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24. Juni 2020

Einen Anker in die Zukunft werfen

Langfristige, strukturelle Veränderungen pflügen die ­globale ­Ökonomie um. In dem sich Investoren an diesen orientieren, ­können sie – so die Hoffnung – auf jene Unternehmen setzen, ­welche strukturell von der ökologischen Transformation, dem ­demographischem Wandel, der Digitalisierung von Geschäfts­modellen und der Urbanisierung profitieren. Dafür müssen sie sich von alten Denkmustern verabschieden.

Ist Amazon ein klassisches Einzelhandelunternehmen, Uber ein klassisches Industrieunternehmen? Ja, wenn man die gängige ­Sektorklassifikation GIGS fragt, die MSCI und S&P 500 zugrundelegen. Nein, wenn man betrachtet, womit und wie die Unternehmen tatsächlich Umsätze generieren und wem sie mit ihren ­Geschäftsmodellen Konkurrenz machen. So ist für Amazon das Cloud-Geschäft entscheidend, Uber übt massiv Druck auf die Automobilnachfrage aus. Doch in der Sektorklassifikation spiegelt sich dies nicht wider.

Ähnliche Unschärfen gibt es bei vielen weiteren Unternehmen, was Fondsanbietern die Gelegenheit gibt, die Einteilung der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts nach Sektoren grundlegend zu hinterfragen. „Die Sektoreinteilung orientiert sich an einer Struktur der Wirtschaft aus dem letzten Jahrtausend“, sagt etwa Andreas ­Fruschki, Portfoliomanager bei AGI. Andere rufen dazu auf, sich von den Sektoren zu lösen: „Wir könnten weitermachen, aber es ist ziemlich offensichtlich, dass es nicht immer einfach ist, Unternehmen in vorher festgelegte Branchenlisten zu pressen, und dieser Prozess spiegelt zunehmend nicht mehr die wahre Natur des ­Geschäfts eines Unternehmens wider“, so etwa Chris Versace, ­Co-Gründer des Researchhauses Tematica. „Wenn man den Markt durch eine Branchenlinse betrachtet, kann man den realen ­Rückenwind und die Katalysatoren, die den Strukturwandel innerhalb der Branchen vorantreiben, nicht erfassen.“

Venture Capital für Vermögensverwalter

Eine Lösung scheint im Markt bereits gefunden: Sogenannte ­thematische Investments, welche unabhängig von Branchen, ­Regionen und Marktkapitalisierung versuchen, Unternehmen zu erfassen, die von strukturellen, langfristigen Trends profitieren. Vorteil für Andreas Fruschki, Portfoliomanager bei AGI ist es, dass Themeninvestments es erlauben, in einen Markt zu investieren, der ­berechenbarer wächst als der gesamte Markt. „Es gibt ja nur ­relativ wenige Unternehmen, die gut performen. Wenn Sie den ­Anspruch haben, mehr Rendite zu erzielen, sind Sie schnell bei langfristigen Trends.“

„Thematische Investitionen sind wie Venture Capital für Vermögensverwalter“, schreibt Nicolas Rabener auf dem Blog des CFA ­Institute. „Bei jeweils zehn Produkten, die auf den Markt gebracht werden, scheitern die meisten daran, dass sie bei den Anlegern kein Interesse wecken, ein paar erreichen aus Kostensicht die Gewinnschwelle, und vielleicht wird aus einem davon der Starfonds, der Milliarden von verwalteten Vermögenswerten aufbringt und dafür sorgt, dass sich das Ganze lohnt.“ Mit dieser Sichtweise ­werfen Anbieter Fonds um Fonds auf den Markt, was die Frage aufwirft: Ist es einfach die nächste Sau, die durch das Dorf getrieben wird, oder steckt mehr dahinter als ein bisschen auf neue Kundengruppen zugeschnittenes Marketing?

