Immobilien
29. Juli 2021

Food, Food, Food

Investoren verspüren verstärkt Appetit auf den Lebensmittel­einzelhandel. Langlaufende Mietverträge mit bonitätsstarken ­Mietern bieten (noch) einen Sättigungseffekt. Die Marktmacht der Mieter kann jedoch auf den Magen schlagen.

Was ist heute noch sicher, aber kein sicherer Verlust? Zum Beispiel Immobilien, die für 20 Jahre an die öffentliche Hand vermietet werden. Solche Beton-Bunds rentieren immerhin mit über zwei Prozent. Sicher ist aber auch, dass Mieter von Supermärkten – ob nun Edeka, Rewe, Aldi oder die Schwarz Gruppe – ebenfalls über eine gute Bonität verfügen. Und ganz sicher ist: gegessen wird ­immer. Aus Sicht der Betreiber der Märkte wurde in der Pandemie auf Grund der geschlossenen Restaurants sogar noch mehr gegessen. Wenig verwunderlich also, dass Investoren einen steigenden Appetit auf Supermärkte oder Lebensmittel-geankerte Einkaufs­center verspüren. „Vor einigen Jahren rentierten Lebensmitteleinzelhandels-Immobilien noch mit fünf Prozent und 2020 waren es im Schnitt noch 4,5 Prozent“, erklärt Jan Schönherr, Co-Head ­Retail Investment bei CBRE. „Nun sind wir bei vier Prozent und einen weiteren Rückgang auf 3,5 Prozent halte ich für möglich. Warum sollte auch eine für zehn Jahre an Amazon vermietete Logistikimmobilie niedriger rentieren als eine Einzelhandelsimmobilie, die für 15 Jahre an Edeka vermietet ist?“ Wie Savills berichtet, lag bei Supermärkte/Discounter die Spitzenrendite in Q2 bei 3,9 Prozent.

Laut dem Hahn Retail Real Estate Report 2020/2021 fokussiert sich die Nachfrage auf Lebensmittelformate oder Objekte mit einem Ankermieter aus dem Lebensmitteleinzelhandel. Auf der Wunschliste ganz oben stehen Supermärkte und Lebensmittel-Discounter (65 Prozent), dahinter Fachmarktzentren (61 Prozent) und SB-Warenhäuser/Verbrauchermärkte (43 Prozent). Das Schlusslicht ­bilden Shopping-Center, die derzeit als mögliche Neuinvestitionen kaum eine Rolle in den Überlegungen der Investoren spielen. So wird aus dem allbekannten Lage, Lage, Lage ein Food, Food, Food.

Trotz der hohen Nachfrage stellen Asset Manager aber auch künftig Renditen von über vier Prozent in Aussicht. So wirbt der Food ­Retail I des Shopping-Center-Spezialisten (!) ECE, in den auch die Gründerfamilie Otto investiert, mit einer Zielausschüttung von jährlich fünf bis 5,5 Prozent. Ein fünf-Prozent-Ziel verfolgt auch ­Arbireo Capital. Wert legt Vorstand Dr. Martin Leinemann neben Preisniveau, Mietvertragslaufzeiten und Objektqualität besonders auf die Mikrostandortanalyse. „Beim Kauf machen wir – aber ohne Entwicklungsrisiken zu nehmen – auch Forward-Purchases, ­vereinzelt auch Forward Fundings. Aus Investorensicht macht es zudem Sinn, sich nicht nur auf die teuren Grundstücke in A-Städten zu fokussieren, auch wenn außerhalb der Zentren die ­erzielbaren Mieten geringer sind.“ Auch auf dem Land könne man ein attraktives Nahversorgungsportfolio zusammen bekommen. „Mit Blick auf den Bestand und den Exit sind in der Due Diligence Gebäudeeffizienz und weitere Nachhaltigkeitsaspekte zu beachten und etwaige Mängel einzupreisen. Nach hinten raus ist immer wichtig, wie nachhaltig ein Asset ist.“ Bezüglich der Mikrostandort­analyse zählt Leinemann Aspekte wie die Anzahl der Märkte, Kaufkraft, Besucherfrequenzen im Einzugsgebiet auf, sowie die Wettbewerbssituation. Supermärkte sind keine Infrastruktur. Gerade auf dem Land gibt es Flächen für Neubauten. Darüber macht sich Leinemann jedoch zumindest keine großen Sorgen. „Die Gemeinden wollen zwar Wettbewerb, dieser sollte aber nicht ruinös sein.“

