Pensionsfonds
15. Juli 2014

Gegen jede Regel

Konzentrieren oder diversifizieren? Für die Mehrheit der Investorengemeinde ist die Antwort klar: Lege niemals alle Eier in einen Korb. In den USA, in einer Stadt im Süden, gibt es jedoch einen Pensionsfonds, der sich dieser Regel widersetzt. Eine breite Streuung über Asset-­Klassen und Manager sucht man in Tampa­ vergebens. Das wäre­ ohnehin keine Garantie für eine effiziente­ Diversifikation.

Die Null muss stehen: Diese Weisheit gilt nicht nur im Fußball, sondern auch für die Konstruktion eines defensiven Portfolios. Seit dem Herbst 2008 ist jedoch klar, dass auf Korrelationsannahmen im Krisenfall kein Verlass ist. Aus einer Null wird dann schnell eine Eins. Diese Erkenntnis hätte die Investorengemeinde vom Diversifikationsglauben abfallen lassen können, hat es aber nicht. Die 1.000 größten US-Pensionsfonds haben seit der Finanzkrise die Diversifikation in ihren Portfolios sogar ausgebaut, wie die Forscher beim Edhec Risk Institute in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung feststellten, zumindest wenn es um die Anzahl der Asset-Klassen und -komponenten geht. Laut der Studie waren die 1.000 untersuchten Pensionseinrichtungen bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 unzureichend diversifiziert. Die Streuung der Kapitalanlagen spielte sich in wenigen Anlagekategorien ab. Im Zuge der anschließenden Marktverwerfungen begannen die Pensionsfonds, ihre Investments stärker zu streuen.­ Innerhalb von fünf Jahren, bis 2012, erhöhten sie ihre Diversifikation­ um 40,7 Prozent.

Aber halt! Diversifikation ist nicht gleich Diversifikation. Wie die Studienautoren vom Edhec Risk Institute anmerken, ist mit der erfolgten Erweiterung des Anlageuniversums nicht per se eine effizientere Diversifikation verbunden gewesen. Ein Blick auf die tatsächliche Diversifikation – sprich, auf die effektive Anzahl an Wetten – zeigt, dass diese nur um 14,4 Prozent zugelegt hat. Doch genau auf diese komme es an. „Eine zunehmende Anzahl an Asset-Klassen schlägt sich weder in einem echten Zugewinn bei der Diversifikation noch bei der Performance nieder, wenn man die Wechselwirkungen der Assets außer Acht lässt“, so die Edhec-Forscher. Zu diesem Schluss kamen sie, nachdem sie die Beziehung zwischen der Performance der US-Pensionsfonds und deren Level an tatsächlicher Diversifikation genauer in Augenschein genommen hatten. Demnach lieferten Einrichtungen mit einem höheren Level an tatsächlichen Wetten eine bessere Performance. Ein höheres Maß an Diversifikation bei der Anzahl nominaler Komponenten habe sich hingegen Performance-seitig nicht oder negativ niedergeschlagen. Um die Nuancen der zwei verschiedenen Begriffe zu erläutern, greift Edhec ein Beispiel auf: Ein fiktives Portfolio besteht aus einer S&P-500-Aktie, die 99 Prozent des Portfolios ausmacht. Das verbleibende Prozent wurde in die anderen 499 Titel des S&P investiert. Die nominale Anzahl der Aktien beträgt demnach 500; gleichwohl ist die effektive Anzahl der Aktien kaum größer als eins. Ein so strukturiertes Portfolio wird sich unter Risikogesichtspunkten kaum wie ein diversifiziertes Portfolio verhalten, sondern wie ein hochkonzentriertes Ein-Aktien-Portfolio. Diversifikation ist also nicht gleich Diversifikation.

Wie das Orakel von Omaha
Dem Prinzip der Diversifikation zu entsagen und das gängige Branchenmantra in den Wind zu schreiben, ist eine unorthodoxe Strategie, die den wenigsten institutionellen Investoren in den Sinn kommen dürfte. Einen gibt es allerdings schon: den Pensionsfonds für Feuerwehrleute und Polizisten der Stadt Tampa. Die rund 1,76 Milliarden Dollar Assets under Management sind auf zwei Asset-Klassen­ verteilt: 65 Prozent Aktien, der Rest Renten. Vor 1980 hielt der Pensionsfonds sogar nur einheimische Wertpapiere, inzwischen entfällt jedoch bis zu einem Viertel des Vermögens auf ausländische Wertpapiere. Emerging-Market-Aktien sucht man darunter allerdings vergebens. „Nicht wenige Leute sagen mir, ihr seid verrückt“, so Richard­ Griner, Vizepräsident im Board des Pensionsfonds, kürzlich in einem Gespräch mit der New York Times über die Anlagestrategie.­

