Diversifikationsdekade
Jens Güldner, Leiter Vermögens- und Stiftungsmanagement der Johannesstift Diakonie gAG, sprach mit Patrick Eisele von portfolio institutionell über den Stiftungsfonds, der vor zehn Jahren vom Evangelischen Johannesstift SbR initiiert wurde.
Vor zehn Jahren stellte die Europäische Kommission den Haushalt Griechenlands unter EU-Kontrolle und das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass die Hartz-IV-Regelsätze in ihrer Berechnung verfassungswidrig sind. Was ebenfalls im Februar 2010 geschah: Das Evangelische Johannesstift legte einen Stiftungsfonds als institutionelle Lösung auf. Geburtshelfer des Fonds war der Wunsch, die Gelder, die zuvor bei verschiedenen Banken lagen, zu einer einheitlichen Lösung zusammenzufassen. Der Fonds hat sich im vergangenen Jahrzehnt sowohl bei den Assets, als auch hinsichtlich der Anzahl der Anteilseigner stetig weiterentwickelt. Treiber der Entwicklungen in der vergangenen Dekade waren vor allem die Zinsen und das große Thema Nachhaltigkeit.
„Im Vergleich zu unserem Startjahr haben sich die Märkte sehr geändert. Die Zinsen gingen runter, die Risiken hoch und der EJS-Stiftungsfonds musste sich den Gegebenheiten anpassen“, resümiert Jens Güldner, Leiter Vermögens- und Stiftungsmanagement der Johannesstift Diakonie gAG und vor zehn Jahren oberster Vermögensmanager im Evangelischen Johannesstift SbR Berlin, dem späteren Partner der Johannesstift Diakonie gAG (vormals Paul Gerhardt Diakonie gAG). Vor zehn Jahren lag die Risikotragfähigkeit bei fünf Prozent pro Jahr, die maximale Aktienquote betrug 20 Prozent und der Anlagefokus war Europa. Mit dieser konservativen Ausrichtung war 2010 noch ein Renditeziel von drei Prozent über der Inflation realistisch. „Davon kann man heute nur noch träumen“, so Güldner. Um auch heute noch die Rendite auskömmlich zu gestalten, wurde im Laufe der Dekade an den Stellschrauben gedreht. Heute legt der Stiftungsfonds global an, die maximale Aktienquote erhöhte man sukzessive auf nun 50 Prozent und die Zielrendite senkte man auf Inflation plus ein bis zwei Prozent über dem gleitenden Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre. Bezüglich des Aktien-Benchmarks wechselte man 2016 vom Euro Stoxx 50 zum MSCI World. „Die regionale Erweiterung beispielsweise auch auf die Emerging Markets hat sich auf den Fonds sehr stabilisierend ausgewirkt“, so Güldner. „Die Schwellenländer haben wir derzeit mit einigen Zielfonds abgedeckt.“ Die Risikotragfähigkeit – und damit der Wert, den der Fonds pro Jahr maximal verlieren darf – erhöhte man auf 7,5 Prozent. Darüber hinaus kann über ein dynamisches Risikomanagement auch antizyklisch wieder in risikotragende Asset investiert werden. Schließlich will man nicht, wenn der Markt wieder dreht, quasi ausgestoppt ohne Aktien dastehen.
Mehr Aktien, Risikotragfähigkeit und Diversifikation
Der Fondsmanager, Allianz Global Investors (AGI), nutzt den größeren Spielraum bei der Aktienquote auch aus. Ende 2019 lag die maximale Aktienquote bei 40 Prozent. Somit trugen auch die Anteilsscheine zu einem großen Teil zur Netto-Jahresrendite 2019 von 10,75 Prozent bei, per 20.02.2020 von 3,07 Prozent. Im Schnitt betrug die Rendite seit Fondsauflage pro Jahr per 20.02.2020 3,53 Prozent. Dafür gab es mit 2018 und 2011 auch nur zwei Verlustjahre, wobei das Minus jeweils auch nur moderate vier Prozent betrug. Pro Anteil schüttet der Fonds aktuell zwei Euro im Jahr aus.