„Thematische Investitionen sind in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft“, sagt Vafa Ahmadi, Head of Thematic Equities bei CPR AM, der Themeninvestment-Tochter von Amundi und meint damit aber in erster Linie deren Eigenschaften für den Anleger. „Erstens bringt es den Investments einen Sinn und bietet eine Möglichkeit, ihre ­Investitionen an Überzeugungen auszurichten. Verantwortungs­bewusstes Investieren macht vor allem bei thematischem ­Management vollkommen Sinn, wo Megatrends und nachhaltige Entwicklung dieselbe langfristige Vision teilen. Zweitens bringt sie eine potenzielle Outperformance durch das Engagement in ­langfristige Wachstumstreiber.“ Dritter Vorteil, so Ahmadi, ist eine ­Risikostreuung, die von traditionellen Benchmarks und Indizes ­abweiche. Als Beispiel nennt er den hauseigenen thematischen, auf Bildung fokussierten Fonds, welcher nur zu sechs Prozent mit dem MSCI ACWI übereinstimme.

Langfristige Trends als Alpha-Quelle

Die erhoffte langfristige Outperformance steht als Motivation ganz klar im Vordergrund. „Thematisches Investment hilft Investoren, Alpha-Quellen zu identifizieren“, gibt sich Rahul Bhushan vom ETF-Anbieter Rize ETF überzeugt. „Wenn wir beispielsweise auf Unternehmen mit Geschäftsmodellen im Bereich Cyber Security und Privacy blicken, so finden wir, dass deren Gewinne und ­Umsätze deutlich stärker wachsen als der breite Markt.“ Die Credit Suisse identifiziert aktuell sechs langfristige Investmenttrends, von denen angenommen wird, dass sie zu rasch wachsenden Investmentopportunitäten werden. Dazu zählt sie – erstaunlicherweise erst seit Mai 2020 – den Klimawandel, zudem den demographischen Wandel, Infrastrukturinvestitionen, Werte der Millenials wie verantwortungsbewusster Konsum und gesunde, nachhaltige ­Lebensmittel sowie „Technologie im Dienste der Menschheit“. Auch ein Supertrend „Besorgte Gesellschaften – inklusiver Kapitalismus“, mit welchem insbesondere Unzufriedenheit mit zunehmender sozialer Ungleichheit sowie verstärktem Bedürfnis nach persönlicher Sicherheit erfasst wird, findet sich auf der Liste.

Die Definition und Priorisierung unterscheidet sich, je nachdem, wen man fragt. Die Bank of America beispielsweise listet fünf ­dominante Themen für die Zeit nach Covid-19, welchen sie eine Marktkapitalisierung von 20 Billionen US-Dollar zuordnet. Neben Geopolitik und Globalisierung findet sich hier ein „Tech War“, „Big Government – a new social contract“, Gesundheit und ein verstärkter Fokus auf ESG sowie der „neue Konsument“. Davon profitieren werden beispielsweise Gesundheitsunternehmen, Staples und Technologieunternehmen zum Leidwesen von fossiler Energie, ­Autos und der Sharing Economy.

Viele Themen ranken sich um das Thema Nachhaltigkeit, was ­damit zu tun habe, dass neue Generationen Weichen in diese Richtung stellen, so Fruschki von AGI, aber nicht nur. Allgemein seien Themenfonds bei AGI immer rund um strukturelle ­Veränderungen angesiedelt, die in ihrer Natur unumkehrbar sind. Vier solcher struktureller Veränderungen kann er aufzählen: Technologische Innovation, Ressourcenverknappung, Urbanisierung sowie sozio-kulturelle und demographische Veränderungen. Investiert man entlang solcher struktureller Veränderungen, so die Hoffnung, so investiert man in diejenigen Unternehmen, welche die Wirtschaft von morgen maßgeblich gestalten. Sich an strukturelle Veränderungen zu halten, die in ihrer Natur langlebiger sind als einzelne Investmentzyklen, kann auch helfen, Investitionen langfristiger auszurichten, was institutionellen Investoren ein Anliegen sein sollte. Insbesondere unterscheiden sich langfristige, strukturelle, unumkehrbare Trends von kurzfristigen Modeerscheinigungen, bei denen es in der Regel bereits zu spät ist, sobald man darüber in der breiteren Öffentlichkeit spricht.

