowie alternative Kredite und Infrastruktur. Für opportunistische Investments favorisiert die Hälfte Distressed Debt. Auch in Exchange Traded Funds (ETF) sehen die befragten Pläne Opportunitäten. Wie Create Research anmerkt, wird fast 50 Prozent des Exposures zu Schwellenländeranleihen und -aktien über ETF abgedeckt.
In ihrer Studie widmeten sich die Analysten von Create Research nicht nur den leistungsorientieren, sondern auch den beitragsorientierten Plänen, die derzeit rund 43 Prozent aller Pension Assets weltweit ausmachen. Dieser Anteil wird nach Prognosen des britischen Research-Hauses bis 2020 auf etwa 60 Prozent ansteigen, weil immer mehr DB-Pläne auf beitragsorientierte Modelle umstellen werden. Immerhin gut die Hälfte der über 700 Studienteilnehmer – neben den 176 Pensionsfonds wurden auch Asset Manager, Consultants und Fondsadministratoren befragt – erwartet genau dies. Die Ziele der Defined-Contribution-Pläne für die nächsten drei Jahre unterscheiden sich in einigen Punkten von denen der DB-Pläne. Topantwort: Kapitalzuwachs. Erst danach wurden Inflationsschutz, Kapitalerhalt und stabile Renditen genannt. Bemerkenswert sind hierbei die regionalen Unterschiede. Vor allem Pläne aus Australien, Hongkong, Singapur, Südafrika und Teilen der USA haben den Kapitalzuwachs als oberstes Ziel. Andernorts wählten die Investoren vorsichtige Low-Volatility-Optionen, wie Cash und Staatsanleihen, nur um ihre offensichtlichen Nachteile im derzeitigen Niedrigzinsumfeld abzudecken. Hier weht der Wind in Richtung Lebenszyklusinvestments. Auch auf die Frage, welche Strategien die DC-Pläne in den nächsten drei Jahren verfolgen werden, zeigt sich kein einheitliches Bild. So wollen zwei Drittel für die mittelfristige Asset Allocation auf Balanced-Fonds mit einer starken Buy-and-Hold-Orientierung zurückgreifen, 59 beziehungsweise 58 auf traditionelle Indexfonds und Zielsparfonds. Etwa die Hälfte gibt an, aktiv gemanagte Aktien und Bonds nutzen zu wollen.
In ihrer Umfrage haben die Studienautoren von Create Research noch einen anderen Punkt entdeckt, der nicht verschwiegen werden soll. So sei in der Branche weitgehend akzeptiert, dass die derzeitige Generation an DC-Plänen in vielen Ländern nicht maßgeschneidert ist. Dies werde zwar nicht zu deren Verschwinden vom Markt führen, aber zu einer Transformation, und zwar hin zu sogenannten Defined-Ambition-Plans – eine Mischung zwischen DC- und DB-Plänen. „Instead of throwing the baby out with the bath water, there’s a lot in the DB plans which can be incorporated into the next wave of DC product”, merken die Create-Researcher an. Mit „a lot” sind in diesem Fall sechs Features gemeint, die nach Ansicht der über 700 Studienteilnehmern beitragsorientierte Pläne von den leistungsorientierten Plänen übernehmen sollten: Klarheit über die finanziellen Bedürfnisse im Ruhestand; höhere und realistische Beitragssätze; ein nahtloser Übergang von der Anhäufungs- in die Dekumulierungsphase; ein Liability-driven-Ansatz; eine breite Diversifikation, die Risikoprämien nutzt; und eine dynamische Asset Allocation, die Preisineffizienzen ausnutzt.
portfolio institutionell, Ausgabe 10/2013
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