Stiftungen
17. Februar 2021

Eine Frage der Perspektive

2020 war ein gutes Jahr für Goldinvestoren, wenn auch die Downside im März unerwartet steil ausfiel. Auch der Einbruch am Schmuckmarkt konnte dem Goldpreis nicht dauerhaft schaden. Doch ist Gold als Rohstoff oder Währung zu betrachten? – An ­dieser Frage scheiden sich die Geister. Und für manch einen ­Investor ist das Nachhaltigkeitsrisiko der Anlageform zu hoch.

Gold gilt vielfach als spekulative Anlageform, der Preis je Feinunze Gold unterliegt starken Schwankungen, somit ist die Volatilität hoch. Dennoch hat Gold seinen Wert langfristig vervielfacht. Lag der Preis pro Feinunze im Jahr 2005 noch bei 324 Euro, waren es 2010 schon um die 800 und heute sind es um die 1.500 Euro. ­Allein der Wertzuwachs in den vergangenen drei Jahren betrug knapp 38 Prozent. Gold wird jedoch in US-Dollar gehandelt, es unterliegt ­somit einem Währungsrisiko. Und es wird von Experten ganz ­unterschiedlich gesehen. Viele sehen darin einen Rohstoff, andere stufen es als Währung ein, was auch der Tatsache geschuldet ist, dass es von 1870 bis 1973 im Goldstandard-Währungssystem an den US-Dollar gekoppelt war.

2020 war ein gutes Jahr für Goldanleger. In den ersten neun Monaten­ 2020 konnte der Goldpreis um circa 20 Prozent auf 1.827 US-Dollar pro Feinunze zulegen. In Euro gerechnet lag das ­Kursplus aufgrund des gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung abwertenden US-Dollar bei circa elf Prozent. Gold­­anlagen profitierten insgesamt vom Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Wie der Vermögensverwalter DJE schreibt, taten sie das trotz eines Einbruchs der historisch gesehen wichtigsten Nachfragekomponente – der Schmuckindustrie – um 40,5 Prozent auf 910,3 ­Tonnen. „2020 stellt damit auf der Gold-Nachfrageseite eine absolute­ Ausnahmesituation dar. Es ist das Jahr, in dem die Investmentnachfrage erstmals die Schmucknachfrage als traditionell wichtigste Nachfragekomponente deutlich übertreffen sollte, was nicht einmal im Krisenjahr 2009 der Fall war“, schreibt Stefan Breintner, stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG. Getrieben wurde die Investmentnachfrage demzufolge vor allem durch mit Gold hinterlegte Indexfonds mit Zuflüssen von 916 Tonnen, wobei die Nachfrage nach Barren und Münzen im Jahresverlauf circa 627 Tonnen erreichte – in etwa das Niveau aus dem Jahr 2009.

Die größten Nachfragemärkte für Schmuck weltweit sind Indien und China. „Viele Analysten schauen sich diese Nachfragemärkte im Hinblick auf die Goldpreisentwicklung an, ich nicht“, sagt ­Nitesh Shah, Director Research and Commodity Strategist beim ­Indexfondsanbieter Wisdom Tree. Denn Schmuckkäufer seien sehr preissensitiv. „Konsumenten in Indien und China nehmen den Goldpreis als gesetzt. Im Jahr 2013 zum Beispiel, als der Goldpreis abstürzte, stieg der Konsum in Indien und China auf Rekord­höhen. Für meine Goldpreis-Modellierung sind dagegen eher Makro-­Daten wichtig, wie zum Beispiel die Abwertung des US-Dollar, fallende Zinsen auf US-Treasuries, Inflationstendenzen – all diese Faktoren unterstützen den Goldpreis.“

Physisch hinterlegte Gold-ETCs, wie sie von Wisdom Tree angeboten werden, sind durch Goldbarren der London Bullion Markets Association (LBMA) besichert. Die LBMA legt die Qualitätsstandards für Gold fest, die Raffinerien in das Good-Delivery-System des außerbörslichen Handels in London einspeisen. Die LBMA ist die global wichtigste Organisation für den Kreditmarkt für Gold zwischen Banken. Der OTC-Handel sei „naturgemäß sehr ­intransparent“, wie Ned Naylor-Leyland, Head of Gold & Silver des Asset Managers Jupiter, feststellt. „Mit mehr als 80 Prozent der weltweiten Goldbarrenveredelung durch LBMA-Raffinerien ist ­London das Liquiditätszentrum des Goldhandels“, stellt Nitesh Shah von Wisdom Tree fest. „Mehr als 95 Prozent unserer Assets sind physisch hinterlegte Produkte“, weiß Shah. Gold-ETCs sind Teil des Kerngeschäfts von Wisdom Tree und machen mehr als die ­Hälfte des verwalteten Vermögens in Europa aus. Shah selbst hat jahrlang mit Graham Tuckwell ­zusammengearbeitet, der mit ETF Securities im Jahr 2003 der ­Erfinder des ersten Exchange-Traded-Commodities-Produkts war, dem Gold Bullion Securities. Wisdom Tree kaufte die Firma 2018.

