Gefahr einer grünen Blase geringer denn je
Die Sorge um eine mögliche Blasenbildung bei nachhaltigen Aktien kommt immer wieder auf, meist im Zusammenhang mit dem Thema grüne Energie. Das Interesse an Aktien aus diesem Bereich und an nachhaltigen Anlagen im Allgemeinen nahm stark zu. Die hohe Nachfrage trifft auf ein begrenztes Angebot, weshalb die Bewertungen stark angestiegen sind. Perspektivisch wird die Nachfrage weiter steigen. Die Knappheit der Anlagen in dem Segment wird aber durch „grüne“ Börsengänge und Kapitalerhöhungen gemildert.
Nicht nur deshalb sehen wir die Gefahr einer Blasenbildung derzeit geringer denn je. Denn neben Angebot und Nachfrage ist auch die Zinsentwicklung für die Bewertung nachhaltiger Anlagen entscheidend. Unternehmen mit zukunftsfähigen grünen Geschäftsmodellen sind, wie viele andere Tech-Unternehmen auch, häufig vor allem wachstumsorientiert. Steigen die Zinsen, werden Investitionen in Wachstum entsprechend teurer, was künftige Gewinne schmälert. Die Zinsentwicklung bremst also wachstumsorientierte Geschäftsmodelle, nicht aber den strukturellen Megatrend hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Denn dieser wird durch das Streben nach mehr Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern dauerhaft unterstützt.
Dabei gilt: Grüne Energie muss sich rechnen. Lange Zeit war sie wegen ihrer hohen Kosten nicht wettbewerbsfähig. Das hat sich jetzt geändert. Zwar sank zum Beispiel der Gaspreis wieder stark, aber der Wert einer geringeren Abhängigkeit von Öl und Gas wird in der Folge des Ukraine-Kriegs jetzt höher geschätzt. Staatliche Investitionsprogramme verbessern zudem den Rahmen für eine auch wirtschaftlich attraktive Erzeugung von Wind- und Solarstrom, grünem Wasserstoff und geeigneten Speicherlösungen. Das strukturelle Wachstumspotenzial vieler nachhaltiger Unternehmen rechtfertigt langfristig überdurchschnittliche Bewertungen. Denn der Klimawandel ist ein ungelöstes Problem. Der Trend zu Renewables dürfte daher längerfristig anhalten.
Hinzu kommt, dass die nachhaltige Transformation zunehmend in den Investorenfokus rückt. Wenn Investoren und Vermögensverwalter Unternehmen helfen, ihre Geschäftsmodelle nachhaltig und zukunftsfähig auszurichten, wächst der Markt für nachhaltige Kapitalanlagen weiter. In einigen Jahren dürfte das Thema nachhaltiges Wirtschaften die Unternehmenslandschaft so konsequent durchziehen wie heute die Digitalisierung – als unverzichtbares Merkmal zukunftsfähiger Unternehmen. Dies dämpft auch das Bewertungsniveau und damit die Gefahr der Bildung einer grünen Blase.
Dr. Henrik Pontzen, Leiter ESG, Union Investment
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