Ein Rekordjahr mit fadem Beigeschmack
2015 ist für die deutsche Fondsbranche ein Jahr der Rekorde. Doch die zunehmende Überregulierung treibt dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) auch Sorgenfalten auf die Stirn. Der Verband mahnt.
Was für ein Auftakt ins neue Jahr: Der Ölpreis und Aktien fallen, zudem werden die Sorgen um Chinas Wirtschaft größer statt kleiner. 2016 könnte ein schwieriges Jahr für die deutsche Fondsbranche werden, die zuletzt äußerst erfolgsverwöhnt war. Nach 2014 konnte sie auch 2015 ein weiteres Rekordjahr feiern. Mit netto 193,4 Milliarden Euro erreichte das Neugeschäft im vergangenen Jahr eine neue Höchstmarke, über die sich BVI-Präsident Holger Naumann am Donnerstag auf der Jahrespressekonferenz des Fondsverbandes freute. Insbesondere Spezialfonds trugen mit Rekordzuflüssen von netto 121,5 Milliarden Euro zu der positiven Bilanz bei, was ebenfalls ein Rekord ist – und zwar bereits der vierte Absatzrekord infolge.
Der Löwenanteil am Neugeschäft im vergangenen Jahr stammte wie in den Vorjahren von Versicherungen und Altersvorsorgeeinrichtungen. Sie kamen jeweils auf ein Nettomittelaufkommen von 48,1 beziehungsweise 25,1 Milliarden Euro. Auf diese beiden Anlegergruppen entfällt dementsprechend auch der größte Anteil am gesamten Fondsvermögen, das sich Ende 2015 auf ein Rekordniveau von 2,6 Billionen Euro türmte (davon 1,34 Billionen Euro in Spezialfonds). Versicherungen halten rund 530 Milliarden Euro an Fondsvermögen, bei Altersvorsorgeeinrichtungen sind es 276 Milliarden Euro.
Gemischte Bilanz
Bei aller Freude über die guten Absatzzahlen des vergangenen Jahres fällt das Urteil des BVI in puncto Regulierung gemischt aus. Seit 2008 gab es rund 120 europäische und nationale Gesetze, die für die Fondsbranche relevant waren. Für BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter ist das Positive daran, dass die Grundpfeiler der Branche erhalten blieben: „Anders als bei anderen Finanzmarktakteuren hat es durch die Regulierung keinen strukturellen Bruch in der Geschäftstätigkeit gegeben.“
Kritisch sieht der Verband jedoch die zunehmende Überregulierung auf der EU-Ebene durch technische Ausführungsvorschriften, die von den europäischen Aufsichtsbehörden Esma, EBA und Eiopa (kurz: ESAs) sowie von der EU-Kommission erlassen werden. „Die Gesetze zur Post-2008-Regulierung sind nur die Spitze des Eisbergs“, so Richter. „Der Großteil der EU-Regulierung zur Fondsbranche besteht mittlerweile aus einer kaum überschaubaren Menge untergesetzlicher Ausführungsvorschriften.“ Zur Veranschaulichung führt der BVI ein Beispiel heran: Seit Gründung der ESAs im Jahr 2011 wurden insgesamt 537 Durchführungsmaßnahmen, Leitlinien und Empfehlungen veröffentlicht. EU-Parlament und Rat erließen als Gesetzgeber im gleichen Zeitraum 39 Rahmenrichtlinien und -verordnungen. Das sei ein Verhältnis von 14 zu 1. „Die derzeitige Überregulierung führt zu Widersprüchen und unbeabsichtigten Nebenwirkungen. Deshalb sollte die Zahl der Ermächtigungen zum Erlass technischer Level-2-Vorschriften deutlich beschränkt werden“, ist Richter überzeugt. Darüber hinaus spricht sich der BVI für eine stärkere Kontrolle der ESAs aus und wertet den Anfang Februar veröffentlichten Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen im Bundestag zur Rolle der ESAs als positives politisches Signal. Kritisch sei insbesondere, dass den Marktteilnehmern und nationalen Aufsichtsbehörden gegen Leitlinien der ESAs keine Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Leitlinien sein zwar formell für die Marktteilnehmer nicht bindend. Allerdings seien die nationalen Aufsichtsbehörden grundsätzlich verpflichtet, für ihre Einhaltung zu sorgen.
Lob gab es seitens des BVI zumindest für die Ogaw-V-Umsetzung. Denn die Richtlinie setze nicht nur die EU-Vorgaben in deutsches Recht um, sondern enthält auch neue Regeln für Kreditfonds. So dürfen künftig geschlossene Spezialfonds nicht nur wie bisher Darlehensforderungen erwerben, sondern selbst Darlehen vergeben. Bei offenen Spezialfonds, die in unverbriefte Darlehensforderungen investieren, kann die Kapitalverwaltungsgesellschaft die Darlehen jetzt auch selbst restrukturieren oder verlängern. Bislang musste sie dafür eine Bank einbinden, was zusätzliche Kosten verursacht hat.
Kritik übte der deutsche Fondsverband an der internationalen Diskussion um die Systemrelevanz von Asset Managern. „Die Debatte zur Systemrelevanz ist zu undifferenziert, häufig werden Marktrisiken mit Systemrisiken gleichgesetzt“, so Richter. Und weiter: „Die Risiken von Asset Managern und Banken sind nicht vergleichbar und müssen unterschiedlich reguliert werden. Wir brauchen zielgenaue Regeln statt Pauschallösungen.“ Auslöser für diese Reaktion ist, dass die internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO und der Finanzstabilitätsrat FSB sich bislang eng an den Regeln für Banken orientiert haben. Anders als bei Banken ist laut BVI aber eine pauschale Einstufung nach Fondsgröße oder Bilanzsumme bei Fondsgesellschaften nicht sinnvoll, da sie die Sondervermögen außerhalb ihrer Bilanz verwalten. Selbst im Falle einer Insolvenz könnte ein anderer Asset Manager das Verwaltungsrecht über die Fonds übernehmen, ohne dass Anlegern daraus Verluste entstünden. Eine Kettenreaktion wie nach der Lehman-Pleite wäre deshalb nicht möglich. Zudem sei der Fondsmarkt im Vergleich zu anderen Branchen stark fragmentiert. Der weltweite Marktanteil der fünf größten Asset Manager liegt bei lediglich 17 Prozent. Die deutsche Fondsbranche halte nur Streubesitz, ihr Anteil an Aktien aus der Dax-Familie betrage beispielsweise nur etwa acht Prozent.
portfolio institutionell newsflash 15.02.2016/Kerstin Bendix
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