Das Anlagerezept der gelisteten Defama AG beinhaltet ebenfalls kleinere und mittlere Städte und zudem Objektgrößen von in der Regel einer bis fünf Millionen, was zu klein für die meisten institutionellen Investoren sei. So seien Immobilien mit Anfangsrenditen von zehn Prozent per annum erwerbbar. Weitere Zutat ist die ­Refinanzierung von über 80 Prozent der Investitionen, um die ­Eigenkapitalrendite zu würzen. Dies führt zu einem Anstieg der Funds From Operations (FFO) von 146 Prozent in vier Jahren.

Mietnachlass statt Mietsteigerung

Risikolos sind Supermärkte trotzdem nicht. Kein Risiko ist aber – anders als für beispielsweise Textil-, Buch- oder Schuhhändler – der Online-Handel. Wesentlicher Grund ist die notwendige Kühlung von Lebensmitteln. Auch wären die vom deutschen Michel so ­geschätzten Retouren bei Lebensmitteln schwierig. Sollte sich E-Commerce doch durchsetzen, ­dürften die Märkte aber nicht wertlos werden, sondern eine Zweitverwendung als Lagerstätte erleben. Ein Risiko ist dagegen der Mieter. Dieser hat zwar in Deutschland immer eine relativ gute Position, dies gilt aber insbesondere für Einzelhandelsimmobilien. Die Kehrseite der Bonitätsmedaille der Handelsriesen ist die ­Marktmacht des Oligopols. „Die Anzahl der potenziellen Mieter ist geringer als früher“, sagt Kurt Jovy, Head of Real Estate Product Management bei Universal-Investment. „Bei einem neuen Standort hat ein Vermieter noch eine gewisse Verhandlungsmacht. Bei Nachvermietungen kommt es aber eher zu Mietnachlässen als zu Mietpreissteigerungen.“ Nicht unüblich ist auch, dass sich die Handelsriesen in den Verträgen ausbedingen, dass beispielsweise Nebenkosten und Inflationsausgleich gedeckelt sind sowie Versicherungen und Verwaltungskosten nicht auf den Mieter umgelegt werden. „Die Betreiber nutzen ihre Marktmacht. Investoren ­müssen diese Kosten im Auge behalten“, warnt Jan Schönherr. ­Andererseits ist der Wettbewerb zwischen den Händlern auch um gute Standorte intensiv. Das größte Risiko in der ­jüngeren Vergangenheit war aber, nicht zu investieren. „Einzel­handels-Fachmarktzentren für den täglichen Bedarf sind sehr ­gefragt“, erklärt Jovy. ­Typisch seien Fachmarktzentren mit drei bis vier Läden und einem Ankermieter wie Aldi, Lidl oder DM im Wert von zehn bis 20 ­Millionen Euro. Längst kommen Investoren auch aus dem ­Ausland, wie der singapurische Staatsfonds, der für etwa 800 ­Millionen ­Euro 33 Metro-Großhandelsmärkte „shoppte“.