Dabei entscheiden Megatrends nicht nur hinsichtlich einzelner Unternehmen, sondern auch in Bezug auf die Performance­chancen von ­Regionen. So schreibt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei JP Morgan Asset Management, in seinem Kommentar zum ­langfristigen Kapitalmarktausblick, dass es den Aufstieg der ­Technologie in den vergangenen zehn Jahren ein „amerikanisches Jahrzehnt“ bei den Aktienrenditen gegeben habe. „Das Thema Technologie bleibt uns sicherlich erhalten, jedoch könnten durch eine massive Förderung Erneuerbarer Energien sowie Nachhaltigkeit durch staatliche Programme in den 2020er Jahren andere ­Regionen aufholen.“ Auch aus dieser Perspektive lohnt es sich also, sich mit Megatrends zu beschäftigen.

Alte Klassifikationen sind Ballast

Damit es gelingt, als Anleger Exposure zu davon profitierenden Unternehmen aufzubauen, muss man die alte Systematik von ­Sektoren, Regionen und Small-/Mid- und Large-Caps hinter sich lassen, darin scheinen sich die Wortführer von thematischen ­Investments einig. Denn: „Themen sind naturgemäß global gültig und betreffen Unternehmen unabhängig von traditionellen Kategorisierungen“, so Fruschki von AGI. „Wer Unternehmen nach Ländern, Sektoren, Marktkapitalisierung et cetera selektieren muss, limitiert sich in seiner Auswahl und hat daher gar keine Chance, die komplette Wertschöpfungskette der positiven Entwicklung ­abzugreifen.“ Er gibt das Beispiel Wasser: Unternehmen, die hier Lösungen anbieten, sind vielfach Versorger. Adressierte man dieses Thema beispielsweise mit einem Sektor-ETF, so erhält man neben den gewünschten Wasserversorgern auch Elektrizitäts- und Gas­versorger. Ein themenspezifischer Fonds kann demgegenüber ­ausschließlich Wasserversorger auswählen und zusätzlich gezielt in geeignete Industrie- und Technologiewerte investieren, die ebenfalls innovative Lösungen gegen Wasserknappheit anbieten.

Auch Dáire Dunne, Portfolio Manager bei Wellington Management, will Einschränkungen durch Sektoren und Regionen hinter sich lassen und den Investmentansatz mittels struktureller Trends neu verankern: „Wenn man einem Manager mehr Handlungsspielraum gibt, sind langfristig Risiko-Rendite-Profile besser. Aber viele Investoren fühlen sich nicht wohl, völlige Freiheit zu überlassen. Strukturelle Veränderungen stellen für diese eine sinnvolle neue Verankerung des Investmentansatzes dar.“ Das partielle Abwenden von klassischen Benchmarks ist für ihn ein wichtiger Grund für vermehrte thematische Investments.

Die Selektionsprozesse, mittels derer das globale Universum ­gefiltert werden, erfahren somit eine signifikante Wandlung: „Wir nutzen die GIGS nicht, sondern evaluieren Unternehmen hinsichtlich deren Exposure zu dem Thema“, beschreibt Versace von Tematica den Auswahlprozess. „Dass wir Sektoreneinschränkungen über­sehen können, heißt nicht, dass wir beliebige Unternehmen ­aufnehmen. Wir bewerten jedes Unternehmen im Universum nach seinem thematischen Score auf der Grundlage öffentlich ­zugänglicher, von Unternehmen gemeldeten Daten, welche für das Thema relevant sind.“