Neben den beiden Erweiterungen bezüglich Anlageregionen und Aktienquote sind als dritte Weiterentwicklung – kosten- und wachstumsbedingt – die Umstellung der Investments auf nun größtenteils Einzeltitel zu nennen. Jens Güldner, eigentlich ein ETF-Befürworter, setzt mit Blick auf die Marktrisiken zumindest im Stiftungsfonds derzeit lieber auf aktive Fonds. Güldner: „Je schwieriger die Marktphase und je ineffizienter die Märkte desto mehr spricht für aktives Management.“
Dauerhaft niedrige Zinsen stellen das Portfoliomanagement womöglich in der Zukunft bei der Rendite-Zielerreichung vor Herausforderungen. „Das Renditeziel weiter zurückzuschrauben wird aber schwierig“, so Güldner mit Verweis auf die Finanzierungsanforderungen der Projekte der Stiftungen. „Wenn Anleihen keine laufenden Erträge generieren, müssen wir offen über eine Absenkung der Anleihequote und/oder eine weitere Erhöhung der Risikotragfähigkeit diskutieren und mit einem Consultant entsprechende Simulationen durchführen.“ Letzteres geschehe im jährlichen Turnus. Geführt werden diese Diskussionen mit den externen Anteilseignern, deren Anzahl sich nun auf etwa ein Dutzend beläuft. „Die Größe des Stiftungsfonds ermöglicht, zu akzeptablen Kosten in institutionellem Rahmen zu investieren. Allein wären viele dieser Anteilseigner dazu nicht in der Lage“, erläutert Jens Güldner die Motivation der weiteren Anteilseigner des Stiftungsfonds.
Bei diesen handelt es sich ausschließlich um gemeinnützige Organisationen, vornehmlich Stiftungen, was zu einer Interessenkongruenz beiträgt. Ein Investor, der die Synergien und Skaleneffekte der Gemeinschaftslösung nutzt, ist beispielsweise die Werner und Maren Otto Stiftung, die alle freien Mittel im Stiftungsfonds allokiert hat. „Die gemeinschaftliche Herangehensweise, und dass alle Anteilseigner auch alle Informationen bekommen und die gleichen Gebühren bezahlen, macht vieles einfacher“, erklärt der Leiter Vermögens- und Stiftungsmanagement. Über Umstellungen bei den Fondsparametern entscheidet die Mehrheit.
Holpriger Beginn
Über geschlossene Fonds, mit denen man Illiquiditätsprämien sammeln könnte, wird aktuell, insbesondere unter dem Nachhaltigkeitsaspekt, nachgedacht. Aufgrund fehlender Ratings und langer Anlaufzeiten müssen hier höchste Qualitätsansprüche an das Management gestellt werden. Nachhaltigkeit hat für den EJS-Stiftungsfonds nämlich seit Anbeginn eine große Bedeutung. „Wir haben schon im Ausschreibungsprozess nicht nur nach finanziellen Kennziffern gefragt, sondern auch nach Themen wie Energieverbrauch oder der Verweildauer des Personals.“ Allerdings bekam das Johannesstift anno 2009 von über der Hälfte der angeschriebenen Manager und Banken daraufhin statt den Antworten auf die Fragen irritierte Rückmeldungen zum Ausschreibungsprozess. Darüber kann Güldner zumindest heute schmunzeln. Mandatiert wurde die Allianz Global Investors, die auch auf Grund ihrer Muttergesellschaft schon damals bezüglich Nachhaltigkeit sehr weit war, und die Güldner auch heute noch weiterempfehlen kann. Trotzdem betrat aber auch die Allianz-Tochter Neuland. „Wir waren seinerzeit für die Allianz Global Investors das erste institutionelle Kundenmandat in Deutschland, für das systematisch Nachhaltigkeitskriterien eingefordert wurden“, sagt Jens Güldner.
Einen ähnlichen Ansatz wie der Spezialfonds „EJS Stiftungsfonds“ verfolgt der Allianz Stiftungsfonds Nachhaltigkeit, der vom gleichen Manager verantwortet wird. Allerdings investiert er schwerpunktmäßig in europäische Aktien und richtet sich an einen breiten Kundenkreis. Das Wort „Nachhaltigkeit“ im Namen scheint man jedoch wenig konsequent zu verfolgen. So finden sich ausweislich des Halbjahresberichtes 2019 unter anderem Aktien von Total, Diageo, Carnival, Repsol oder französische Staatsanleihen im Fonds. Allianz Global Investors erklärt dies mit einer Best-in-Class-Strategie, die auch Titel mit einer positiven Dynamik in Richtung deutlicher Verbesserung des ESG-Profils beinhaltet. Zudem gelten nun auch Mindestausschlusskriterien für bestimmte Sektoren. Darum ist der Fonds, anders als noch Ende 2018, heute nicht mehr in Anteilsscheine von British American Tobacco investiert.
