Strategien
29. November 2016

Faktorstrategien in der institutionellen Kapitalanlage

Immer mehr institutionelle Anleger weltweit nutzen Faktorstrategien. Gesteuert und kontrolliert werden diese bevorzugt im eigenen Haus. Der Wunsch nach mehr Unterstützung durch Asset Manager und praxisnäherer Forschung ist jedoch groß.

Faktorbasierte Strategien sind bei vielen institutionellen Investoren weltweit ein fester Bestandteil im Portfolio. In den nächsten fünf Jahren soll die Allokation in Faktorstrategien nochmals verdoppelt werden. Dies ist ein zentrales Ergebnis der neuen Invesco-Studie, für die insgesamt 66 Pensionskassen, Versicherungsgesellschaften, Staatsfonds, Vermögensberater und Privatbanken in Tiefeninterviews weltweit befragt wurden. Mit 32 stammte ein Großteil aus Europa, darunter war auch eine deutsche Versicherung. Demnach wollen von den 70 Prozent der Befragten, die bei der Portfoliokonstruktion schon heute faktorbasierte Anlageansätze nutzen, mehr als zwei Drittel dieses Engagement in den nächsten fünf Jahren ausbauen. Die Hälfte der Befragten, die bislang noch nicht in Faktoranlagen investieren, zieht eine derartige Anlage in Erwägung.
Wie aus der Studie hervorgeht, testen viele Umfrageteilnehmer faktorbasierte Strategien derzeit mit kleineren Allokationen und planen, diese künftig auszuweiten. Zulauf gewinnen dürften nach Ansicht von Invesco vor allem quantitative Multi-Faktor-Strategien, interne Faktormodelle sowie Faktorprodukte für Anleihen und liquide Alternativen, weil Investoren angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen und volatilen Aktienmärkte weiter alternative Renditequellen suchen. Bestätigung findet diese These beispielsweise durch Dr. Gerhard Ebinger, der als Vice President Asset Management bei der BASF rund 19 Milliarden Euro managt. „Wir haben eine Aktienquote von 25 bis 30 Prozent und nutzen auch Smart Beta“, verriet er während einer Podiumsdiskussion auf der Lupus-Alpha-Konferenz Mitte November diesen Jahres. Für 2017 hat er sich vorgenommen, Smart Beta auch auf den Rentenbereich zu erweitern. 
Als wichtigste Motivation für den Einsatz faktorbasierter Strategien nennen die befragten Großanleger zum einen die Risikominderung und zum anderen die Erwartung höherer Mehrerträge. Immerhin 83 Prozent der Studienteilnehmer sind der Meinung, dass Faktoren einen wichtigen Beitrag zu überdurchschnittlichen Anlageerträgen leisten. Gleichzeitig interessieren sich die Investoren aber weniger für standardisierte faktorbasierte Anlageprodukte, die auf einzelne Faktoren abzielen, als für strategische Faktormodelle und ganzheitlichere Multi-Faktor-Ansätze.
Regional gibt es erkennbare Unterschiede zwischen den befragten Investoren, wie Invesco feststellt. So führen beispielsweise die Liquiditätsvorgaben und regulatorischen Anlagebeschränkungen für deutsche Versicherer dazu, dass diese vermehrt fundamentale Anlagen durch Smart-Beta-ETF und Aktienfaktormodelle ersetzen, um ihre risikoadjustierte Rendite aufzubessern. In Großbritannien haben das Provisionsverbot für Bankprodukte und das Stakeholder-Engagement den Smart-Beta-Produkten auf die Sprünge geholfen, so dass beitragsorientierte Pensionspläne hier jetzt zunehmend Faktorprodukte als günstigeres Mittel der Diversifikation nutzen. „Die Investoren haben aber sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Diesen muss die Asset-Management-Industrie mit maßgeschneiderten faktorbasierten Anlagelösungen und entsprechender Beratung gerecht werden“, ist Bernhard Langer, Co-Vorsitzender des Factor Investing Council und CIO von Invesco Quantitative Strategies, überzeugt.
Selbst ist der Investor
Wie die Invesco-Studie allerdings auch zeigt, wollen die Investoren ihre Faktormodelle im eigenen Haus steuern und kontrollieren. Immerhin 61 Prozent der Befragten halten ihre Organisation für am besten aufgestellt, um die Rolle des Faktorengagements in ihrer Gesamtanlagestrategie zu bewerten. 71 Prozent sind der Meinung, dass sie ihr Faktorengagement am besten selbst steuern. Ganz auf Asset Manager wollen sie jedoch nicht verzichten. Im Gegenteil: Mehr Unterstützung erhoffen sich die institutionellen Investoren explizit bei der Steuerung ihrer Faktorstrategien, vor allem durch fachliche Schulungen und Beratung. Viele der befragten Investoren bewerten auch die Qualität der von Beratern konzipierten internen Faktorprodukte grundsätzlich positiv. Allerdings sei damit nicht immer die erforderliche Entwicklung eines fundierten internen Verständnisses des Investmentansatzes und der internen Investmentexpertise verbunden.
Den Beitrag, den die Wissenschaft zum Thema Factor Investing leistet, wird von den Studienteilnehmern geschätzt. Allerdings halten sie die Forschungsaktivitäten bislang für zu wenig praxisnah und zu stark auf Aktien fokussiert. Unter den Nichtnutzern von Faktorstrategien meinen 40 Prozent, dass wissenschaftliche Untersuchungen ihre Bedenken im Hinblick auf den Einsatz dieser Strategien am effektivsten adressieren könnten. Nur neun Prozent sind aber der Auffassung, dass wissenschaftliche Institutionen die Rolle von Faktoren in ihrem Portfolio am besten bewerten können. Trotzdem erwägen viele, entsprechende Experten in ihre Investmentteams zu holen.
Die Botschaft der Studie ist für Bernhard Langer klar: „Die Investoren erwarten von der Asset-Management-Industrie, dass sie sich stärker daran orientiert, wie Investoren das Faktorengagement in ihren Portfolios steuern möchten, und entsprechende Lösungen entwickelt, um sie dabei optimal zu unterstützen.“ Je besser Faktorprodukte verstanden werden und je vertrauter Investoren mit dem Einsatz dieser Produkte sind, desto mehr dürfte es auch zu einer Trennung von grundsätzlicher Ausrichtung und dem Management des Faktorengagements kommen. „Die Investoren werden erkennen, dass sie das Management dieser Strategien auslagern und trotzdem die Kontrolle über ihr Faktorengagement behalten können“, führte Langer weiter aus.
portfolio institutionell newsflash 29.11.2016/Kerstin Bendix

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