Aber nicht nur bei den Asset-Klassen verzichtet man in Tampa auf eine breite Streuung, sondern auch bei der Managerwahl. Seit 40 Jahren verwaltet die Anlagen des Fonds ein Haus: Bowen, Hanes & Co. Griner versteht, dass andere in Bezug auf eine derartige Konzentration­ skeptisch sind. Dennoch ist er überzeugt: „Die einzige echte Downside­ bei einem Single Manager besteht darin, einen schlechten zu haben.“ Das ist im Fall von Jay Bowen, dem die Verantwortung für die Anlagen­ obliegt, nicht der Fall. Er hat diese Aufgabe in den 90er Jahren von seinem Vater übernommen. Er investiert in Qualitätsaktien und -anleihen, im Fokus stehen derzeit global tätige Konsum­unternehmen wie Nestlé und Unilever. „Wir fahren einen Plain-Vanilla-­Ansatz. Kein Private Equity, keine Hedgefonds, keine spekulativen Anleihen“, so Bowen­ gegenüber der New York Times. Seine Vorgehensweise will er nicht als passives Investieren missverstanden sehen, sondern als „old-fashioned Stock Picking“, wobei das Aktienportfolio mit 70 bis 80 Titeln relativ konzentriert ist.    

Man mag die Investmentstrategie des Tampa-Pensionsfonds für riskant und verrückt halten. Die Zahlen sprechen jedoch eine eigene Sprache. Mit einer jährlichen Durchschnittsrendite von 9,88 Prozent über die vergangenen 20 Jahre gehört die Einrichtung zu den Besten ihrer Zunft und übertrifft sogar die Elite. Der größte Pensionsfonds der USA, Calpers, der rund 288 Milliarden Dollar verwaltet und gemeinhin als Vorzeigeinvestor gilt, kam über dieselbe Periode nur auf 7,6 Prozent. Das bessere Abschneiden mag nicht zuletzt auch den niedrigen Fee-Strukturen geschuldet sein. Bowen, Hanes & Co nimmt 25 Basispunkte auf die gesamten Assets under Management, also umgerechnet 4,4 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Der Pensionsfonds für Lehrer aus Texas, der mit 117 Milliarden Dollar 66-mal so groß ist, hat im vergangenen Geschäftsjahr (Ende August 2013) für seine externen Manager (39 an der Zahl) 142,9 Millionen Dollar ausgegeben und eine Performance von neun Prozent hingelegt. Die durchschnittliche Rendite über die vergangenen zehn Jahre lag bei 7,2 Prozent und damit unter der von Tampa (9,72 Prozent). Auch bei Calpers liegen die Kosten in schwindelerregenden Höhen. Im vergangenen Geschäftsjahr betrugen die Total Investment Management Expenses rund 1,39 Milliarden Dollar, davon entfielen allein 1,17 Milliarden Dollar auf Management und Performance Fees. Umgerechnet auf das Gesamtvermögen macht das 48 beziehungsweise 41 Basispunkte. Dass die Kosten­ sowohl bei Calpers als auch beim texanischen Pensionsfonds für Lehrer deutlich über denen von Tampa liegen, dürfte vor allem der Tatsache geschuldet sein, dass beide in Alternatives investieren, die traditionell höhere Fee-Strukturen aufweisen. Bei den Texanern finden sich Private Equity, Rohstoffe, Hedgefonds und Real Assets,­ bei Calpers Private Equity, Immobilien, Infrastruktur, Waldinvestments und Multi-Asset-Class- sowie Absolute-Return-Strategien.

Von solchen Asset-Klassen will Jay Bowen nichts wissen. Im Gespräch mit der New York Times zeigt er sich verwundert, dass sein konzentrierter Buy-and-Hold-Ansatz in der Pensionswelt als unorthodox betrachtet wird: „Das ist so ziemlich dasselbe, was Warren Buffett macht.“ Dieser sei ebenfalls nicht breit diversifiziert. Ob Buffett Bowen­ kennt, ist nicht bekannt, sie sind aber zumindest Brüder im Geiste. Einst brach Buffett seine Philosophie wie folgt herunter: „Konzentrieren Sie Ihre Investments. Wenn Sie über einen Harem mit 40 Frauen verfügen, lernen Sie keine richtig kennen.“

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 6/14

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