Für Versicherer immer noch exotisch

Der globale Goldmarkt besteht heute zum großen Teil aus Derivaten.­ Diese werden vornehmlich in den USA gehandelt. Laut Degussa-Marktreport vom 28. Januar 2021 lag das globale Handelsvolumen von Gold im Jahr 2019 gleich hinter dem von US-Staatsanleihen (150 Milliarden) und den Aktien des S&P 500 (149 Milliarden): bei 145,5 Milliarden US-Dollar. Doch trotz dieser Bedeutung bleibt Gold für institutionelle Investoren exotisch. Fragt man Experten für ­Versicherer und Stiftungen nach Gold-Investments, so sind die ­Reaktionen meist verhalten. „Die einzigen Gold-Investments, die wir tätigen, finden im Rahmen von fondsgebundenen Lebensversicherungen für unsere Kunden statt. Wir investieren in der eigenen Kapitalanlage gar nicht in Gold. Es ist für uns nicht interessant, da Gold keine planbaren, regelmäßigen Erträge generiert“, sagt ­Thomas Wedrich, Pressesprecher der Signal Iduna. „Gold als ­typischen Sicherheitsbaustein benötigen wir nicht. Wir können über die Gesamtanlage auch Sicherheit abbilden, über die breite Streuung­ und insbesondere durch Anlagen wie Immobilien.“ ­Seitens der Regulierung müssen insbesondere Versicherer, die nach Solvency II anlegen, besondere Vorgaben erfüllen. Immerhin dürfen sie seit Solvency II auch in Rohstoffe wie Edelmetalle ­investieren. Für Gold gilt jedoch eine Kapitalanforderung von 49 Prozent zuzüglich einer symmetrischen Anpassung gemäß den Vorgaben für „Typ-2-Aktien“, berichtet der GDV auf Anfrage. ­Rohstoffe spielten in den Portfolios der Versicherer bislang kaum eine Rolle, so der GDV.

Dabei sind die Opportunitätskosten von Gold mit den fallenden Leit- und Realzinsen weiter gesunken. Wer für Bundesanleihen Negativrenditen in Kauf nehmen muss, für den müsste eine Anlage in das Edelmetall unter Lagerkosten-Gesichtspunkten zunehmend in Betracht kommen. Stiftungskenner Alexander Etterer, Partner und Leiter des Geschäftsbereichs Wealth, Reporting & Controlling bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner, hält Gold für Stiftungen trotzdem für eine ungeeignete Anlageform, wobei die fehlenden laufenden Erträge das Hauptproblem seien: „Stiftungen­ müssen die Zweckerfüllung im Blick haben. Bei ­Goldinvestments handelt es sich um reine Kursspekulation und ­zudem besteht noch ein Dollarrisiko.“ Ein Depot mit physischem Gold als strategische Anlage hält Etterer zudem für zu teuer.

Ganz anders sieht das Fondsmanager Bernhard Matthes von der BKC Asset Management. „Gold schwankt nicht, es hat immer die gleiche Kaufkraft. Das, was schwankt, sind die Währungen gegenüber Gold. Der innere Wert von Gold ist immer identisch, es handelt­ sich um eine Geldanlage ohne Gegenparteirisiko“, erklärt Matthes. Gold als risikolose Anlage zu betrachten, sei für viele ­jedoch gewöhnungsbedürftig. „Diese Sichtweise erfordert ein ­anderes Mindset: Die Volatilität besteht immer auf Seiten der ­Papierwährungen. Die Geldmengenausweitung ist demzufolge das Aufwertungsäquivalent des Goldpreises. Der Preisanstieg bei werthaltigen Vermögenswerten wie Kunst, Agrarflächen, Immobilien, entspricht dem Maß, in dem Fiatwährungen verwässern.“ Matthes hat in seinem Stiftungsfonds BKC Treuhand Portfolio viel Gold im Depot. Aktuell sind es etwa neun Prozent des Fondsvolumens, fünf Prozent sind in Silber investiert (Stand: 10.2.2021). „Unsere Zielquote für Edelmetalle liegt bei 15 bis 20 Prozent.“ Gehalten wird das Gold über den Schweizer ETF ZKB Gold der Züricher Kantonalbank, der ausschließlich Gold hält und dieses physisch hinterlegt und auf Wunsch auch ausliefert. „In der EU dürfen ETFs aus ­Diversifikationsgründen nicht alleine Gold halten und ETCs sind rechtlich Schuldverschreibungen, sodass ein theoretisches Gegenparteirisiko besteht“, begründet Matthes die Produktwahl.

Ganz ähnlich wie Matthes ist auch Ned Naylor-Leyland, Head of Gold & Silver bei Jupiter AM, davon überzeugt, dass im Gold das ­eigentliche risikolose Anlageinstrument liegt. „Sie müssen andersherum denken: Gold ist Geld, es bemisst den Wert von Euro, ­Dollar, Sterling. Euro messen nicht den Wert von Gold. Das ist eine sehr bedeutsame Tatsache. Der Goldpreis geht nicht hoch, das ist eine Illusion. Deshalb ist das Opportunitätskostenargument falsch. ­Dagegen sind die Opportunitätskosten, Euro zu halten, sehr hoch“, findet Naylor-Leyland.

