Schwarzer Schwan
20. Dezember 2013
Erwin Müller macht Striptease!
Wenn Gier den Verstand frisst, bleibt nur ein Verlust – oder der Gang vor Gericht.
An Kandidaten für die „Mitarbeiter-des-Monats-Kür“ besteht im Dezember kein Mangel. So haben griechische Verkehrskontrolleure den ehemaligen Verkehrsminister (!) Michalis Liapis, Neffe des ehemaligen Staatspräsidenten Karamanlis, mit gefälschten Nummernschildern an seinem Geländewagen erwischt. Das Fahrzeug war nicht versichert und Liapis war ohne Führerschein unterwegs. Der Ex-Verkehrsminister, so die FAZ, hatte seine Nummernschilder beim Steueramt abgegeben, um künftig keine Steuern mehr zahlen zu müssen – und dann ganz pragmatisch nach guter griechischer Sitte gefälschte Schilder montiert.
Kandidat Nummer 2 handelt zwar nicht pragmatisch aber auch nicht dogmatisch. Statt den Stand des Euro-Wechselkurses volkswirtschaftlich zu deuten und wirtschaftspolitisch zu beeinflussen, verfluchte Italiens Ministerpräsident Enrico Letta den Eurokurs einfach: „Das Ziel für die gesamte EU muss es sein, den verfluchten Kurs von 1,36 bis 1,38 Dollar je Euro zu ändern.“ Offenbar plant Letta seinen verdienten Weihnachtsurlaub innerhalb des Eurolands zu verbringen. In der „Fluch-Skala“ blieb Letta allerdings unter der nordkoreanischen Parteizeitung Rodong Sinmun. Diese bezichtigte den Onkel des pubertierenden Nachwuchsdiktators Kim Jong Un eines gleich „dreimal verfluchten Verrat des Vertrauens.“ Und bei Verrat kennt ein Kim keine Verwandte und keine vorweihnachtliche Milde. Er ließ den Onkel exekutieren.
Doch warum in die Ferne schweifen? In Oberschwaben wird net gschwätzt, also auch nur selten geflucht, sondern gschafft. Zum Beispiel am Ruf, das deutsche Hedgefonds-Paradies zu sein. In Neu-Ulm wuchs der heutige Currency-Trader Uli Hoeneß auf. In Blaubeuren shortete einst der abgezockte Finanzjongleur Adolf Merckle im Rahmen seiner Global-Macro-Strategien in einer sehr konzentrierten Wette VW-Aktien und in Ulm zockte Drogerist Erwin Müller in einem großen Currency Trade gegen den Schweizer Franken.
Den Drogerie-Müller beglückte die damalige Privatbank Sarasin auch mit einer ganz speziellen Wette. Laut Südwestpresse offerierte Sarasin ein „risikoloses, von der Allianz versichertes und kurzfristig zurückzahlbares“ Geschäft, das mit zwölf Prozent verzinst werden sollte. Bei einem solch tollen Angebot will man als erfahrener Kaufmann natürlich dabei sein und Müller investierte, hälftig auch mittels eines Kredits, 50 Millionen Euro. Was jedoch vielleicht aus Gesichtspunkten des Kapitalmarkts risikolos sein sollte, war steuerlich recht aggressiv. Es ging nämlich um Cum-ex-Deals rund um die Hauptversammlung, bei der die Rendite in Form von Kapitalertragsteuerbescheinigungen anfällt. Dummerweise wurden die angeblich geleisteten Steuern nicht erstattet. Müller soll rund 90 Prozent seines Investments verloren haben.
Nach dem missglückten Dividenden-Stripping entblößte sich Müller nun selbst vor dem Ulmer Landgericht. Müller will laut Juve.de knapp 50 Millionen Euro Schadensersatz. Schließlich habe ihn die Bank nicht über die steuerliche Struktur – aus Sicht von Müller Steuerhinterziehung – und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt. Der Richter kann nun zwei Fragen klären: Muss man gerade als Kaufmann nicht genauer hinschauen, bevor man 50 Millionen gehebelt in ein Investment mit einem Renditeziel von zwölf Prozent investiert? Zweitens, ob Müller seine moralischen Bedenken auch bekommen hätte, wenn die Cum-ex-Deals aufgegangen wären?
In diesem Sinne wünscht die Redaktion von portfolio Ihnen und insbesondere Erwin Müller einen besonders besinnlichen vierten Advent.
Autoren:
portfolio institutionell
In Verbindung stehende Artikel:
Schreiben Sie einen Kommentar