GDV setzt sich für nachhaltige Kapitalanlagen ein
ESG-Faktoren und Kapitalanlage: Beides gehört für immer mehr Investoren untrennbar zusammen. Nun hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erstmals unverbindliche Hinweise zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Kapitalanlage vorgelegt.
Wie werden Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien definiert? Wie sieht die Motivation für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Kapitalanlage aus? Und mit welchen Ansätzen verfolgen Unternehmen soziale, ökologische und Aspekte der guten Unternehmensführung (ESG)? Das sind Fragen mit denen sich die kürzlich vom GDV publizierte Broschüre mit dem selbstredenden Titel „Unverbindliche Hinweise zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Kapitalanlage“ beschäftigt. Der Branchenverband weist parallel dazu in einer Mitteilung darauf hin, dass der Stellenwert von Nachhaltigkeitskriterien in der Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zugenommen habe. Ausgehend von politischen Initiativen – etwa für mehr Umweltschutz und bessere Arbeitsbedingungen – sei in der Folge auch die Erwartung an Unternehmen gestiegen, ökologische, ethische und soziale Aspekte in ihrem Geschäftsbereich stärker zu berücksichtigen. Die Entwicklung berührt auch die Versicherungsbranche, schreibt deren Dachverband. Anteilseigner und Öffentlichkeit fordern von den Unternehmen vermehrt eine stärkere Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten.
Laut GDV kommt einer möglichst breit gestreuten und mit Blick auf Risiko und Rendite optimierten Kapitalanlage eine große Bedeutung zu. Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien stehe grundsätzlich nicht im Widerspruch zum Ziel der Versicherer, für ihre Kunden eine angemessene risikoadjustierte Rendite zu erwirtschaften. Dabei gab es unter Investoren in der Vergangenheit immer wieder Streitgespräche, die der Frage nachgingen, inwieweit Nachhaltigkeitskriterien die Rendite positiv oder negativ beeinflussen. Hier scheint das letzte Wort nun gesprochen zu sein.
Freiwillige Verbreitung wünschenswert
Der Blick auf „eine große Zahl von wissenschaftlichen Studien“ zeigt nach Einschätzung des GDV keine signifikanten Vor- oder Nachteile, die mit einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Kapitalanlage verbunden wären. Daraus schließt der Verband, dass Nachhaltigkeitsaspekte die Investitionsentscheidung der Versicherer sinnvoll erweitern können, wobei sie sich aber immer den übergeordneten gesetzlichen Regelungen im Versicherungsaufsichtsgesetz und nach Solvency II unterordnen müssten. Eine freiwillige Verbreitung nachhaltiger Investitionsstandards hält der Verband für wünschenswert. Um der Diversität unterschiedlicher Wertevorstellungen und der großen Dynamik in der internationalen Diskussion bei diesem Thema gerecht zu werden, sollte es jedoch keine gesetzliche Verpflichtung zur Berücksichtigung solcher Standards geben. Stattdessen müsse jedes Unternehmen selbst abwägen, ob und in welchem Umfang es ESG-Kriterien in der Kapitalanlage berücksichtigen will.
Nachhaltigkeit und Versicherungen
Zu den Besonderheiten der GDV-Veröffentlichung zählt, dass diese explizit auf die Besonderheiten von Kapitalanlagen bei der Assekuranz eingeht. Risikoseitig ist zu bedenken, schreibt der GDV, dass sich insbesondere durch den Ausschluss von Emittenten das Universum möglicher Anlagen verkleinern kann. Das könne wiederum zu einer geringeren Diversifikation führen, was die Sicherheits- und Liquiditätsziele sowie statistische Risikomaße in der Kapitalanlage beeinflussen könnte. Dieser Zusammenhang ist aufgrund der absoluten und relativen Höhe der Kapitalanlagen besonders für Versicherungsunternehmen relevant, betont der Verband. Zudem wiege im herrschenden Niedrigzinsumfeld durch den Mangel an attraktiven Anlageobjekten ein Ausschluss von Investitionsmöglichkeiten besonders schwer. Um Herdenverhalten auch bei der Anwendung von ESG-Kriterien zu vermeiden, sollten möglichst heterogene und unternehmensindividuelle Umsetzungen erlaubt sein, fordert der GDV. Zudem geht der GDV in seiner Veröffentlichung auf die Besonderheiten von Reputationsrisiken auf die Assekuranz ein.
Die bei Versicherungen reale Gefahr eines zu kleinen Anlageuniversums sieht auch der Nachhaltigkeitsexperte Dr. Axel Hesse, Geschäftsführer der SD-M GmbH: „In den derzeitigen Kapitalmarktzeiten mit Niedrig- beziehungsweise Negativzinsen kann unseres Erachtens ein Ziel zu nachhaltigeren Investments nur sinnvoll sein, wenn sich dies auch auf die übergeordneten Kapitalanlageziele des Paragrafen 54 Absatz 1 VAG positiv auswirkt. Dies entspricht dem Motiv „Optimierung von Risiko-Rendite-Aspekten" der GDV-Hinweise und kann – schon aus portfoliotheoretischer Sicht – kaum mit nachhaltigeren Investitionsstrategien gelingen, die das Universum nennenswert verkleinern, wie das bei Best-in-Class-Strategien oder zu vielen Ausschlusskriterien regelmäßig der Fall ist.“ Für eine moderne Kapitalanlage gehört daher für Hesse „die Integration relevanter beziehungsweise materieller Nachhaltigkeitskriterien in die Risikoanalyse“.
Nachhaltigkeit spielt für institutionelle Investoren insbesondere dann eine wichtige Rolle, wenn es um Investmententscheidungen in alternative Asset-Klassen geht. Wie eine neue Studie von Mercer und LGT Capital Partners zeigt, berücksichtigen drei Viertel der 97 befragten institutionellen Investoren aus 22 Ländern, darunter auch Deutschland, Nachhaltigkeitsaspekte, wenn sie in Alternatives investieren. Überhaupt herrscht unter institutionellen Investoren ein immer breiterer Konsens darüber, dass die Umsetzung von ESG-Kriterien in Investmentprozessen das Risiko-Rendite-Profil eines Portfolios verbessern kann. Hedgefonds tun sich allerdings noch recht schwer beim Thema Nachhaltigkeit. Wie eine Untersuchung von Unigestion gezeigt hat, haben sie mit ESG häufig nichts am Hut. Laut den Studienmachern sind Hedgefonds-Manager, die ESG-Kriterien in ihren Prozessen umsetzen, in der Minderheit. 60 Prozent der befragten Akteure lehnen sie partout ab. Aber auch hier zeichnet sich eine Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit ab, wenn auch nur zögerlich. Diesen Schluss legt ein Vergleich mit einer früheren Studie von Unigestion nah. In der Befragung aus dem Jahr 2011 lag der Anteil der Manager mit ablehnender Haltung noch bei 75 Prozent.
portfolio institutionell newsflash 03.06.2015/Tobias Bürger und Patrick Eisele
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