Nachhaltigkeit in Städten ist auch eine Frage der richtigen Mischung
Städte haben keine gute Umweltlobby, sind sie doch laut, schmutzig und maßgeblich für fast drei Viertel aller weltweiten Kohlendioxidemissionen, vor allem durch ihren Energieverbrauch in Gebäuden sowie im Transport. Zudem gelten Städte, gerade die US-amerikanisch geprägten „autofreundlichen“ Städte, spätestens seit der Kritik von Jane Jacobs in den frühen 1960er Jahren als Orte des anonymen Nebeneinanders und der misslungenen Integration.
Städten fehlt es sowohl an der ökologischen als auch an der sozialen Nachhaltigkeit, so ein verbreitetes Narrativ. Aber dies ist ein Zerrbild, denn der ökologische Fußabdruck der Städte lastet vor allem deswegen so schwer, weil die wirtschaftliche Aktivität heute größtenteils in Städten erfolgt: Mehr als 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts wird in Städten erzielt, und gerade die kürzeren Wege, die dichte Bauweise und die typischerweise kleineren Wohnungen sorgen dafür, dass Städte gemessen an ihrer Wirtschaftskraft auch ökologisch effizienter sind als der ländliche Raum.
Städte könnten an Attraktivität einbüßen
Und doch könnten Städte im Zuge der jüngsten Verwerfungen an Attraktivität und damit auch an ihren Nachhaltigkeitsvorteilen einbüßen: Die Corona-Pandemie stärkte das Homeoffice und schwächte damit die städtischen Bürostrukturen. Und die Pandemie belastete auch den innerstädtischen Einzelhandel. Gleichzeitig verteuerte sich das Wohnen in den Ballungsräumen und drängte wieder mehr Haushalte an die Ränder der urbanen Zentren. Beide Dynamiken erodieren die ökologische Vorteilhaftigkeit der Dichte, vielleicht sogar den sozialen Kitt der Städte.
Insofern müssen sich Städte wieder einmal erneuern. Doch dies ist nicht nur ein Schritt in die Zukunft, sondern gleichzeitig ist ein Schritt zurück notwendig. Konkret geht es vor allem um drei Dinge: Erstens müssen Städte kompakter werden. Sie müssen in die Höhe wachsen und insgesamt nachverdichtet werden. Zweitens müssen die Wege verkürzt werden. Dafür sind nicht zwingend mehr Verkehrswege notwendig, sondern gemischtere Quartiere und Objekte mit mehreren Nutzungen. Quartiere, die mehr Funktionen übernehmen, ermöglichen weniger Wegebeziehungen zwischen anderen Quartieren. Dadurch könnten Verkehrsflächen entfallen, die für Wohnzwecke aktiviert werden können. Drittens ist mehr Mut für Innovationen notwendig. Dies kann mehr digitale Technik zum Beispiel für die Verkehrs- und Parkraumplanung sein.
Doch manchmal ist auch weniger Technik ein Ausdruck von sozialer Innovation, dann nämlich, wenn der Vorteil aus intensiverer Gemeinschaft den Vorteil geringer Reibung überwiegt. Wenn es mehr Begegnungsstätten gibt, können Städte ihrer sozialen Funktion wieder gerechter werden, ganz wie es Jane Jacobs vor über 60 Jahren eingefordert hatte. Insofern hat eine moderne Stadt dann auch etwas von mittelalterlichen Städten: kurze Wege, viel Interaktion und vielfältige Funktionsmischungen in den Quartieren – aber eben unterlegt mit engmaschigen, digitalen Netzen.
Autoren: Prof. Dr. Tobias Just In Verbindung stehende Artikel:
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