Schwarzer Schwan
24. Oktober 2014
Frontalangriff auf die Psyche des Anlegers
Wie sich die Zeiten doch ändern. Erst gab es den risikolosen Zins. Dann sprach man vom zinslosen Risiko. Inzwischen ist vom risikolosen Verlust die Rede.
Der Asset Manager Flossbach von Storch (FvS) gibt in seinem brandaktuellen Quartalsbericht Einblick in sein Tagesgeschäft, den man so nicht erwartet hätte – und auch bei keinem anderen Asset Manager so findet. Flossbach zitiert aus einem Brief einer deutschen Depotbank, das die Kölner – ohne zu übertreiben – finanzhistorisch nennen. Die besagte Bank kündigt in ihrem Schreiben vom 19. September 2014 an, künftig negative Zinsen auf Kontoguthaben zu erheben und schreibt: „Aufgrund der kürzlich durchgeführten Zinssenkung der EZB hat sich eine negative Verzinsung auf kurzfristige EUR-Einlagen am Markt durchgesetzt. Dieser Entwicklung können wir uns nicht länger entziehen. Als Depotbank haben wir die Anwendung von Negativ-Zinsen so lange wie möglich hinausgezögert. Aber die Entwicklungen am Europäischen Finanzmarkt führen dazu, dass Banken mit hoher Bonität Einlagen in EUR restriktiv handhaben und die am Markt gegebene negative Verzinsung angeben müssen.“
Den Namen der Bank gibt FvS nicht preis. Dafür zieht man ein bemerkenswertes Fazit. „Erstmals in der Geschichte müssen Fonds also Strafzinsen für ihre Kontoguthaben zahlen“, unterstreicht der Asset Manager unter der Ägide von Dr. Bert Flossbach, der diesen Schwan mit seinem Konterfei ziert, und fasst zusammen: „Aus Erträgen werden künftig Kosten, aus Gutschriften Lastschriften, statt belohnt wird bestraft.“ Der Nullzins werde für einige Anleger zum Wunschzins. Da Bankkonten mit Minuszinsen und kurzlaufende Bundesanleihen mit Negativrenditen keinerlei Volatilität und damit aus Sicht der Portfoliotheorie kein „Risiko“ aufweisen, würden Anhänger eben jener Theorie hier von einem risikolosen Verlust sprechen, heißt es weiter.
Der Depotbank machen die Rheinländer keinen Vorwurf. Sie versuche lediglich, Verluste auf die Barmittelbestände großer Anleger zu vermeiden. Keine Zinsen für sein Guthaben zu bekommen, daran dürften sich viele Investoren nach Einschätzung von FvS mittlerweile gewöhnt haben. Dafür bezahlen zu müssen, sei allerdings etwas ganz anderes – „ein Frontalangriff auf die Psyche des Anlegers“. Für Banken seien inzwischen nicht nur große Bareinlagen von Fonds unerwünscht, sondern auch von Unternehmen und Privatpersonen. Denn sie könnten täglich abgerufen und deshalb zumeist nur bei der EZB mit Verlust geparkt werden.
Umparken im Kopf
Wohin diese Entwicklung noch führen soll? Bislang galten gerade börsennotierte Unternehmen als hochsolide, wenn sie über ein üppiges Liquiditätspolster verfügten und damit allen Unwägbarkeiten im Zuge der Finanzkrise trotzen konnten. Doch jetzt ist Cash schlagartig eine Last, die nicht nur mit fiktiven Opportunitätskosten einhergeht, sondern mit realem Aufwand. Jüngsten Zahlen zufolge sind Bundesanleihen bis hinein in den Laufzeitenbereich von vier Jahren mit negativen Renditen behaftet! Möglicherweise erleben wir demnächst eine Flut von Dividendenzahlungen, mit denen sich die Konzerne ihrer monetären Bürde entledigen. Neu wäre dann allerdings, dass sich Investoren nicht über den Geldsegen freuen. Wer will schon etwas haben, das ihm zur Last fällt.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende.
Autoren:
portfolio institutionell
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