Traditionelle Anlagen
9. April 2013

Dividendenjagd mit Hindernissen

Der Frühling lässt nicht nur sein blaues Band wieder durch die Lüfte flattern, sondern bringt auch üppige Dividendenausschüttungen oberhalb des Rechnungszinses. Die Vermeidung von Kursrisiken kostet zwar in der Regel die Dividendenrendite, kann jedoch trotzdem Sinn machen. Ein komplexer Aspekt ist weiterhin die Quellensteuer.

Für Zinsgutschriften von Lebensversicherungen werden vier ­Prozent gern mit dem Attribut „magisch“ versehen. Einst bezog sich diese Schwelle auf die Garantieverzinsung. Seit dem vergangenen Jahr sind die vier Prozent im Schnitt auch in der Gesamtverzinsung gerissen. Dabei ist die Vereinnahmung von vier Prozent prinzipiell ­eigentlich alles andere als „magisch“: Derzeit weisen gleich neun ­Unternehmen im Dax eine Dividendenrendite von über vier Prozent aus. Im M-Dax sind es acht Unternehmen und im Euro Stoxx 50 15 ­Unternehmen. Die naheliegende Frage: Wie können auch bilanzsensitive Investoren diese Gewinnbeteiligungen vereinnahmen? Diese ­Frage stellt sich umso mehr, da bei deutschen Unternehmen im April und Mai die Hauptversammlungssaison ansteht und inländische ­Investoren bei diesen Ausschüttungen keinen Quellensteuerabzug zu befürchten haben.

Wer sich über Dividendentitel als Anleihensubstitut für das Asset Liability Management Gedanken macht, stößt zunächst einmal auf ein philosophisches Problem: Welche Duration haben eigentlich ­Aktien? „Das Manko ist, dass Risikomanager und Regulatoren nie zu einer abschließenden Erkenntnis gekommen sind, welche Duration Aktien haben“, stellt Holger Kerzel fest, der als Geschäftsführer der Meag die Eigenkapitalanlagen für Munich Re, Ergo sowie Mandanten außerhalb des Konzerns verantwortet. Modellierungsprobleme bestehen allerdings auch bei Anleihen. Kerzel: „Es gibt kaum Zinstitel für die Abdeckung von sehr lang laufenden Verbindlichkeiten.“ Aus Sicht von Holger Kerzel liegt die Duration von Aktienindizes bei unendlich, da hier für Unternehmen, die den Aktienindex verlassen, andere ­nachrücken.

Auch im Depot A von Sparkassen können hinsichtlich des ­höheren Liquiditätsbedürfnisses abgesicherte Aktien mehr Sinn als Corporate Bonds machen. Allerdings sieht man Dividendentitel laut Klaus-­Dieter Böhme, Leiter institutionelle Kunden bei der Deka, weniger als Ausschüttungssubstitut für Anleihen, sondern mehr portfoliotheoretisch unter Rendite-Risiko-Aspekten. „Darum liegt der Fokus auf Aktien mit hoher Dividendenrendite, da diese häufig eine niedrigere Volatilität­ aufweisen“, erklärt Böhme und fügt hinzu, dass sich bei den Unternehmen, die die Dividenden auch operativ verdienen, der Dividendenabschlag oft auch in kurzer Zeit wieder aufholen lasse.

Bei hohen Ausschüttungen pauschal von niedrigeren Risiken auszugehen, ist auch aus Sicht von Sal. Oppenheim falsch. „Dividendenstark und Schwankungsarm sind getrennt zu betrachtende Dimensionen“, erklärt Axel Gießelbach. Der Leiter des Bereichs Structured Products­ bei Sal. Oppenheim verweist hier auch auf den Kursabschlag am Ausschüttungstag. Als Beispiel können Bankentitel im Jahr 2008 sowie Versorgeraktien 2011 und in den 90er Jahren genannt werden, die überdurchschnittliche Dividendenrenditen aufwiesen, aber deren Aktienkurse in der Finanzkrise beziehungsweise durch Fukushima­ und politischen Druck besonders stark schwankten. Sinnvoller ist es für Gießelbach Oppenheim bei Dividendenstrategien mehr auf Faktoren wie Dividendenwachstum und Dividendendynamik zu schauen.

