Eine Baugenehmigung ist keine Garantie für Rechtmäßigkeit
Norwegisches Oberstes Gericht entzieht Windkraftlizenzen. Urteil könnte internationale Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit und Bestandskraft von Genehmigungen haben.
Tobias Faber und Kristina Laewen von der Anwaltskanzlei Hogan Lovells weisen auf ein aktuelles Gerichtsurteil hin. Demnach erklärte das Oberste Gericht Norwegens am 11. Oktober 2021 eine Baugenehmigung für Windkraftanlagen für ungültig, da diese gegen das Recht auf kulturelle Praxis von Minderheiten aus Artikel 27 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR) verstoße.
Artikel 27 ICCPR besagt, dass Personen, die einer ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheit angehören, nicht das Recht verwehrt werden darf, in Gemeinschaft mit den anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ihre eigene Kultur zu praktizieren.
Nach Auffassung der Juristen könnte das Urteil internationale Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit und Bestandskraft von Baugenehmigungen haben. Außerdem könnte es die Finanzierung von Windparks künftig maßgeblich beeinflussen. Im konkreten Fall ging es um ein Gebiet auf der Halbinsel Fosen, das von samischen Rentierzüchtern als Weidefläche genutzt werde.
Winterweidefläche versus Windkraft
Der ausführlichen Mitteilung von Hogan Lovells zufolge erteilten die norwegischen Behörden im Jahr 2010 für dieses Land Windkraftlizenzen. Auf deren Basis wurden in den Jahren 2019 und 2020 Windkraftanlagen fertiggestellt. Das Gericht stellte nun fest, dass die Nutzung als Winterweidefläche durch die errichteten Windkraftanlagen erheblich beeinträchtigt sei.
Umsetzung unterscheidet sich von Land zu Land
Die Umsetzung des ICCPR unterscheidet sich von Mitgliedsstaat zu Mitgliedsstaat und sollte deshalb für jedes zukünftige Projekt gesondert untersucht werden. Das betonen die Juristen und verweisen auf lokale Beispiele.
„Norwegen verabschiedete 1999 ein Gesetz, durch das den Bestimmungen des ICCPR im Falle des Konflikts mit nationalem Recht Vorrang eingeräumt wurde. In Deutschland gilt der ICCPR als Völkerrecht und ist gem. Art. 25 Grundgesetz Bestandteil des Bundesrechtes. Bei einem Verstoß könnte ein Verwaltungsakt also für rechtswidrig erklärt werden.“
Auswirkungen auf Windkraftlizenzen berücksichtigen
„Insgesamt spielt der ICCPR in den Gerichtsentscheidungen der Mitgliedsstaaten bisher fast keine Rolle – möglicherweise auch aufgrund von mangelnder Kenntnis der Vorschriften“, vermuten die Juristen. Durch das norwegische Urteil könnte sich dies nun aber ändern. „Feststeht, dass zumindest in Norwegen auch eine endgültig und unbedingt erteilte Baugenehmigung keine Garantie für die Rechtmäßigkeit und Bestandskraft des Projekts darstellt.“
Faber und Laewen raten Banken und Investoren, sowohl in der frühen Projektentwicklungsphase als auch im Due-Diligence-Prozess besonderes Augenmerk auf die Rechte von möglicherweise betroffenen Minderheiten zu richten. „Dies ist insbesondere deshalb unerlässlich, da unter Umständen weder eine Entschädigung in Geld noch die Bereitstellung von alternativen Flächen ein adäquates Mittel zur Risikominimierung darstellen.“
Der ICCPR sei ein von 173 der 193 UN-Mitgliedsstaaten unterzeichneter völkerrechtlicher Pakt. Er benennt bürgerliche und politische Rechte, sei aber kein bindendes überstaatliches Instrument zu deren Durchsetzung enthalte. Diese bleibe den Mitgliedsstaaten überlassen.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Alternative Anlagen | Infrastruktur | Risikomanagement
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