Eines für alle
Ein neues Bundesgesetz soll das Stiftungsrecht in Deutschland vereinheitlichen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat kürzlich das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) vorgelegt. Während das Vorhaben grundsätzlich von den großen Verbänden begrüßt wird, fällt die Kritik in den Details deutlich aus. Experten fürchten, Stiftungen könnten künftig in ihrer Vermögensanlage stark eingeschränkt werden.
Nachdem die Bundesregierung die Umsetzung einer Stiftungsrechtsreform auf die Agenda der 19. Legislaturperiode gesetzt hatte, wird es nun konkret. Vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz wurde Ende September ein Referentenentwurf „zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ veröffentlicht. Die geplante Vereinheitlichung durch ein Bundesgesetz findet grundsätzlich Zuspruch der Verbände, allen voran des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, der lange auf eine solche Rechtsreform für Stiftungen gedrängt hatte: Die Bundesregierung schlage „zunächst mit einer Vereinheitlichung des zersplitterten Landesrechtes auf bundesgesetzlicher Ebene den richtigen Weg ein. Zu einer Verbesserung des Stiftungsrechts tragen auch Regelungen wie die Kodifizierung der Business Judgement Rules und Einführung eines Stiftungsregisters bei und sind ausdrücklich zu begrüßen.“
Bei der Führung der Geschäfte haben Vorstände auch bereits nach geltendem Recht „die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anzuwenden“. Wenn sie jedoch ihre Pflichten schuldhaft verletzen, können sie der Stiftung zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sein. Die eigentliche Business Judgement Rule, die in Paragraf 84a Absatz 3 des Referentenentwurfs nun enthalten ist, besagt dazu im konkreten Wortlaut: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angmessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln.“
Übertriebenen Haftungsängsten entgegenwirken
Dieser Haftungsgrundsatz galt nach dem allgemeinen Zivilrecht auch schon bisher, erläutert Oliver Rohn, Rechtsanwalt und Justiziar beim Bundesverband Deutscher Stiftungen: „Die ausdrückliche Aufnahme der Business Judgement Rule in das Gesetz kann für mehr Rechtssicherheit sorgen. Wir hoffen, dass dadurch auch die ehrenamtlichen Vorstände in Stiftungen Vertrauen fassen. Übertriebene Haftungsängste seien häufig ein Grund, warum es immer schwieriger werde, überhaupt Ehrenamtliche als Finanzvorstände zu finden. Häufig dominiere bei diesen die Vorstellung, dass sie für jegliche Verluste, die in der Zeit ihrer Tätigkeit von ihrer Stiftung verbucht werden müssen, persönlich haften. „Die Business Judgement Rule begrüßen wir daher uneingeschränkt“, sagt Rohn.
„Viele Finanzvorstände denken noch immer, sie hafteten für jede Fahrlässigkeit“, weiß auch Dr. Markus Heuel, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Bereichs Recht, Steuern und Consulting beim Deutschen Stiftungszentrum des Stifterverbandes. „Das hat zur Folge, dass Entscheider in Stiftungen ausgesprochen vorsichtig bei der Kapitalanlage vorgehen.“ Dieses Verständnis sei auch verstärkt worden durch einige Vorgaben der Landesaufsichtsbehörden. In Bayern hätten Stiftungsorgane beispielsweise noch bis in die 1990er Jahre hinein das Vermögen mündelsicher anlegen müssen. „Wir erhoffen uns von der Business Judgement Rule, dass dadurch die Bereitschaft von Stiftungsvorständen erhöht wird, im Interesse der Zweckverwirklichung auch chancenreicher anzulegen“, so Heuel. Nach dem geltenden Recht hafteten ehrenamtliche Vorstände ohnehin nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, Hauptamtliche bei Fahrlässigkeit, jeweils mit ihrem privaten Vermögen. „Der Passus ‚auf der Grundlage angemessener Information‘ deutet zudem an, dass es vernünftig wäre, Anlagerichtlinien zu schreiben, um zeigen zu können, dass der jeweilige Finanzvorstand wie ein ordentlicher Kaufmann agiert“, sagt Rohn. Nach dem Gesetzentwurf gebe es aber keine Pflicht, solche Richtlinien zu verabschieden.
„Anlagerichtlinien werden wegen des Haftungsaspektes gerne empfohlen, doch die wenigsten Stiftungen haben sie“, weiß Markus Heuel. Weit mehr als die Hälfte der 23.000 Stiftungen in Deutschland seien nach Vermögen kleiner als eine Million Grundstockvermögen, erklärt Heuel. „Zudem gibt es auch viele Stiftungen mit 100 oder 200.000 Euro Grundstockvermögen, da gibt es dann gar keinen Anlass für komplexe Anlagerichtlinien.“ Oft lebten diese kleineren bis sehr kleinen Stiftungen vor allem von Zuwendungen in Form von Spenden.
