Versicherungen
6. Juni 2012

„Es kommen Zweifel auf“

Die jüngste Auswirkungsstudie über Solvency II ist abgeschlossen. Gegenüber portfolio äußert sich Gottfried Rüßmann, Vorstandsmitglied der DEVK, zu Ergebnissen der QIS 6 genannten Veranstaltung.

_Herr Rüßmann, die Börsen-Zeitung zitierte Sie am 23. Mai 2012 mit einer markigen Einschätzung. Die jüngste deutschlandweite Auswirkungsstudie QIS 6 habe beim vergleichsweise kleinen Krankenversicherer der DEVK zu einem „absurden Ergebnis“ geführt. Demnach müsse die Gesellschaft genauso viel Eigenkapital vorhalten, wie sie Beitragseinnahmen erziele. Würden Sie bitte die Ergebnisse der jüngsten Auswirkungsstudie konkretisieren?

Gottfried Rüßmann: Im Vergleich zur Vorläuferstudie QIS 5 hat sich im aktuellen Modell für die Krankenversicherung nach Art der Schadenversicherung  dabei handelt es sich im wesentlichen um Ergänzungstarife zur gesetzlichen Krankenversicherung  die Berechnungsweise deutlich geändert. Hauptursache hierfür ist, dass im Vorgängermodell die Prämie für das laufende Geschäftsjahr als Basis für die Ermittlung für das versicherungstechnische Risiko herangezogen wurde, während im neuen Modell der Barwert der Beiträge über die komplette Laufzeit als Berechnungsbasis dient. Hierdurch steigt der Kapitalbedarf für diese Produkte enorm (Faktor 10 und mehr).

_Wo liegt aus Ihrer Sicht das Problem?

Rüßmann: Das Problem liegt eindeutig in der Ausgestaltung der QIS-Studie.

_Was halten Sie vom geplanten Versicherungsaufsichtsregime Solvency II insgesamt? Wo sehen Sie Anlass für Kritik? Ist Solvency II in seiner jetzigen Gestaltung in der Lage, die heterogene Gruppe der Versicherer adäquat beaufsichtigen zu können?

Rüßmann: Wir begrüßen grundsätzlich das neue Aufsichtsregime Solvency II, weil es im Vergleich zu Solvency I die Risikolage besser abbildet. Andererseits ist die Komplexität der derzeit in Rede stehenden Regularien erheblich höher und geht unseres Erachtens über das erforderliche Maß deutlich hinaus.

_Sehen Sie noch Spielraum für die Assekuranz, mögliche Kritikpunkte im Versicherungsregelwerk gegenüber der Aufsicht zur Sprache zu bringen?

Rüßmann: Es besteht nach unserer Kenntnis ein intensiver Dialog der Branche mit der Aufsicht zur konkreten Umsetzung von Solvency II in unterschiedlichen Fragestellungen. Insofern ergeben sich auch Gelegenheiten, mögliche Kritikpunkte zur Sprache zu bringen. Andererseits werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen natürlich europaweit gesetzt, und damit können nicht alle länderspezifischen Besonderheiten adäquat berücksichtigt werden.

_In der DEVK-Gruppe können Sie Kapital offenbar verschieben und entsprechend die gut bedeckte Schaden- und Unfallversicherung mit der Unterdeckung in der Lebensversicherung ausgleichen.

Rüßmann: Ich gehe davon aus, dass jedes Versicherungsunternehmen seinen individuellen Instrumentenkastenzur Behandlung spezifischer Fragestellungen im Rahmen der künftigen Solvency II-Anforderungen füllt beziehungsweise gefüllt hat. Je nach endgültiger Ausgestaltung werden diese Instrumente dann zum Einsatz kommen. Bei der DEVK gehört neben diversen anderen Möglichkeiten auch die Nutzung konzerninterner Rückversicherungslösungen dazu. Dies kann auch zwischen den Lebensversicherern sowie unseren beiden Rückversicherungsunternehmen DEVK Rückversicherungs- und Beteiligungs-AG sowie Echo RE geschehen, die beide kapitalmäßig sehr gut aufgestellt sind.

_Was raten Sie Spezialversicherern, die im Gegensatz zur DEVK mit einer Unterdeckung beim Eigenkapital zu kämpfen haben? Geschäft aufgeben?

Rüßmann: Bevor die Aufgabe von Geschäft in Frage kommt, dürften sicherlich andere Optionen zunächst im Vordergrund stehen: Risiken vermeiden, Risiken zum Beispiel auf Rückversicherer transferieren, Diversifikation erhöhen, Asset-Allokation hinterfragen oder Kapitalbeschaffungen initiieren stellen ja durchaus sinnvolle Alternativen dar.

_Rechnen Sie mit Blick auf Solvency II mit einer Reihe von Börsengängen, um das Eigenkapital zu steigern?

Rüßmann: Ich glaube nicht, dass Solvency II die wesentliche Triebfeder für weitere Börsengänge sein wird. Kapitalaufstockungen unterschiedlicher Art und Weise im bisherigen Rechtsrahmen der jeweiligen Unternehmen halte ich aber schon für wahrscheinlich.

_Halten Sie eine Konsolidierungswelle für naheliegender?

Rüßmann: Ich halte eine Konsolidierungswelle in der Breite der Versicherungsindustrie in Deutschland für nicht sonderlich wahrscheinlich. Andererseits verfolge ich die sich abzeichnenden Anforderungen von Solvency II in den Säulen 2 und 3 besonders für die kleinen Unternehmen durchaus mit Sorge. Insbesondere kann ich die avisierte Proportionalität in den bisher vorliegenden Regularien nicht erkennen.

_Meinen Sie, dass es zu einer siebten Auswirkungsstudie kommen wird? 

Rüßmann: Wenn man, wie unser Unternehmen, die fundamentalen Berechnungsunterschiede der bisherigen Auswirkungsstudien erlebt hat, kommen Zweifel auf, dass dieser Entwurf jetzt den endgültigen Zielzustand abbilden soll. Insofern erwarte ich eine weitere QIS-Studie zumindest in Teilbereichen.

Die Fragen stellte Tobias Bürger

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