Angepasste Selektionsprozesse

Auf Themen zu setzen bedeutet also nicht, sich ein komplett anderes Universum zu backen. „Die Leute sind sehr vertraut mit den MSCI-Indizes Tech oder Consumer Discretionary“, so Chris Gannatti, Head of Research Wisdomtree. Wenn sie dann auf unseren Artificial Intelligence ETF schauen, sagen sie: ‚Ja, das ist ein Tech-Fund‘. Aber das stimmt so nicht, denn die Gewichtungen sind ganz andere. Amazon beispielsweise ist nur mit einer sehr kleinen Gewichtung enthalten, weil sie neben AI auch viele andere, nicht zu unserem Thema passende Geschäftsmodelle verfolgen. Dafür sind beispielsweise Halbleiterunternehmen stärker vertreten, weil sie die essentielle Hardware für Künstliche Intelligenz bereitstellen.“

Allgemein orientiert sich das Exposure des Indizes daran, welchen Umsatzanteil sie mit Künstlicher Intelligenz erwirtschaften. Die Klassifizierung der Unternehmen wird für den AI-Fonds von CTA vorgenommen, einem spezialisierten Research-Unternehmen, der Index von Nasdaq berechnet. Mit einem Gewicht von etwa 50 ­Prozent sind darin sogenannte Engagers enthalten, also ­Unternehmen, deren Kerngeschäft AI-Dienstleistungen – klassischer­weise Software Subscriptions – sind. 40 Prozent ­machen „Enablers“ aus, Unternehmen, welche die Hardware bereitstellen, wobei die Halbleiter­industrie den größten Anteil ausmacht. Nur zehn Prozent entfallen auf die Kategorie „Enhancers“, die wie ­Amazon einen gewissen Umsatzanteil mit Künstlicher Intelligenz verzeichnen können.

Pure-Plays ermöglichen Partizipation

Auch Fruschki von AGI setzt auf Pure-Plays: „Wir suchen Aktien, welche die Themen sehr direkt adressieren.“ Für das Beispiel Wasser komme daher keine Siemens oder GE in Frage, weil diese nur einen kleinen Anteil an den gesamten Umsätzen mit dem Thema machen. „Unser Herangehen ist, Themenfonds so konzentriert wie möglich, aber so diversifiziert wie nötig aufzusetzen“, beschreibt Fruschki das Vorgehen. Denn durch mehr Unternehmen im Fonds würde man ab einem gewissen Punkt zwangsläufig die Investmentidee verwässern, weil man mehr Kompromisse bei der Auswahl machen müsse. Als gesunde Balance habe sich je nach Thema ein Portfolio von 30 bis 50 Aktien eingependelt. Im Ergebnis ergibt sich ein Fonds mit einem eigenen, themenspezifischen Profil. „Das muss auch so sein sein, denn Sie wollen ja einen Fonds haben, der besser läuft als der restliche Markt. Dazu muss er ­anders sein.“

Getrieben werden könnten thematische Investments ausgerechnet auch von dem Siegeszug von passiven Investments, da diese eine Aufteilung des Portfolios in eine Core- und in eine Satellite-­Allokation begünstigen. „Da kostengünstige passive Strategien ­einen ­immer größeren Anteil an den Portfolios ausmachen, ­wenden sich die Anleger auf der Suche nach Alpha-Quellen für ihre Portfolios zunehmend fokussierten Strategien oder konzentrierten Fonds zu“, sagt etwa Devan Kaloo, Global Head of Equities bei Aberdeen Standard Investments. Die konzentrierten thematischen Investments können diese Voraussetzung erfüllen, weshalb thematische Investments wohl optimal im Rahmen des Satellite-­Portfolios Platz finden dürften.

Integration ins Portfolio

„Der erste Schritt ist oft, einen Teil des Equity-Exposures in ­thematische Investments zu allokieren und diesen Anteil dann mit der Zeit zu erhöhen“, so Dunne von Wellington Management. Er erwartet, dass ein größerer Anteil von Portfolios hin zu thematischen Investments verschoben wird. Benchmarks werden weiter eine Rolle spielen, der Übergang wird graduell sein. Er glaubt ­jedoch, dass Investoren bestimmte Aspekte genauer beachten ­werden, etwa die Gewichtung nach Marktkapitalisierung. „Thematische Investments werden nicht den MSCI World oder den S&P 500 ersetzen“, glaubt auch Bhushan von Rize ETF und stimmt zu, dass der natürliche Platz für thematische Investments im Satellite-Portfolio liegt. Gedankenspiele sind dennoch erlaubt: Aus Risikomanagement-Perspektive gebe es eigentlich keinen Grund, die ­breitere, über sieben Themen gestreute AGI-Strategie auch als Core-Investment zu nehmen, so Fruschki. Denn mit fast 200 ­Unternehmen sei diese recht breit gestreut.

