EXKLUSIV: Abzock-Versuch bei Pensionsfonds-Deal?
Ein Berater will nicht weniger als sechs Prozent der Beitragssumme kassieren.
FRANKFURT – Ein Pensionsfonds-Deal, bei dem der Berater eine extrem hohe Provision kassieren wollte, hat in der deutschen Industrie für betriebliche Altersversorgung (bAV) einen Schock und Empörung ausgelöst.
Wie portfolio institutionell erfuhr, will ein mittelständisches Unternehmen seine Pensionsverpflichtungen aus der Bilanz herausnehmen, um sie auf einen Pensionsfonds zu übertragen. Das Unternehmen beauftragte einen Berater, der die aufwendige und komplexe Übertragung durchführen sollte. Dazu gehörte die Wahl eines passenden Pensionsfonds.
Der Berater schlug zwei versicherungsgebundene Pensionsfonds vor, die ihm Provisionen in Höhe von 6,0 und 6,5 Prozent der Übertragungssumme ins Aussicht gestellt hatten. Laut der EU-Richtlinie für Finanzberater (MiFID) müssen die Provisionen in dem entsprechenden Vertrag ausgewiesen werden.
Nach Informationen von portfolio institutionell hat sich das Unternehmen für keines der beiden Pensionsfondsangebote entschieden. Das scheint verständlich, denn bei einer hypothetischen Übertragungssumme von einer Millionen Euro würde allein der Berater 60.000 oder 65.000 Euro kassieren. Die Versicherten, also die Arbeitnehmer, hätten dann nur noch 940.000 oder 935.000 Euro für ihre Rente. Branchenexperten weisen allerdings darauf hin, dass das Unternehmen die Beratungskosten voll übernehmen könnte, sodass die Arbeitnehmer keinen Verlust ihrer Ersparnisse erleiden.
Ein hochrangiger Vertreter der bAV-Branche sagte jedenfalls: „Eine Provision von sechs Prozent ist skandalös hoch. So etwas habe ich in meinen vielen Berufsjahren noch nie gehört.“ Ein weiterer Vertreter ergänzte: „Als wir das gehört haben, dachten wir zunächst, das kann gar nicht stimmen. Nun wissen wir, dass bei solchen Deals Provisionen zwischen zwei und sechs Prozent gezahlt werden. Für uns ist das nichts anderes als ein Abzock-Versuch.“
_Provisionen zwischen 1,1 und 2,2 Prozent gelten als normal
Peter Doetsch, Geschäftsführer bei Mercer, einem der größten bAV-Berater in Deutschland, zeigte sich ebenfalls überrascht über die Höhe der Provision: „Solche Deals gehören zu unserem Kerngeschäft. Sofern keine Tätigkeit auf Honorarbasis erfolgt, können Provisionen zwischen elf und 22 Promille (umgerechnet 1,1 bis 2,2 Prozent, Anm. d. Red.) der Übertragungssumme als normal gelten.“
Die Provision von 22 Promille könne für Summen unter eine Millionen Euro gelten, während elf Promille oder noch weniger für Summen von mehreren Millionen typisch seien, so Doetsch weiter. Er unterstrich, dass im aktuellen Fall die Arbeitnehmer nicht unbedingt benachteiligt werden müssten: „Wir wissen überhaupt nicht, ob zum Beispiel das Unternehmen die Kosten der Beratung selbst übernehmen will.“
Provisionen sind nicht das einzige Vergütungsmodell bei solchen Pensionsfonds-Deals. Die Alternative besteht in einer Honorarberatung, bei der in der Regel ein Stundensatz für den Aufwand abgegolten wird. Kritiker des Provisionsgeschäfts halten dies für sinnvoll und fordern die Bundesregierung auf, Provisionen zukünftig zu verbieten.
Der Mercer-Geschäftsführer sieht hierfür allerdings keine Notwendigkeit. „Seit der Einführung von MiFID herrscht Transparenz über die Provisionen“, sagte Doetsch. Und weiter: „Sie sind nicht per se schlecht, zumal wir ja mit einer einmaligen Dienstleistung zu tun haben. Man sollte vor Beginn der Übertragung Klarheit über die Kosten haben und unseriöse Angebote vermeiden.“
portfolio institutionell newsflash 06.07.2011/jan/rko
Autoren: Jan F. Wagner In Verbindung stehende Artikel:
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