Ein erfolgreiches Engagement
Im EJS Stiftungsfonds finden sich diese Aktien aufgrund weitreichender Ausschlusskriterien der Stiftung nicht. Zudem wird auch bei den Zielfonds darauf geachtet, dass diese nachhaltig agieren. Diese werden von ISS ESG, vormals Oekom, geratet. Reicht das Rating nicht aus, kommt es zum sogenannten EJS Engagement Dialog mit den jeweiligen Fondsmanagern, um auf mehr Nachhaltigkeit zu drängen. Dies hat die Allianz Global Investors, mit der auch andere Investoren gesprochen hätten, zusätzlich motiviert, im vergangenen Jahr einen SRI Emerging-Market-Fund aufzulegen. Darin investiert nun auch der Spezialfonds des Evangelischen Johannesstiftes als einer der Erstinvestoren. In kleinem Umfang mischt der EJS-Stiftungsfonds bei den Zielfonds auch Produkte der Allianz-Global-Investors-Palette bei.
Mehrstufiger Nachhaltigkeitsprozess
Grundsätzlich basiert Nachhaltigkeit bei der Johannesstift Diakonie auf einem mehrstufigen Prozess. Die beginnt mit einem Best-in-Class-Ansatz und einigen wenigen Ausschlüssen. Dabei orientiert sich der EJS Stiftungsfonds mittlerweile nicht nur am ISS-ESG-Standard, sondern auch am Leitfaden der EKD, der vom Arbeitskreis kirchlicher Investoren erstellt wurde. Hinzu kommen Unternehmensdialoge und Proxy Votings. „Schaut man durch die Zielfonds durch, haben wir über 1.000 Einzelwerte in unserem Fonds. Alle Titel werden von ISS ESG auch noch einmal von externer Seite auf Nachhaltigkeitsaspekte überprüft und bewertet“, so der Leiter Vermögens- und Stiftungsmanagement. Ausschlüssen kann Güldner dagegen wenig abgewinnen: „Wer allein mit Ausschlusskriterien arbeitet, hat es schwer, vernünftig zu diversifizieren und Risiken zu managen. Klassische Finanzkennziffern müssen ebenfalls berücksichtigt werden“, warnt Jens Güldner. „Sinnvoller ist es, diejenigen mit Investments zu belohnen die Fortschritte machen.“ Diese Unternehmen, die sich dynamisch in Richtung eines nachhaltigeren Geschäftsmodells entwickeln, können für Anleger auch interessante Kurspotenziale bieten.
Ebenfalls wenig abgewinnen kann Güldner Aussagen anderer, dass man zu 100 Prozent nachhaltig sei. Einmal, weil es bei über 1.000 Titeln immer ein paar kritische Werte gebe, die aber viel Potenzial nach oben haben. Zum anderen, weil für Güldner die beiden Ziele Nachhaltigkeit und auskömmliche Rendite auch in Konflikt stehen können. Die Erweiterung des magischen Dreiecks führt für Güldner zum magischen Tetraeder. „Alle dann vier Dimensionen zu optimieren ist ein mühsamer Prozess. Wir wollen einen möglichst hohen Nachhaltigkeitsgrad, können aber nicht ausschließlich nach Nachhaltigkeit optimieren.“
Trotzdem steigt der Nachhaltigkeitsgrad mit der Zeit immer weiter. Dabei tragen auch die deutlichen Fortschritte auf der Angebotsseite bei. Güldner verweist hierzu unter anderem auf das gewachsene Angebot an SRI-konformen ETFs oder dass heute viel mehr Nachhaltigkeits-Ratings für Werte aus den Emerging Markets bestehen. Schlussendlich bleibt Nachhaltigkeit aber ein „moving Target“. Jens Güldner: „Nachhaltigkeit ist ein ständiger Weiterentwicklungsprozess.“ Das gilt aber auch für den Jubilar, den „EJS-Stiftungsfonds“.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Portfoliokonstruktion/Diversifikation | Stiftungen | Strategische Asset Allocation (SAA)
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