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28. Februar 2023

Einmalzahlung oder Rente?

Das Bundesarbeitsgericht entschied im Januar gleich in vier Fällen zu einer Grundfrage der bAV: Wann eine Einmalzahlung erlaubt ist oder die Pflicht zur Rentenzahlung vorliegt. Dabei kam es auch zu gegensätzlich anmutenden Urteilen. Die Hintergründe.

Arbeitnehmer bekommen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) meist als Rente. Manche bevorzugen jedoch die Einmalzahlung. Welche Auszahlungsform gilt, steht grundsätzlich in der Versorgungsordnung. Doch die bietet oft auch Wahlmöglichkeiten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stand in gleich vier Prozessen am 17. Januar vor Grundsatzentscheidungen. Das klappte aber auf Anhieb nicht in jedem Fall. Meist müssen die Landesarbeitsgerichte (LAG) als Vorinstanzen nachsitzen. Doch der Reihe nach.

Zunächst lehnte ein Neu-Betriebsrentner die Einmalzahlung seiner Rente ab und wollte eine lebenslange monatliche Zahlung. Doch sein Arbeitgeber beharrte auf Einmalzahlung. Es ging vor Gericht. Zunächst lehnten das Arbeitsgericht Arnsberg und in zweiter Instanz auch das Landesarbeitsgericht Hamm den Wunsch des Rentners nach Rentenzahlung ab. Begründung des LAG: Der Arbeitgeber darf seiner Verpflichtung per Einmalzahlung nachkommen (Az.: 4 Sa 221/21). Dies erstaunt, denn nur in der ursprünglichen Versorgungszusage von 1997 stand: „Die Firma behält sich vor, anstelle der Renten eine einmalige Kapitalabfindung zu zahlen.“ Dies entspricht einem einseitigen Kapitalwahlrecht. Der Rechtsnachfolger des Arbeitgebers präzisierte die Zusage 2005: „Die Firma behält sich vor, anstelle der Renten eine wertgleiche, einmalige Kapitalabfindung zu zahlen.“ Und 2006 wurde im Anhang eines neuen Dienstvertrags ergänzt: „Der Arbeitgeber zahlt eine lebenslängliche Altersrente von 1.022,58 Euro im Monat.“

Dennoch bot der neue Arbeitgeber statt einer monatlichen Rente nur eine einmalige Kapitalabfindung, beziffert auf gut 153.000 Euro brutto. Dagegen führte der Arbeitnehmer mehrere Gründe an: Es handele sich um AGB, die sich am Transparenzgebot messen lassen müssten. Im Dienstvertrag sei nur noch von Rente die Rede, eine Kapitalabfindung verstoße gegen Paragraf 3 BetrAVG. Das billige Ermessen sei darzulegen und Willkür auszuschließen. Es fehle bei dem Angebot an Wertgleichheit und Gleichbehandlung zu anderen Ausgeschiedenen – und zudem wolle er sich nicht mit der Anlage des Geldbetrags befassen müssen, den er im Rahmen einer Kapitalabfindung erhalten sollte. Das BAG entschied in letzter Instanz: Der Arbeitgeber darf sich nicht auf die Einmalzahlung berufen. Das Urteil des LAG Hamm wurde aufgehoben und die Sache zur Klärung der offenen Punkte – auch über die Kosten der Revision – an das LAG zurückverwiesen (Az.: 3 AZR 501/21). Der Arbeitnehmer darf also auf lebenslange Rentenzahlung hoffen.

Arbeitnehmerin bekommt wie gewünscht höhere Rente

In einem zweiten Fall war die Klage gegen eine Einmalzahlung schlussendlich erfolgreich. Eine Betriebsrentnerin schickte gut 100.000 Euro postwendend an den Arbeitgeber zurück. Die Krankenpflegerin war über eine pauschaldotierte Gruppen-U-Kasse abgesichert. Die Kasse schrieb ihr kurz vor dem Ruhestand: Man behalte sich vor, anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der 10-fachen Jahresrente zu zahlen. Zu Rentenbeginn 2021 nahm der Arbeitgeber reichlich 123.500 Euro brutto in die Hand, führte gut 17.000 Euro Lohn- und Kirchensteuer ab und überwies rund 106.500 Euro netto an seine Ex-Mitarbeiterin. Die aber schickte das Geld zurück und wurde deswegen vom Arbeitgeber auf Annahme des Geldes verklagt. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und gab der Widerklage der Ex-Arbeitnehmerin statt.

Die Frau kritisierte, dass der Arbeitgeber zur Kapitalabfindung gar nicht berechtigt gewesen sei, sondern nur die U-Kasse – diese aber davon keinen Gebrauch gemacht hatte. Außerdem sei der gezahlte Betrag nicht ausreichend. Die Frau verlangte den Gesamtbetrag von etwa 123.500 Euro, weil die Leistung steuerfrei sei. Das LAG Düsseldorf stimmte der Frau zu und sah in der Einmalzahlung einen Änderungsvorbehalt, welcher der AGB-Inhaltskontrolle (gemäß Paragraf 308 Nr. 4 BGB) unterliegt (Az.: 12 Sa 1068/21). Begründung: Laufende Rentenzahlungen und einmalige Kapitalleistungen seien nach dem Betriebsrentengesetz gleichwertige bAV-Formen.

Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um zwei unterschiedliche und inhaltlich deutlich anders ausgestaltete Leistungen handelt. Folge: Die Einmalzahlung sei nicht zumutbar. Wäre sie es, handelte es sich bei der vorliegenden Kapitalleistung nicht um den versicherungsmathematischen Barwert der versprochenen laufenden Rente, sondern um den davon zu unterscheidenden, niedrigeren Wert, nämlich die zehnfache Jahresleistung dieser Betriebsrente. Das BAG entschied in letzter Instanz: Die Revision des Arbeitgebers gegen das Urteil des LAG Düsseldorf wird zurückgewiesen (Az.: 3 AZR 220/22). Damit muss er die Einmalzahlung rückgängig machen und der Frau eine monatliche Betriebsrente zahlen. Der Arbeitgeber hat die Revisionskosten zu tragen.

In den beiden anderen Fällen, die am 17. Januar in Erfurt verhandelt wurden, ging es um Formalien. Vor allem stritt man darum, mit welchen technischen Mitteln Berufung eingelegt werden darf und mit welchen nicht. Der Arbeitnehmer legte zweimal per Fax und zusätzlich über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) Berufung beim Hessischen LAG ein und schickte die Begründung später ebenfalls per Fax, jedoch nur mit eingescannten Unterschriften. Eine so übermittelte Berufungsbegründung genügt aber nicht den gesetzlichen Formanforderungen, wenn sie lediglich eine eingescannte Unterschrift enthalte, meinte das LAG und verwarf beide Berufungen als unzulässig. Das BAG entschied jedoch: Die Urteile werden aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Hessische LAG zurückverwiesen (Az.: 3 AZR 158/22 sowie 3 AZR 159/22). Damit dürfte eine gescannte Unterschrift künftig wohl doch genügen.

Den Volltext der vier Entscheidungen wird das BAG erst etwa Mitte März auf seiner Homepage veröffentlichen, kündigte Richter Oliver Klose, stellvertretender Pressesprecher des BAG, gegenüber portfolio institutionell an. Klose gilt als designierter neuer Pressesprecher, da die bisherige Pressechefin Stephanie Rachor schon seit Oktober 2022 als Vorsitzende Richterin des Betriebsrentensenats agiert (Dritter Senat) und damit die Nachfolge von Bertram Zwanziger angetreten hat, der letzten Sommer in den Ruhestand gegangen war. „Gerade in den ersten beiden Fällen müssen die Urteilsbegründungen abgewartet werden“, meint Henriette Meissner. „Erst dann kennt man die Grundlage, ob überhaupt einseitige Kapitalwahlrechtsklauseln zulässig sind und wie sie gegebenenfalls wirksam ausgestaltet werden können“, so die Generalbevollmächtigte für bAV der Stuttgarter Lebensversicherung. Die Urteile dürften aber in jedem Fall Folgerungen für die künftige Gestaltung von Versorgungsordnungen haben.

Die Urteile stellen einen Meilenstein in der bisherigen Rechtsprechung des BAG dar. In der Vergangenheit war es weniger um die Art der bAV-Auszahlung gegangen, sondern vor allem um die nötigen Anpassungen der Rentenhöhe. So auch kürzlich unter Vorsitz von Rachor, als ein Arbeitgeber die Anpassung wegen schlechter wirtschaftlicher Lage ablehnte. Ein Mann bekam schon seit 2010 Betriebsrente, offenbar als Pensionszusage, wollte aber ab 2019 gut 5,1 Prozent mehr Geld wegen der Anpassungspflicht und zusätzlich wegen Kaufkraftverlustes. Der Rentner unterlag in allen Instanzen. Das BAG entschied mit Urteil vom 15. November 2022: Die wirtschaftliche Lage der Firma stand der bAV-Erhöhung entgegen (Az.: 3 AZR 506/21).

Begründung: Es müsse keine Anpassung geben, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Firma gefährdet ist, also das Unternehmen voraussichtlich keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet oder nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt (Az.: 3 AZR 246/20). Besteht ein Gewinnabführungsvertrag – wie im Falle des klagenden Mannes –, ändere sich laut BAG nichts am Eigenkapital und daher komme es zur wirtschaftlichen Lagebeurteilung allein auf die Eigenkapitalverzinsung an. Die bestehe aus einem Basiszins (entspricht der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen) und einem Risikozuschlag für das investierte Kapital (laut BAG-Urteil vom 13. Oktober 2020 sind es 2,0 Prozent). Der Arbeitgeber müsse auch darlegen und beweisen, dass seine Entscheidung, die bAV nicht anzupassen, billigem Ermessen entspricht und sich in den Grenzen des Gesetzes (Paragraf 16 BetrAVG) bewegt (Az.: 3 AZR 246/20). Nach diesen Grundsätzen habe der Arbeitgeber im aktuellen Fall die Betriebsrente nicht erhöhen müssen.

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