Zeit für einen Paradigmenwechsel

Die herausragende Bedeutung der biologischen Vielfalt und ihre grundlegende Rolle für uns Menschen sind unbestritten. ­Bestäubung, Wasser- und Luftreinigung, Bodenfruchtbarkeit und Klimaregulierung sind nur einige der ­wesentlichen Leistungen der Natur. ­Ohne diese käme unsere Wirtschaft zum Erliegen. Der anhaltende Verlust der biologischen Vielfalt ist alarmierend. Es ist daher besorgniserregend, dass der deutsche Finanzsektor die Dringlichkeit des Themas weiter unterschätzt.
Das Kunming-Montreal-Global-Biodiversity-Framework 2022 hat wichtige, quantifizierbare Ziele gesetzt und die Bedeutung des ­Finanzsektors hervorgehoben. Trotzdem: Biodiversität ist im deutschen Finanzsektor noch nachrangig. Drei Viertel der vom WWF und PWC Deutschland von Februar bis März 2024 befragten ­Banken, Versicherer, Pensionskassen und Asset Manager stufen die Bedeutung von Biodiversität als gering ein. Die Folgen dieses Defizits können weitreichend sein. Die Abhängigkeit des globalen BIP von naturbasierten Ressourcen und die damit verbundene Notwendigkeit, CO₂-Emissionen zu reduzieren, sind klar erkannt. Dennoch nutzen nur wenige Finanzakteure Biodiversitätsdaten für Steuerungszwecke oder Net-Zero-Transitionspläne. Diese Diskrepanz von Wissen und Handeln ist, aller bestehender Hürden für ganzheitliche Betrachtungen zum Trotz, nicht nachvollziehbar.
Transitionspläne bieten einen strategischen Rahmen, um die ­gesteckten Ziele zu erreichen. Es mangelt aber an der konkreten Umsetzung. Die Entwicklung von Biodiversitätsstrategien erfolgt nur langsam. Die Hälfte der Befragten hat Biodiversitätsziele oder ist dabei, solche zu entwickeln. Der Rest plant dies nicht einmal.
Der Ausschluss bestimmter Sektoren und Aktivitäten, ist ein erster Schritt, reicht aber nicht aus. Angesichts des fortschreitenden ­Biodiversitätsverlusts sind weitergehende Maßnahmen nötig. ­Finanzinstitutionen müssen ihre negativen Auswirkungen drastisch ­reduzieren und positive Beiträge fördern, gerade in sensiblen Gebieten mit trinkbarem Süßwasser oder artenreichen Wäldern.
Der deutsche Finanzsektor muss seine Verantwortung für die ­Biodiversität ernst nehmen. Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Die Risiken und Chancen des Biodiversitätsverlustes und der Klima­krise sind klar erkennbar. Jetzt ist es Zeit für mutige Schritte, um Biodiversität in den Kern der Finanzstrategien zu integrieren. Nur so können wir die Grundlagen unseres Finanz- und Wirtschafts­systems nachhaltig sichern und zukunftsfähig gestalten.