Folgt man Matthes und Naylor-Leyland, so steigt Gold unweigerlich, wenn öffentliche und private Verschuldung steigen und die Zinsen gleichzeitig niedrig bleiben. „Man sieht wohin die Reise geht, wenn man die Staatsverschuldung und die Zinssituation a­nsieht, beides muss gemeinsam betrachtet werden. Das US-Budget-Defizit lag im Januar 2020 bei 33 Milliarden US-Dollar, im ­Januar 2021 steht es bei 163 Milliarden US-Dollar. Zugleich ist die Geldpolitik so ausgerichtet, dass sie um jeden Preis höhere Zinsen zu vermeiden sucht“ , argumentiert Naylor-Leyland von Jupiter. „Ich denke, Gold und Silber werden den wachsenden Staatsausgaben­ zufolge steigen und Silber wird Gold erheblich outperformen.“ Naylor-Leyland managt Aktien von Bergbauunternehmen, die Gold und Silber in Australien und in Nord- und Südamerika abbauen. Man hält das Universum bewusst klein und investiere nicht in die großen Minenunternehmen wie Barrick-Gold oder Newcrest. „Wir glauben, dass es im Bergbausektor zu Übernahmen kommen wird, dadurch, dass die Unternehmen dabei sind ihre Reserven aufzubrauchen. Wir suchen kleinere Minenbetreiber, die Ziel solcher Übernahmen sein könnten.“

Der Nachhaltigkeitsaspekt der ­Branche sei problematisch, räumt Naylor-Leyland ein. Dadurch, dass man nicht in Regionen wie ­Kasachstan, Afrika und Asien investiere, ­habe man viele Nachhaltigkeitsrisiken ausgeräumt. Im Goldabbau sind neben den großen Minenbetreibern auch viele kleine Schürfer unterwegs, die das Edelmetall unter teils katastrophalen Bedingungen aus dem Boden holen. Der Fairtrade-Organisation zufolge sind das rund 20 Millionen Menschen. Die LBMA gibt an, die Zahl der Menschen in Kleinbetrieben beliefe sich gar auf 40 Millionen. Zudem schädige der Einsatz von Quecksilber im Goldbergbau sowohl Mensch als auch die Umwelt, kritisiert ­beispielsweise die Fairtrade-Organisation. Silke Stremlau, Vorstand Kapitalanlage bei den Hannoverschen Kassen, hält denn auch nichts von Gold als Anlageklasse. „Wir sind in Gold nicht investiert und werden das auch in den nächsten Jahren bestimmt nicht tun. Die Nachhaltigkeitsrisiken in der Branche sind zu groß.“ Zudem ­arbeiteten etwa viele Millionen Menschen als Kleinunternehmer in dieser Branche unter prekärsten Bedingungen. Die Hannoverschen Kassen sind streng ESG-getrieben. In ­unserer Kapitalanlage suchen wir gezielt nach Investements, die ­einen positiven Impact auf die Gesellschaft haben. Auch große Bergbauunternehmen schließen wir aus unserem Anlage-Universum­ aus. Aus meiner Sicht haben Goldinvestments keinen gesellschaftlichen Mehrwert“, sagt Silke Stremlau.

Bernhard Matthes, Leiter des Bereichs Asset Management bei der Bank für Kirche und Caritas, will dieses Argument gegen Gold nicht gelten lassen. „Man muss in der Nachhaltigkeitsfrage bei den Minenbetreibern und bei den Goldförderländern, die den gesetzlichen Rahmen für den Abbau festlegen, ansetzen und nicht beim Endprodukt. Sonst müsste man sämtliche Anwendungen von Gold für Schmuck, Mobiltelefone, Medizin, Nanotechnik und andere ­industrielle Zwecke genauso kritisch beurteilen wie die Investmentnachfrage, was jedoch niemand ernsthaft tun würde“, findet er. „Die Unternehmen haben immer die Wahl und die Eigenverantwortung, wie sie das Gold abbauen. Daher muss man bei den Goldproduzenten ansetzen, um bessere Arbeitsbedingungen und mehr Umweltschutz zu erreichen. Zum anderen entspricht die jährlich geschürfte Menge an Gold nur zwischen ein und zwei Prozent des gesamten Goldangebots.“

Fairtrade-Gold ist für institutionelle Investoren keine Alternative, da es als Nischenprodukt bisher nur für den Konsum zum Beispiel in Form von Schmuck verfügbar ist. In jedem Fall gilt: Gold ist ein umstrittenes Asset und für institutionelle Investoren und insbesondere für Versicherer schwer investierbar. Ob es sich um einen Rohstoff handelt oder um Geld, das bleibt eine spannende Frage.

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