Der Referentenentwurf regelt auch Fusionen von Stiftungen erstmals bundeseinheitlich. „Dass Fusionen mit dem Bundesgesetz einheitlich geregelt werden, ist eine gute Sache“, findet Rechtsanwalt und Justiziar Rohn. „Bisher war eine Zusammenlegung von Stiftungen oft davon anhängig, in welchem Bundesland die Stiftungen angesiedelt waren. Die einzelnen Bundesländer haben hier oft unterschiedlich strenge Regelungen.“ Diese würden oft dann nötig, wenn eine Stiftung nicht mehr genug erwirtschaftet, um ihrem Stiftungszweck nachzukommen.
Entwurf erleichtert Fusionen
„Fusionen werden künftig leichter möglich sein“, schätzt Markus Heuel vom Deutschen Stiftungszentrum im Stifterverband. „Bisher waren sie nur möglich, wenn es der Stiftung nicht mehr möglich war, ihren Zweck zu erfüllen und oft wurde das von den Stiftungsaufsichten der einzelnen Bundesländer sehr eng ausgelegt.“ Bisher folgt die Verwaltung von Stiftungsvermögen innerhalb Deutschlands einem Flickenteppich an Regelungen. Die Aufsicht ist in Flächenstaaten oft bei den Regierungspräsidien angesiedelt, in Stadtstaaten beim Senat. Schon bei der Gründung einer Stiftung stellten sich Stifter aufgrund der unterschiedlichen Landesgesetze und ihrer Auslegungspraxis durch die Aufsichtsbehörden oft die Frage: In welches Bundesland soll ich gehen? Mit der Stiftungsrechtsreform werden nun wichtige Weichen bundeseinheitlich gestellt. Interessant ist auch die Frage, was nach dem geplanten Gesetz als Grundstockvermögen gilt. Dem Referentenentwurf zufolge sollen künftig so genannte Umschichtungsgewinne immer dem Grundstockvermögen zuzurechnen sein. Umschichtungsgewinne sind Gewinne, die einer Stiftung aus dem Verkauf von Grundstockvermögen wie beispielsweise Aktien oder Anleihen entstehen. Die Surrogate aus dem Verkauf von Grundstockvermögen sind nach dem Referentenentwurf ebenfalls wieder dem Grundstockvermögen zuzuordnen. In der Folge können Stiftungen diese Gewinne nicht mehr für die Förderseite verbrauchen, sondern müssen diese entsprechend dem Erhaltungsgrundsatz von Stiftungen wieder anlegen. Der Erhaltungsgrundsatz, der bundesweit für alle Stiftungen gilt, findet sich in Paragraf 83 c Absatz 1 des Referentenentwurfs. Hier heißt es: „Das Grundstockvermögen ist ungeschmälert zu erhalten.“
Was gilt als Grundstockvermögen?
Mit dem Gesetz hier eine Einheitlichkeit zu schaffen, sei an sich zwar zu begrüßen, meint Oliver Rohn, doch die Auslegung, was als Grundstockvermögen zu definieren ist, kritisiert er. „Stiftungen haben in der Frage der Verwendung von Umschichtungsgewinnen künftig keinen Spielraum mehr. Nach dem Referentenentwurf sind Umschichtungsgewinne immer dem Grundstockvermögen zuzuschlagen, wenn in der Satzung nichts anderes geregelt ist. Wir halten das für rückwärtsgewand und sehr rigide. Die Regelung ist nicht sehr flexibel und lässt den Stiftern nicht genügend Freiheit bei der Vermögensanlage“, kritisiert Rohn. Ähnlich urteilt in dieser Frage auch Markus Heuel vom Deutschen Stiftungszentrum im Stifterverband. „Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Surrogate, die mit Gewinn verkauft werden, immer Grundstockvermögen sein müssen. Dabei war es bisher mit vielen Aufsichtsbehörden möglich, die Kursgewinne für Stiftungszwecke zu verbrauchen. Das wird, so wie es derzeit im Gesetzentwurf steht, künftig nicht mehr möglich sein. Der Stifter kann es zwar ändern, muss es aber dafür in die Satzung schreiben. Das ist schade und beschneidet die Handlungsmöglichkeiten von Stiftungen ungemein.“ Allerdings gebe es nach dem vorliegenden Gesetzentwurf auch die neue Möglichkeit einer „Hybridstiftung“, die in der Ausgestaltung eher einer Verbrauchsstiftung ähnelt. Heuel: „Das klassische Grundstockvermögen wird hier durch den neuen Begriff des ‚sonstigen Vermögens‘ ergänzt, welches auch für Stiftungszwecke verbraucht werden darf. Das wird für neue Stiftungen gelten, aber Übergangsregelungen für bestehende Stiftungen fehlen. Wir finden, dass auch Bestandsstiftungen von dieser Möglichkeit profitieren sollten.“
Justiziar Rohn hofft, dass der Gesetzentwurf in einer verbesserten Fassung schon bald verabschiedet wird. Das BMJV plant, „zügig einen Regierungsentwurf zu erarbeiten und diesen in das parlamentarische Verfahren einzubringen.“
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Recht | Stiftungen
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