Eine Infrastruktur aus Aktien
Infrastruktur in liquider Form oder Wertpapiere mit Infrastrukturfokus – der Name des Segments Listed Infrastructure lässt einigen Interpretationsspielraum offen. Investoren erhoffen sich eine Partizipation an der langfristigen Infrastrukturstory, sollten jedoch primär mit Aktien- und Fixed-Income-Risiken rechnen.
„Für Investoren ist gelistete Infrastruktur eine Möglichkeit, am Zukunftsthema Infrastruktur zu partizipieren und gleichzeitig flexibel zu bleiben“, so auch Riemann. Großer Vorteil sei, dass das Kapital nicht langfristig wie in illiquiden Infrastrukturfonds gebunden ist, sondern prinzipiell täglich abgezogen werden kann. Allerdings entfallen so natürlich Werttreiber wie Illiquiditäts- und Komplexitätsprämien, stattdessen kauft sich der Investor Aktienrisiken ein, welche durch den Anlageprozess reduziert werden sollen. Nach einer Reduktion auf das eingeschränkte Anlageuniversum wendet La FranÇaise einen rein quantitativen, auf den Faktoren Quality, Value, Trendstabilität und Volatilität beruhenden Ansatz an, um 30 Aktien gleichgewichtet zu selektieren. Auch ESG fließt mit zehn Prozent in die Bewertung ein, wobei allerdings ein starker Fokus auf Governance liegt. Eine qualitative Selektion hinsichtlich ESG-Kriterien bleibt im rein systematischen Ansatz aus. Angesichts von Assets mit sehr unterschiedlichen Profilen – wenig umweltfreundlichen und daher mit politischen Risiken behaftete Öl- und Gaspipelines und Flughäfen auf der einen, Schienennetze und der für den Ausbau von Erneuerbaren wichtigen Energieverteilung auf der anderen Seite – dürfte diese Selektion bei den extrem langfristigen Anlagezeiträumen der Betreibergesellschaften zunehmend wichtiger werden. Der Vergleich mit der Benchmark NMX Composite unterstützt die Argumente des Anlageprozesses. So konnte seit Auflage 2014 gegenüber dem rund 8,6 Prozent rentierenden NMX Infrastructure Composite eine jährliche Outperformance von rund 1,8 Prozent nach Kosten erzielt werden. Hervorzuheben ist, dass auch im schlechten Aktienjahr 2018 ein knapp positives Ergebnis zu Buche stand. Der Name „Infrastruktur“ im Titel des Fonds lässt sich durch die starke Einschränkung auf die Betreibergesellschaften von Kerninfrastruktur rechtfertigen. „Die Annahme ist, dass sich das Geschäftsmodell von Infrastrukturgesellschaften nicht ändert, nur weil diese an der Börse gelistet sind“, so Riemann.
Riemann beobachtet, dass Investoren gelistete Infrastruktur als Baustein für das Aktienportfolio hinzunehmen. „Investoren interessiert neben dem attraktiven Rendite-Risiko-Profil vor allem die geringe Korrelation zu breiten Aktienindizes. Gelistete Infrastruktur kann so als Satelliteninvestment eingesetzt werden und wirkt diversifizierend.“ Gegenüber dem in Euro nominierten S&P 500 hat der Fonds seit Beginn 2014 eine Korrelation von nur 0,15, gegenüber dem MSCI AC Asia Pacific dagegen eine etwas höhere Korrelation von 0,42. Auch in Multi-Asset-Portfolien werden Infrastrukturaktien diversifizierend beigemischt, etwa im Angebot von LGIM. Fondsmanager Martin Dietz betont dabei den langfristig stabilen Gewinnausblick, der aus den relativ konstanten Zahlungsströmen resultiert: „Innerhalb des Aktienmarktes werden diese Werte oftmals unterschätzt, denn sie sind eher defensive, in gewisser Weise ‚langweilige‘ Aktien. Innerhalb eines Multi-Asset-Portfolios füllen sie aber eine wichtige Lücke zwischen riskanten Aktien und sicheren Anleihen.“ Außerdem eigneten sie sich gut zur Diversifizierung. „Die Basis dieser Diversifizierung ist, dass Infrastruktur nicht so direkt vom Konjunkturverlauf abhängt wie andere Aktien und außerdem ein vergleichsweise hoher Anteil der Unternehmensbewertung in Realwerten investiert ist und daher eine Art Absicherung der Bewertung erzeugt.“
Infrastrukturaktien können also gezielt Aktien- und Multi-Asset-Portfolien diversifizieren. Dass Investoren gelistete Infrastruktur als Substitut für private Infrastrukturinvestments verwenden, sieht Riemann dagegen weniger. Für Investoren, die nach langfristigen, stabilen und berechenbaren Cashflows suchen, um ihre Verpflichtungen zu matchen und dabei oft bei privaten Infrastrukturinvestments fündig werden, dürften gelistete Infrastrukturinvestments diesen Wunsch auch nicht erfüllen. Denn dafür ist die Bandbreite der Jahresrenditen viel zu groß: Von 14,2 Prozent im ersten Jahr 2014 bis 1,3 Prozent in 2018. Denn auch Infrastrukturaktien – mögen sie auch gewisse Unterscheidungsmerkmale zum breiten Markt haben – bleiben eben Aktien, bei denen man mit gewissen Schwankungen rechnen muss.
„Fake Infra“
Genau hier haken vier Autoren des EDHEC Infrastructure Institute (EDHECInfra) ein, die genau dies und so einen Schaden für die gesamte Anlageklasse Infrastruktur befürchten, da Erwartungen an das Segment wie stabile Cashflows, Downside Protection und Diversifikation nicht erfüllt würden. Der im Oktober 2017 veröffentlichte Report des Dienstleisters, welches Benchmarkindizes für (ungelistete) Infrastrukturinvestments entwickelt, beginnt recht hochtrabend mit einem Aristoteles-Zitat: „Obwohl diese Meinungen in einer dialektischen Diskussion logisch zu folgen scheinen, scheint es doch nahe des Wahnsinns dies zu glauben, wenn man die Fakten betrachtet. Nur zwischen dem, was richtig ist, und dem, was aus Gewohnheit richtig erscheint, sind einige Menschen so verrückt, dass sie keinen Unterschied sehen.“ Über die Haltung Aristoteles zu ETFs und Faktorprämien ist wenig überliefert. Demgegenüber geht die philosophische Forschung überwiegend davon aus, dass sich Aristoteles in seiner Schrift „Vom Werden und Vergehen“ der Erklärung des Zusammenspiels von Bewegung und Ruhe widmete und damit grundlegenden metaphysischen Fragen nachging.
Autoren: Tim BüttnerSchlagworte: Aktien | Infrastruktur | Portfoliokonstruktion/Diversifikation
In Verbindung stehende Artikel:
Schreiben Sie einen Kommentar