Die Kosten der Absicherung

Tendenziell käme die Absicherung von ausgesuchten Einzeltiteln teurer als die Absicherung eines Aktienindex. Der Dax wies Anfang Februar eine Dividendenrendite von 3,3 Prozent auf. Den Dax bis Juni – in diesem Monat hält SAP als letzter Dax-Konzern seine Hauptversammlung ab – zu halten und gleichzeitig zur risikolosen Vereinnahmung dieser Dividende das Kursrisiko abzusichern, käme sehr teuer. „Bis Ende Juni kostet eine Absicherung am 1. Februar bei einem Basispreis von 7.750 Punkten 240 Euro beziehungsweise 3,1 Prozent“, so Kerzel. Damit ließen sich in den vier Monaten bis Ende Juni lediglich 20 Basispunkte erwirtschaften. „Dividendenerträge ohne Kursrisiko gibt es nicht. Die Dividendenrendite ist die Entlohnung für das Aktienrisiko“, kommentiert Marcel Langer von der UBS. „Als Emittent müssten wir einen solchen Hedge ja auch finanzieren, und im jetzigen­ Umfeld sind die Zinseinnahmen äußerst gering.“ Für die Meag können solche abgesicherten Dividendenstrategien aber trotzdem Sinn machen. Holger Kerzel erklärt: „Der Vorteil der hohen Dividenden im Vergleich zu den aktuell niedrigen Absicherungskosten liegt darin, dass sich die entsprechenden Aktien beziehungsweise der Index somit ‚selbst finanzieren‘, das heißt, man gibt zwar einen Großteil oder die ganze Dividende auf, erhält dafür aber eine vollständige Absicherung gegen Kursverluste und kann vom gesamten Kurspotenzial profitieren.“

Wie stark in den Derivaten der Dividendenabschlag schon eingepreist ist beziehungsweise sich die Investmentbanken diesen bezahlen lassen, zeigt sich zum Beispiel darin, dass der Euro-Stoxx-Future im zweiten Quartal wegen der Hauptversammlungssaison in Deutschland, auf der bekanntlich, anders als im Ausland, alles auf einmal ausgeschüttet wird, immer unter dem Euro Stoxx notiert. Anfang Februar lag der Euro Stoxx 50 bei 2.700 und der Juni-Future bei 2.645 Punkten.­ „Diese Differenz entspricht den Dividendenausschüttungen der entsprechenden deutschen Aktien im Euro Stoxx 50“, erklärt Kerzel. Da der Dax ein Performance-Index ist, gilt diese Beobachtung nicht für den Dax-Future.

Lukrativer sind Absicherungsstrategien, wenn sie über eine längere­ Laufzeit als die Hauptversammlungssaison gewählt werden. Die UBS verweist auf Notes mit einer Laufzeit von zehn Jahren, die sich auf verschiedene Aktienindizes beziehen, an denen der Investor kein Kursrisiko trägt, jedoch je nach Index an den jeweiligen Dividenden­ mit 30 bis 70 Prozent partizipiert. Im Endeffekt dürfte damit­ ein Ertrag auf Niveau von Anleihenrenditen übrig bleiben.

Ohne Absicherung Dividenden „melken“ zu wollen, kann für bilanz­sensitive Investoren jedoch auch heikel sein. Traditionelle Dividendenindizes oder Dividenden-ETF bilden nämlich meist die Aktien mit der höchsten absoluten Dividendenrendite ab. In der Folge droht in der Regel eine Konzentration auf Versorger- und Telekommunikationsaktien sowie Unternehmen, die ihre Dividenden aus der Substanz zahlen. Mit qualitativen Selektionskriterien mögen sich langfristig zwar interessante Risiko-Rendite-Profile erstellen lassen, kurzfristig lassen sich jedoch hohe Beta-Risiken nicht vermeiden. So weist der UBS Global Quality Dividend Payers Index zwar eine deutlich höhere Rendite per annum als klassische Aktienindizes auf. Mit einem maximalen Monatsverlust von minus 24,4 Prozent ist der Index in diesem Sinne aber nur geringfügig besser als seine klassischen Pendants.

Die UBS verweist aber noch auf eine möglicherweise lukrativere Möglichkeit, via Derivate in Dividenden zu investieren, nämlich mit Dividenden-Futures. Beispielsweise stellte die UBS 2011 ihren institutionellen Kunden eine von der UBS emittierte Anleihe mit einer Laufzeit von sechs Jahren und einem fixen Kupon von 2,75 Prozent im ersten Jahr vor. In den folgenden Jahren hängt die Höhe der Zinszahlung von der Entwicklung des Euro-Stoxx-50-Dividenden-Futures ab. Dividenden-Futures beziehen sich in der Regel auf ein Kalenderjahr. Der Zinsbetrag ergibt sich dann aus dem Nennbetrag multipliziert mit dem Quotienten aus dem Abrechungskurs des Dividenden-Futures und dem Kurs des Euro Stoxx 50 am Laufzeitbeginn. Damit ergäbe sich für 2013 bei einem Dividenden-Future von 104,8 und einem Kursstand des Euro Stoxx 50 von 2.640 eine Rendite von immerhin knapp vier Prozent. Der Investor partizipiert also in jedem Jahr an der jeweiligen­ Dividendenrendite, allerdings nicht am Kursrisiko des ­Euro Stoxx 50.