In puncto Risikomanagement dürfte dennoch Innovationsbedarf sein, gerade für Investoren, die ihre benchmarknahen Investitionen bislang über Derivate abzusichern pflegen. Denn der Tracking Error zu breiten Marktindizes dürfte ein Graus sein, ist dies doch bewusst nicht das Ziel für thematische Investments. Entgegenkommen dürften Investoren jedoch Diversifikationseigenschaften bei der Kombination verschiedener Strategien: Dunne von Wellington Management nutzt bezüglich Risikomanagement den ­Umstand, dass innerhalb der Themen große idiosynkratische Risiken und ­Returns vorliegen. „Diese sind in der Tat zentrale Performance-Treiber, können jedoch auch zur Diversifikation eingesetzt werden.“ So liege die durchschnittliche Korrelation der acht ­Themen, die Wellington in einer ihrer Strategien bespielt, bei 0,6. MSCI Sektoren hätten dagegen eine Korrelation zwischen 0,8 und 0,9. Derivate setzt Wellington für dieses Portfolio nicht ein.

Themenauswahl und Timing

Chris Gannatti von Wisdomtree schätzt, dass Investoren die ­Themen-ETFs aus unterschiedlichen Gründen nutzen. „Der Fokus liegt sicherlich immer darauf, sie als Instrumente einzusetzen, die darauf ausgerichtet sind, die Benchmark outzuperformen. Was kurzfristig orientierte Investoren aktuell tun, ist auf den initialen Covid-19 Rebound zu setzen und dafür kurzfristig Exposure in Cloud Computing, aber auch AI aufbauen.“ Wisdomtree selbst hat immer einen Zeithorizont von mindestens fünf Jahren, wenn ­Kunden nach thematischen Strategien fragen. „Bessemer Venture Partners prognostiziert, dass bis 2025 die Hälfte aller Unternehmenssoftware in der Cloud ist. Die Investmentopportunität liegt nicht in den nächsten drei Monaten. Sie liegt in der Frage, ob ­Bessemer richtig liegt, dass es bis 2025 ein derartiges Wachstum geben wird.“ Nicht alle 52 Unternehmen des Indizes werden ­gewinnen, manche werden nicht mehr existieren, andere aufgekauft werden, so Gannatti, das Thema jedoch aller Voraussicht nach strukturell gewinnen. „Investoren, welche bis 2030 durchschauen, interessieren sich weniger dafür, wo wir aktuell stehen.“ Auch andere Anbieter halten Timing für weniger relevant: „Wenn Sie auf längerfristige strukturelle Veränderungen schauen, die sich über mehrere Jahre ziehen, ist das Timing vergleichsweise ­unbedeutend“, so Versace. „Es geht immer darum, strukturelle Veränderungen zu identifizieren, welche Returns langfristig treiben.“ Besonders attraktiv seien dabei Unternehmen, die gleich von ­mehreren langfristigen Entwicklungen profitieren.

Wechselnde Themen

Völlig unbedeutend ist Timing gewiss nicht, da sich in einer ­zeitlichen Betrachtung zwischen einem längerfristigen Trend und kürzeren Zyklen unterscheiden lässt. Der längerfristige Trend ­begründet die positiven Return-Erwartungen, dennoch spielen ­kürzere Zyklen eine große Rolle, nicht zuletzt aus dem Grund, dass Investionsmöglichkeiten versiegen können, sobald das Thema zu viel Aufmerksamkeit erfährt und zu viel Kapital in wenige Unternehmen fließt. Wellington managt den Zyklus über vier Faktoren: Die Bewertung, das Earnings Momentum, das ­Relative Price ­Momentum sowie die aggregierte Profitabilität. „Es hilft nicht, ­exakt Top und Bottom zu erwischen, aber es hilft, den Zyklus zu managen.“ Außerdem hilft die erwartete Volatilität ­innerhalb eines Themas, um Risiken vorausschauend zu steuern. In der Folge ­können sich verschiedene Themen abwechseln. Unter den acht Themen, die beispielsweise eine Wellington-Strategie ­bespielen, wird ­ungefähr alle 18 bis 24 Monate ein Thema ausgetauscht. Für Dunne ein normaler Vorgang: „Die Attraktivität von Themen verändert sich über die Zeit. Wenn wir in ein Thema ­investieren, tun wir dies ­dennoch mit einem Zeithorizont von ­mindestens fünf Jahren ab dem ersten Investment.“ Er sieht drei Gründe für ein Ende eines ­Themas: Erstens kann der Policy ­Support nachlassen. Beispiels­weise bei der Elektromobilität könne das ein Thema gefährden, wenn die staatliche Unterstützung dafür fehle. Zweitens können Themen over-populated werden, wenn zu viel Geld in das Thema fließt. Drittens können sich neue Themen ­auftun, welche relativ gesehen die interessanteren Investitionsmöglichkeiten bieten.

Einfluss von Covid-19

Auftrieb für Themenfonds dürfte nicht zuletzt von der aktuellen Performance getrieben werden, beispielsweise von nachhaltigen Investments: So schreibt das HSBC Global Research Team Ende April: „Wir stellen fest, dass seit den ersten Tagen des Ausbruchs, den wir hier auf den 10. Dezember 2019 datieren, die Klima-Aktien eine Outperformance von 5,1 Prozent und die Aktien mit hohem ESG-Rating eine Outperformance von 3,7 Prozent gegenüber den globalen Aktien erzielt haben.“ Langfristig sei das Ergebnis sogar noch besser, so HSBC: „Wir blicken auch auf die relative ­Performance seit 2007 zurück – ein Zeitrahmen, der auch andere Perioden ­extremer Volatilität erfasst. Überzeugend ist, dass die Aktien mit hohem ESG-Rating die Benchmark seit Januar 2007 um 74,5 Prozent und die Klima-Aktien um 66,1 Prozent übertroffen haben. Auch laut Fruschki sind alle Themenfonds derzeit besser als der Markt. Als Grund nennt er, dass Anleger sich ungern von Aktien trennen, die strukturell gute Aussichten haben. „Das ist der Unterschied zwischen Themen und Fashiontrends, beide darf man nicht verwechseln. Kurzfristige Modezyklen haben deutlich mehr Volatilität, während Themen deutlich längerfristig orientiert sind und von strukturellen, unumkehrbaren Trends untermauert werden.“

Themenfonds, so scheint es aktuell, sind das Thema der Zukunft. Zu offensichtlich sind die umfassenden Transformationen, welche die globale Wirtschaft ergreifen und auch die Probleme, diesen mittels klassischer Benchmarks gerecht zu werden: „Cap-weighted Benchmarks tendieren dazu, nicht aufstrebende ­Unternehmen, sondern die Gewinner der Vergangenheit zu ­belohnen. Deren ­glorreiche Tage sind aber wahrscheinlich bereits vorbei, aber Benchmarks verändern sich nur sehr langsam“, so Dunne von Wellington. Er zieht das Fazit: „Wenn Sie zu nah an einer Benchmark ­verankert sind, sind Sie in der Vergangenheit verankert, nicht in der Zukunft.“ Mit Themeninvestments lässt sich also ein Anker in die Zukunft werfen. Aufgrund des Umstandes, dass man es bei der Bewertung dieser immer mit fundamentaler Unsicherheit zu tun hat, sollte stringentes Risikomanagement nicht unterlassen ­werden. Doch hat man mit strukturellen Veränderungen ein gutes ­Kriterium zur Hand, um Hypes und Themen zu unterscheiden.

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