Wohl denen, die zum Beispiel noch 2019 investiert haben. Auf der Käuferseite waren zum Beispiel die R+V, die sich ein Fachmarktzentrum in Rostock für 145 Millionen Euro sicherte. Oder die ­Sparkassen-Versicherung, die für gleich 230 Millionen Euro das „Superfood-Portfolio“ von Patrizia erworben hat. Die Volksbank Braunschweig-Wolfsburg ist unter anderem Eigentümerin von ­Einkaufszentren in Salzgitter, Magdeburg, Duisburg, Pinneberg, Weinheim, Bremerhaven sowie in Braunschweig. Einen indirekten Zugang hat die RAG Stiftung gewählt: Sie hält zwölf Prozent an der Hamborner Reit AG. Die Dividendenrendite des Reits liegt bei fünf Prozent. Wenige Investoren gehen auch ins Ausland. So hat die Bayerische Versorgungskammer „viel Freude mit den Themen Nahversorgung und Fachmarktzentren“, so Daniel Just im ­Interview mit portfolio institutionell. „Wir konnten kurz vor der Pandemie ein Lebensmittelhandelsportfolio in der Schweiz erwerben, was in diesem schwer zugänglichen Markt nicht ganz so einfach ist.“ Die Nordrheinische Ärzteversorgung erwarb in 2020 ein ­Einzelhandel-Portfolio in Nordspanien. Die Transaktion der sechs Hypermärkte im Wert von fast 130 Millionen Euro erfolgte über ­einen Luxemburger Immobilienfonds von Universal-Investment.

Potenziale für Mietsteigerungen bieten Aufstockungen mit ­Wohnungen. Wenn es Planungsrecht und Statik zulassen, kann ­eine solche Mischnutzung gerade in Ballungsräumen interessant sein. „Dann erhöht sich der Ertrag, die Renditen werden jedoch ver­wässert“, erklärt Jan Schönherr. Wohnungen können auch eine ­Zukunftsperspektive sein. „Sich mit den ­Entwicklungsmöglichkeiten zu beschäftigen ist wichtig. Wenn ein Markt nicht mehr den ­Ansprüchen genügt, kann mittelfristig ein Abriss und ein Neubau von Wohnungen sinnvoll sein. Das schätzen auch die Gemeinden.“ Eine Aufstockung kann aber schon heute Sinn machen – zur Diversifikation und auch steuerrechtlich im Falle eines offenen Spezial-AIF. „Dieses Vehikel ist steuertransparent und erlaubt standard­mäßig nur Einnahmen aus der Vermietung“, erläutert Leinemann. Keine Vermietungseinnahmen böte jedoch eine PV-Anlage. „Stromverkauf wären gewerbliche Einnahmen, die über die ­Bagatellgrenze von fünf Prozent relativ zu den Fonds-Gesamteinnahmen hinausgehen können.“ Trotzdem ist eine PV-Anlage auf für den Eigen­tümer sinnvoll, da diese zur Attraktivität des Gebäudes beiträgt.

Grundsätzlich scheint Retail ein Segment zu sein, in dem Nachhaltigkeitsthemen noch eine Upside bieten. Bei der Errichtung und beim Betrieb einer Einzelhandelsimmobilie fallen hohe CO₂-Emis­sionen an und für die Realisierung der Klimaziele kommt dem ­Immobiliensektor eine Schlüsselrolle zu. PV-Anlagen, Ladeinfrastruktur für E-Mobilität oder auch Blühwiesen für die Biodiversität sowie Zertifikate werden wichtig. Zertifikate sind für Investoren für die ökologische Bewertung von Immobilien relevant. Dazu schreibt Sascha Pinger, Geschäftsführer für Immobilien und Infrastruktur des Versorgungswerks WPV in einem Beitrag für GRR: „Die ­Kosten einer Zertifizierung können je nach Größe der Immobilie einen sechsstelligen Betrag erreichen, was einerseits zunächst unmittelbar die Rendite des Investors schmälert.“ Andererseits könnten Zertifizierungen wertsteigernd wirken. Auf jeden Fall helfen ­niedrigere Betriebskosten bei Mietverhandlungen mit Edeka & Co. Künftig könnten die Gebäudeanforderungen noch weiter zu­nehmen. Rewe kombiniert in einem Pilotmarkt in Wiesbaden ­Supermarkt, Basilikumfarm und Fischzucht. Ergänzt wird dieses Aquaponik-Konzept mit Holzbaustoffen, Regenwasser-­Verwendung und Blühwiesen. „Wenn die Rewe-Kunden dieses Konzept an­nehmen, dann nehmen es auch die Investoren an“, prognostiziert Martin Leinemann.

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