Neben dem vollen und dem gehedgten Kursrisiko bleibt die dritte Möglichkeit, ein asymmetrisches Kursrisiko einzugehen. In der Erwartung von Seitwärtsmärkten ist dies eine sinnvolle Möglichkeit. Wie bei jeder Derivatestrategie, die über Zertifikate umgesetzt wird, besteht aber ein Emittentenrisiko. Wer einen Kupon schätzt, wird bei Aktienanleihen fündig. „Wegen der meist knappen bilanziellen Risiko­puffer nehmen die meisten Sparkassen aber lieber Discountzertifikate.­ 2012 haben wir deutlich mehr solcher Zertifikate als 2011 verkauft“, berichtet Klaus-Dieter Böhme. „Um Ausgleichseffekte zu nutzen, werden die Zertifikate meist in einen Spezialfonds reingekauft.“

Lehman Brothers gebührt aber nicht nur der „Verdienst“, Anlegern Emittentenrisiken bewusst gemacht zu haben. „Der Untergang von Lehman Brothers sorgte auch dafür, dass die Wertpapierleihe in der Abwägung zwischen erzielbaren Zusatzerträgen und dem hierfür einzugehenden Risiko kritischer gesehen wurde und die Wertpapierleihe über den Dividendenstichtag stark zurückgegangen sein sollte“, sagt Axel Gießelbach von Sal. Oppenheim. „Allerdings betraf dieses Thema auch schon vor 2008 nur ausländische Aktien, da eine KAG verpflichtet ist, Stimmrechte bei inländischen Aktien wahrzunehmen“. Im Ausland sind dagegen Shareholder Meetings und Ausschüttungen nicht immer zeitgleich.

Achtung Quellensteuer!

Nichtsdestotrotz bleiben Dividenden attraktiv, und um das Risiko wenigstens zu reduzieren,  empfiehlt es sich auch hier, zu diversifizieren. Im Ausland ist jedoch der Quellensteuerabzug einzukalkulieren. Den Quellensteuerabzug können international agierende Asset Manager lindern, die im Ausland als Inländer gelten. Gelindert wurde der Abzug bislang auch durch den deutschen Spezialfonds, der, anders als ein Publikumsfonds mit seinen anonymen Investoren, den ausländischen Finanzbehörden den Steuerstatus des Investors nachweisen kann. Doch auch dann kann es zum Beispiel bei italienischen Aktien jahrelang dauern, bis die zu viel einbehaltene Quellensteuer zurück­erstattet wird. Ob die bis dahin im Fonds eingebuchte Forderung dem Investor immer auch dann noch zugute kommt, wenn das Mandat schon lange beendet ist, bleibt zu bezweifeln. Mit dem AIFM und dem Entwurf des AIFM-Steueranpassungsgesetzes stehen nun aber Änderungen an. „Durch die nunmehr in Luxemburg und Deutschland in neuer Form zur Verfügung stehenden Investmentvehikel in Personengesellschaftsform wird in einigen Fällen eine Reduzierung der ausländischen Quellensteuerbelastung möglich sein“, schreibt Marco Simonis von Clifford Chance. Was dem jedoch entgegensteht, ist der große Finanzierungsbedarf beziehungsweise Verschuldungsgrad der Staaten.

Steuerpflicht für Dividenden aus Mini-Beteiligungen

Eine weitere große rechtliche Änderung forcierte der Europäische Gerichtshof. Dieser hat moniert, dass inländische Firmen Streubesitzdividenden im Gegensatz zu ausländischen Aktionären steuerfrei kassieren. Inländer zahlten zwar die Kapitalertragsteuer von 25 Prozent, konnten die Zahlung aber wieder vom Fiskus zurückfordern. Am 26. Februar hat ein Vermittlungsausschuss entschieden, dass Dividenden aus Beteiligungen von unter zehn Prozent ab dem ersten März – und damit pünktlich zur Hauptversammlungssaison – steuerpflichtig sind. Der Deutsche Bundestag wollte die Gleichbehandlung auf andere­ Weise herstellen: Er hatte im November 2012 beschlossen, auch ausländische Kapitalgesellschaften von der Steuerlast zu befreien. Dies fand im Bundesrat jedoch keine Zustimmung. Im Vermittlungsausschuss einigten sich Bund und Ländern nun darauf, zukünftig die Dividenden­ in- und ausländischer Kapitalgesellschaften gleichmäßig zu besteuern.

Unter dem Strich bleibt, wenn man nicht bereit ist, längere Laufzeiten einzugehen: No pain no gain – oder man verlässt den Pfad der Tugend und strippt. Von Dividenden-Stripping wird gesprochen, wenn Aktien rund um den Dividendenstichtag mit dem Ziel gehandelt werden, Steuerbescheinigungen über die Kapitalertragsteuer zu erhalten. So ist es möglich, mehrere Steuerbescheinigungen zu erhalten, obwohl die Steuer nur einmal abgeführt wurde. Kritik an einem solchen Geschäftsgebaren mussten sich neben der Hypovereinsbank ausgerechnet öffentlich-rechtliche Landesbanken und die Deka erwehren. Seit dem 1. Januar 2012 ist diese Gesetzeslücke geschlossen und lässt laut dem Informationsportal juve.de keinen Interpretationsspielraum mehr zu.

portfolio institutionell, Ausgabe 3/2013

Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert